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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)

In der Mitte ist aus verschiedenen Steinarten und kleinen Muscheln vermittelst Cement ein Fels gebaut, welcher über den Wasserspiegel ragt. Ein mit Cement ausgekittetes cylinderähnliches Gefäß, das mittelst Bohrungen mit Löchern versehen ist, damit die Circulation des Wassers stattfinden kann, und welchem eine durchlöcherte, abnehmbare Blechkapsel als Deckel dient, auf welcher man auch ein Thermometer anbringen kann, verwende ich als abgeschlossenes Bassin. In seinem Innern birgt das so hergestellte Aquarium meist Libellen- und Wasserlarven, welche ich anfänglich im Bassin desselben unterbrachte; nach und nach aber wurde ihre beträchtliche Menge von den Fischen, hauptsächlich so lange sie noch klein waren, auf eine bedeutend kleinere Anzahl reducirt. Da diese Larven, je größer sie werden, wiederum den Fischen nachstellen, so kam ich auf den Gedanken, ein zweites Bassin im Hauptbehälter zu schaffen, um die Entwickelung der Larven beobachten zu können, bei welcher die Libellenlarven mit ihren merkwürdigen, den Kopf maskirenden Fangarmen, ähnlich einem Menschen, welcher sein Gesicht mit den Händen bedeckt, eine hervorragende Rolle spielen. So kommt oft in die Nähe einer solchen Libellenlarve, welche ahnungslos der Gefahr entgegengeht, eine andere kleinere Larve; diese enthüllt plötzlich ihr Gesicht, streckt die Fangarme nach ihrem Opfer weit vor und faßt es mit ihren nun erst sichtbaren scharfspitzigen Hackenzangen.

Auch die Schwimmkäfer und die Wasserwanzen stellen den kleinen Fischen und Kaulquappen nach; der Fleischfütterung der Käfer kann ich es nach meinen Beobachtungen nur zuschreiben, daß in den letzten sechs Wochen kein Fisch von denselben angefallen und verzehrt wurde, während anfänglich, ehe ich Fleisch reichte, wöchentlich fast zwei Fische den Räubern als Leckerbissen dienten. Regenwürmer, ein todter Frosch etc. sind ihnen willkommen; auch verachten sie gekochtes Rindfleisch, in kleinen Fasern in’s Wasser geworfen, durchaus nicht; die kleinen Wasserschnecken der Teiche aber ziehen sie allem Andern vor.

Dicht über dem Wasser befinden sich zu beiden Seiten Glasplatten, welche mit Moos, Steinen, Muscheln, Gräsern, Farren und Schlingpflanzen bedeckt sind. Die Platten ruhen hinten auf einem Blechvorsprunge der Einfassung, während sie vorn ihren Stützpunkt auf einem im Wasser mit Cement angebrachten Pfeiler in der Weise finden, daß sie zusammen vier Siebentel der Länge des Aquariums einnehmen, in der Mitte also drei Siebentel freier Raum für den Blick auf den Wasserspiegel bleibt.

Die Bevölkerung dieser „Gärten der Semiramis“ besteht aus Amphibien – richtiger noch Reptilien –, einer kleinen Gattung von Fröschen, Eidechsen etc., welche mit Fliegen gefüttert werden können, da ein Glasdeckel, in dessen Mitte sich ein Glasknopf als Handhabe befindet, das Aquarium verschließbar macht, doch so, daß die nöthige Luft zu allen Seiten freien Zutritt hat.

Eine Brücke, theils aus nicht zu schwerem Steingeschiebe, theils aus Baumrinde und knorrigen Wurzelästen erbaut und durch Cement zusammengehalten, stellt die Verbindung der beiden Landpartien dar. Dieselbe wird gern von den Thieren benutzt, es sei denn, daß ein Amphib in der Hitze des Kampfes entweder freiwillig den Wasserweg wählt, oder ihn wählen muß, um seiner Beute nachzuschleichen. Ein munteres Treiben beginnt in dem kleinen Weltall, besonders bei heiterm Wetter. Es ist interessant, zu beobachten, wie die Thiere auf dem Kampfplatze erscheinen und wieder von demselben verschwinden, mit welcher Lust und Raubgier der Bewohner des Wassers sowohl, als das theilweise Land-, theilweise Wassertier seiner Beute mit oft stieren, aber wie Edelgestein funkelnden Augen folgt.

Eine drollige und zugleich spannende Ueberraschung gewährt es, wenn eine Fliege sich einen Spaziergang über das Maul eines Frosches erlaubt, ohne von diesem im geringsten belästigt zu werden; sobald sie aber den Körper des Feindes verlassen hat, verfolgt dieser sie in Sprungweite und gewöhnlich wird sie ein Opfer ihrer Harmlosigkeit.

