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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)

Physiognomische Aufgabe.
Nr. 3.

Im Jahre 1856.


einigen neuen Gesangstücken von Felix Weiße vermehrt, aufgeführt hatte. Eben wollte er, in Folge ungünstiger Umstände, seine Gesellschaft dort auflösen, als er von der Herzogin Amalie für Weimar gewonnen wurde. Drei Jahre (1768–1771) wirkte er hier und pflegte namentlich die heiteren, idyllisch einfachen, volksmäßigen deutschen Operetten von Weiße und Hiller. Der Herzogin, als der Schützerin der deutschen Muse, wurde denn auch von Weiße die Operette „Die Jagd“ mit einem warmgefühlten Dankgedichte 1770 gewidmet. Sie nahm von Weimar aus ihren Flug über alle deutschen Bühnen. Es erhielt sich unter allen Weiße-Hiller’schen Operetten gerade diese mit der Weimarischen Einrichtung am längsten auf dem Repertoire.

Aber auch eigene, neue Operetten entstanden in Weimar. Der talentvolle Capellmeister Ernst Wilhelm Wolf in Weimar (geboren 1735), der Verehrer classischer deutscher Musik, vor allem des großen J. S. Bach, erwarb sich Verdienste. Von Letzterem wurde das auf Anrathen der Herzogin durch Hermann bearbeitete „Rosenfest“, das auf den Bühnen überall großen Beifall fand und ein eigentliches Zugstück wurde, wie später „Die Dorfdeputirten“, „Die treuen Köhler“, „Der Abend im Walde“, „Das liebliche Gärtnermädchen“ und „Das große Loos“ componirt.

Inzwischen war seit 1769 Wieland, der damals schon berühmte Dichter des Agathon und der Musarion, Professor der Philosophie an der benachbarten Universität Erfurt geworden, hatte dort „in der glücklichsten Rosenperiode seiner Dichterexistenz“, auch die Grazien gedichtet und den „goldenen Spiegel“ herausgegeben. Durch Statthalter von Dalberg und Graf Görtz kam der damals neununddreißigjährige Dichter auch an den Hof nach Weimar und zog die Aufmerksamkeit der geistreichen, für deutsche Dichtung begeisterten Herzogin auf sich. Durch seine Persönlichkeit und interessante Unterhaltung gefiel er der Herzogin Amalie sowohl, als dem Erbprinzen Karl August. Er fuhr oft von Erfurt aus hinüber zur Herzogin und huldigte, wie er später gegen Freunde bekannte, der schönen, damals dreiunddreißigjährigen Regentin mit vollem Enthusiasmus. Als er einst in dieser Stimmung nach Erfurt zurückfuhr, entwarf er im Wagen den Plan zu einem Geburtstagsvorspiele „Aurora“, worin er der Herzogin die süßesten Dinge sagen durfte. Componirt von Schweitzer, dem Musikdirector der Seyler’schen (oder Eckhof’schen) Truppen, welchen der Dichter bei seinen Besuchen in Weimar kennen gelernt hatte, erregte dieses kleine Singspiel, als ein Kind des begeisterten Entzückens, große Freude. Vor Allem aber gefiel Amalien auch die Musik; sie lobte sie laut gegen Wieland und dieser schrieb darüber an Jacobi, man könne sich nichts Schöneres vorstellen, als Schweitzer’s Composition. So gestaltete sich die Wirksamkeit Wieland’s für die Oper, so sein Zusammenwirken mit Schweitzer.

Im Jahre 1772 wurde Wieland auf Vorschlag des mit ihm

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 411. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_411.JPG&oldid=- (Version vom 27.8.2018)