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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)


Geschichte des Bundes herzustellen. Und diese Anregungen sind nicht erfolglos geblieben. Allgemein ist in den deutschen Logen statt der Formen das Wirken im Geiste des Bundes in den Vordergrund getreten. Wo noch aus dem geheimbundsüchtigen vorigen Jahrhundert Auswüchse vorhanden waren, die an fabelhaften Zusammenhang mit Templern und Rosenkreuzern erinnerten, sind sie entweder aufgegeben oder entbehren alles Ansehens und aller ernsten Berücksichtigung. Wo man noch aus Gründen, die auf einem durchaus irrig angenommenen Zusammenhange zwischen der Maurerei und dem positiven Christenthum beruhten, die Israeliten und freigeistig gesinnten Christen von der Aufnahme fern halten zu müssen glaubte, hat man dies bereits aufgegeben, oder ist nahe daran, es zu thun. Ebenso ist schon viel geschehen, um die einzelnen Logen gegenüber der Bevormundung durch die Großlogen unabhängiger zu stellen. Ja, der Verein deutscher Freimaurer ist auch über die Grenzen Deutschlands hinausgegangen; er hat Mitglieder in Oesterreich, der Schweiz und den übrigen europäischen Staaten, sowie in Amerika, und im Jahre 1867 hat er ein Manifest an alle Logen der Erde erlassen, um ein allgemeines freisinniges Grundgesetz des Bundes, welches er entworfen, zur Anerkennung in allen Ländern zu bringen und die Stiftung einer Universalgroßloge für die ganze Menschheit zu veranlassen.

Die seitherigen kriegerischen Ereignisse haben allerdings den Fortgang dieses Unternehmens unterbrochen. Indessen hat sich der Verein mehr praktischen Aufgaben zugewandt und die „maurerische Werkthätigkeit“ auf seine Fahne geschrieben. Er konnte dies um so mehr, als er durchaus mit eigener Anstrengung eine Centralhülfscasse angelegt hat, welche bei verschiedenen Nothständen ihre Dienste gethan, aber auch die Grundlage bildet für Werke, die, vom Vereine und seinen Gesinnungsgenossen angeregt, noch in der Vorbereitung begriffen sind und weitgehende Zwecke verfolgen, zum Besten der leidenden Menschheit sowohl, als der Volksbildung und der Erziehung des Volkes zur Erfüllung höherer, idealer Aufgaben, wie sie die fortschreitende Veredelung und Vervollkommnung der Menschheit erfordert. So ist denn der Freimaurerbund, in Deutschland wenigstens, in einem regen und seiner Ziele klaren Aufstreben begriffen und dürfte sich daher nach und nach auch da Sympathien erwerben, wo man ihn bisher ungünstig angesehen und als einen „überwundenen Standpunkt“ zu den Todten geworfen hat.

Schließlich wollen wir noch ausdrücklich betonen, daß wir mit diesen Zeilen keinerlei Propaganda für den Freimaurerbund, sondern lediglich eine Aufklärung des Publicums über dessen Wesen beabsichtigen. Es ist dem Bunde weder mit blos quantitativer Vermehrung, noch jedem Einzelnen mit Aufnahme in den Bund gedient. Jeder humane Mensch kann, wie oben bereits bemerkt, auch für eigene Rechnung wohlthätig sein, zudem paßt der Bund nicht für Jeden und nicht Jeder für den Bund. Letzterer hat sich in seinen Gliedern und diese in ihm schon oft bitter getäuscht gesehen. Daher verhalte sich hierin Jeder, wie er es mit seinem Gewissen vereinbar findet.

A. St.




Galerie historischer Enthüllungen.
3. Agnes Bernauer.


Zu denjenigen deutschen Städten, deren bloßer Klang eine Fülle großer und kostbarer Erinnerungen in uns wachruft, gehört in erster Reihe das an der Grenze Baierns und Schwabens breit und mächtig hingelagerte uralte Augsburg.

Agnes Bernauer.

Schon zur Zeit der Römerherrschaft ragte die Stadt weit über die benachbarten Römersitze hervor, so daß der große Geschichtsschreiber unseres germanischen Alterthums nicht ansteht, sie „Rhätiens glänzendste Colonie“ zu nennen. Und als später in den Stürmen der Völkerwanderung das Römerreich und mit ihm die stolze Augusta in Trümmer sank, war es das Christenthum und die Kirche, welche in der letzten Ruhestätte der heiligen Afra einen festen Mittelpunkt ihrer Thätigkeit fanden und neues Leben in die verödeten Ruinen brachten. Diese Periode kirchlicher Machtentfaltung erreichte ihren Höhepunkt in Bischof Ulrich dem Heiligen, jenem deutschesten unter den deutschen Kirchenfürsten des ottonischen Zeitalters, welcher, nachdem er drei Tage und Nächte lang in eigener Person die Mauern der schlechtvertheidigten Stadt gegen die wie Hagelgeschosse heranstürmenden Schaaren der Ungarn geschützt hatte, am Morgen des vierten Tages an der Spitze des Reichsheeres, das Kreuz in der erhobenen Rechten, durch die schäumenden Wogen des Lechs setzte und Tod und Verderben in die Reihen der Feinde brachte. Auch das spätere Mittelalter, die Zeit der reichsfreien Selbstherrlichkeit unserer Städte, zeigt uns Augsburg in der vordersten Reihe derselben. Die höchste Blüthe erreichte indeß die Stadt im sechszehnten Jahrhundert. Die größte nationale That unserer Geschichte, die Losringung deutschen Geistes aus den Fesseln römischen Geisteszwangs, bleibt für ewige Zeiten mit Augsburgs Namen verbunden.

Vielleicht noch bekannter, als durch seine Theilnahme an der politischen Geschichte unseres Volkes ist Augsburg als Heimath mehrerer durch Geschichtschreibung und Poesie vielfach gefeierter Frauen. Zwei Namen sind es vorzugsweise, welche in den Kreisen namentlich unserer Leserinnen die höchste Popularität besitzen: Agnes Bernauer und Philippine Welser. Nach Herkunft und Lebensgang äußerst verschieden, haben diese beiden Frauen nur das Gemeinsame, daß ihr Schicksal auf’s Engste mit dem zweier deutscher Fürstensöhne verknüpft war. Philippine Welser war die Tochter einer alteingesessenen Patrizierfamilie, die an Reichthum und Ansehen so hoch gestiegen war, daß Kaiser und Fürsten auf freundschaftlichem

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 454. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_454.JPG&oldid=- (Version vom 27.8.2018)