Des Abends verlassen die Wasserkäfer gern ihr Naß, kommen, durch den Schein der Lampe angezogen, auf’s grüne Ufer, zu oft nicht geringem Schrecken der Froschwelt, welche sich von rauher, borstiger Hand betastet fühlt, so daß es scheint, als wenn es selbst einem Frosche kalt über den Rücken laufen könnte. Zuweilen schwirren die Käfer, nachdem sie sich wie die Katzen geputzt haben, um sich der an ihren Füßen haftenden Wassertheilchen zu entledigen, so viel und lange es ihnen der beschränkte Raum gestattet, im Glashause umher, um in der nächsten Secunde, von der glatten Glaswand zurückgeworfen, im Wasser wieder ihr Heim zu finden, das sie als geübte Schwimmer nach allen Richtungen in der urbehaglichsten, ergötzlichsten, aber auch zugleich in der elegantesten Weise durchrudern, während der größere, mit keulenförmigen Fühlern versehene Kolbenwasserkäfer und alle anderen noch dieser Gattung angehörigen Käfer in gleicher, dem Auge wohlthuender Weise, doch hundemäßig schwimmend, das heißt einen Fuß um den andern bewegend, das nasse Element durchziehen. Alle diese Schwimmkäfer in der Größe von zwölf bis sechszehn Linien sind in ganz Deutschland verbreitet und in stehenden Gewässern zu finden, wo man sie vermittelst eines Schmetterlingsnetzes, am sichersten durch Ablassen eines Teiches fängt, in dessen Schlamm sie sich gern verbergen.

Anders wieder schwimmt der bedeutend kleinere Taumel- oder Drehkäfer. Ein ewig munterer Bursche, beschreibt er unaufhaltsam und unermüdlich mit Blitzesschnelle auf der Oberfläche des Wassers feine Kreise und Spiralen im tollen Gaukelspiel. Die wegen ihres eigenthümlichen Baues der Vorderbeine ihren Namen tragende Wasserscorpionwanze (Nepa grandis) und der höchst originelle abenteuerliche, oberhalb perlmutterähnlich glänzende gemeine Rückenschwimmer, gleichfalls eine Wanze (Notonecta glana), fehlt auch nicht. Das Auge wird nicht müde, seinen mehr stoßweise und auf dem Rücken ausgeführten Schwimmbewegungen zu folgen. Ja, wer gern Luftschlösser baut, jedoch an der Consistenz derselben zweifelt, hat Gelegenheit, im Aquarium, wenn auch ein kleines und bescheidenes, so doch ein wirklich existirendes Luftschloß, ein Luftschloß, welchem sogar der Firniß nicht fehlt, kennen zu lernen. Der Erbauer und Insasse, ein Lufticus im wahrsten Sinne des Wortes, ist die Wasserspinne (Argyroneta aquatica) wörtlich übersetzt „die Silberumflossene“, denn da sie fast nie das Wasser verläßt, so ist ihr Hinterleib von einer glänzenden Luftperle rund umschlossen. Bei Anlegung eines Nestes begiebt sie sich auf die Oberfläche des Wassers, sammelt vermittelst ihrer Spinnenwarzen Luft, läßt sich mit dieser, welche in Form einer zweiten Luftperle am Hintertheile hängt, wieder hinab und befestigt diese Perle an das Gezweig einer Wasserpflanze. Dies immer wiederholend, baut sie ihr Luftschloß, welches von einem außerordentlich feinen durchsichtigen Firniß überzogen ist und von feinen, aus Spinnstoff gesponnenen Fäden gehalten wird, bis zur Größe einer Wallnuß.

Das Gedeihen der Pflanzen- und Thierwelt erleidet in einem solcher Weise fest verschlossenen Aquarium keine Störung, da ein beständiger Austausch der nöthigen Luft stattfindet, auch durch die fortwährende Verdunstung der Pflanzen das nötige Wasser zugeführt wird. – Man wähle den Standort für’s Aquarium so, daß dasselbe nicht anhaltend der Sonne ausgesetzt ist, indem das Wachstum der Algen hierdurch begünstigt wird, welche anfänglich die Scheiben trüben, in weiterer Ausbildung dieselben mit grünen schleimigen Fäden überziehen und so, den Blick in’s Innere hemmend, ein öfteres, umständliches Reinigen des Gefäßes nöthig machen. Im Sommer ist das Wasser vielleicht alle drei bis vier Wochen, im Winter alle zwei bis drei Monate durch frisches und zwar Flußwasser zu ergänzen, indem man vermittelst eines Hebers das alte Wasser herauslaufen läßt, doch so, daß man am Ausflußende ein kleines Sieb (Schaumlöffel) placirt, um etwaige durchgeführte kleine Käfer nicht zu verlieren.

Der Hauptzweck dieser Zeilen war, den verehrten Leser nur anzuregen, durch Herstellung oder Erwerbung eines Aquariums sich angenehme, belehrende Stunden zu verschaffen. Wer weiter bauen, sich inniger mit der Herstellung, Erhaltung und zweckmäßigen Ausschmückung und Einrichtung eines Aquariums befassen will, findet einen nicht genug anzuempfehlenden Rathgeber in dem reich mit Illustrationen versehenen Buche: „Das Süßwasser-Aquarium. Eine Anleitung zur Herstellung und Pflege desselben von E. A. Roßmäßler. 2. Auflage. Ueberarbeitet von A. E. Brehm. Mit Titelbild und 53 in den Text gedruckten Holzschnitten. Leipzig, Hermann Mendelssohn. 1869.“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 426. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_426.JPG&oldid=- (Version vom 27.8.2018)