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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)


im Sommer Kinder anzutreffen, welche mit großen Wasserkrügen und Gläsern an dem stillstehenden Zug auf und ab laufen und „Frisch Wasser! Frisch Wasser!“ rufen. An Kunden fehlt es ihnen nicht, und giebt man für den gebotenen Labetrunk nur einen Kreuzer, so ist die Freude der Kinder groß.

Indem der Verfasser den Lesern der Gartenlaube von diesen aus entgegengesetzten Richtungen eingelaufenen Mittheilungen Kenntniß giebt, hat er nur den Wunsch hinzuzufügen, daß das rühmliche Beispiel der genannten Eisenbahndirectionen auch von allen übrigen befolgt werden möge. An dem Publicum aber liegt es, nachdrücklich darauf zu dringen, daß überall, wo es irgend angeht, einem so nahe liegenden Bedürfniß so bald als möglich abgeholfen werde. Wie peinlich der Wassermangel auf Bahnhöfen ist, konnte man namentlich auch in der Kriegszeit 1870–71 erfahren, als es bei den zahllosen Militärzügen so viele durstige Kehlen zu erfrischen galt. So mußte auf der freiwilligen Verpflegungsstation zu Plauen im Voigtlande das Wasser alltäglich erst in großen Fässern aus der Stadt auf den Bahnhof gefahren werden, wo es mit Rum oder Rothwein vermischt zum größten Labsal unseren wackeren Kriegern ausgetheilt wurde. Man könnte also fast behaupten, daß auch ein militärisches Interesse bei dieser Angelegenheit mit im Spiel ist, und man sollte daher erwarten, daß vor allen die Staatseisenbahnen mit gutem Beispiel vorangingen. Auch sollte fortan keine Regierung einer Privatgesellschaft Concession zum Eisenbahnbau ertheilen, ohne die Anlage eines Brunnens auf denjenigen Bahnhöfen, wo eine solche möglich ist, zur ausdrücklichen Bedingung zu machen. Hoffentlich versetzt das von dem deutschen Reichstag zu erwartende Eisenbahngesetz die hier gegebene Anregung aus dem Gebiet der frommen Wünsche, deren es ja für unser deutsches Eisenbahnwesen noch so viele giebt, recht bald auf den festen Boden der gesetzlichen Vorschrift.

A. M.

Zwei Märtyrer-Denkmale. (Zu Illustration „Marburg“ S. 395.) „Droben in der Burg, wo das Verbrechen wohnt – dort mit Räubern, Mördern und Dieben unter einem Dache, dort schmachtet Der im Kerker, dessen Name jedem wackeren Hessen in’s Herz gegraben ist; dort hält man den Leib gefangen des freien Geistes, der Hessens Verfassung schrieb und Allen verbrieft hat, was er allein entbehrt. Jahrhunderte ziehen hinab, die Jahre rollen vorüber; es wechselt das Glück, es wechselt die Macht, Throne und Fürstenstühle wechseln ihre Inhaber, und diese selbst sind dem Loose alles Irdischen unterworfen; auch die Stimme der öffentlichen Meinung steigt auf und nieder, ebbet und fluthet. Die Fluth wird wiederkommen und der Tag nicht ausbleiben, wo sie ein Urtheil fällt über Jordan und seine Feinde.“

So schrieb im Jahre 1842 Joseph Meyer in seinem „Universum“ zu dem Bilde von Marburg. Es waltete Prophetengeist in dem kühnen Mann, welcher dies zu einer Zeit schrieb, wo Jordan noch drei Jahre im Gefängniß zu schmachten hatte, um endlich nach sechsjähriger Untersuchungshaft freigesprochen zu werden. Das geschah 1845, als Hassenpflug „der Hessen Haß und Fluch“ war. Und drei Jahre später, welch ein Schauspiel für Gotter bot sich da in demselben Lande dar? Ist der bleiche Mann, den sie jetzt Herr Geheimer Legationsrath tituliren, derselbige Marburger Rechts-Professor, welcher durch seine abscheulichen politischen Verbrechen seinen gnädigsten Landesvater, den Kurfürsten von Hessen, und dessen Minister so tief gekränkt hatte? Ja, er war es, der abscheuliche Mensch, der Anno Dreißig als Abgeordneter der Landesuniversität auf dem Landtag zum Vorsitzenden und Berichterstatter des Verfassungs-Ausschusses gewählt wurde und nun auf die Ausbildung dieser Verfassung seinen entscheidenden Einfluß ausübte, und zwar im Geist gesetzlicher Ordnung und freiheitlicher Entwickelung. Das verdiente eine exemplarische Strafe. So wurde denn ein verurtheilter Todtschläger (Apotheker Döring) begnadigt, um mit gedeihlicherer Seelenruhe die Denunciation gegen den längst von geheimer Polizei überwachten liberalen Professor auszuspinnen, und zwar mit Fäden, dick genug, daß eine gestrenge Justiz einen sechsjährigen Proceß daraus zusammenzudrehen vermochte. Wie recht die Gerechtigkeit hatte, dafür lieferte der Himmel den besten Beweis, denn er ließ dem Verbrecher zwei erwachsene Töchter sterben, während er droben auf dem Schloß in der Haft saß.

Und nun – 1848? Da ist’s freilich etwas Anderes. Es war gewiß eine sehr gute Miene, welche der kurfürstliche Hof nebst Ministerium zu dem bösen Spiel der großen Bewegung machte, als er, schwerlich aus angestammter Huld und Gnade, den Verbrecher-Professor als Vertrauensmann kurfürstlicher Regierung an den Bundestag nach Frankfurt am Main sandte. War das ein Schalksstreich der Nemesis! Ein kurhessischer Wahlkreis verschaffte ihm auch einen Sitz als Abgeordneter in der Paulskirche. – Jordan hat es noch mit erleben müssen, daß Hassenpflug Arm in Arm mit der Reaction nach Kurhessen zurückkehrte, um fernerweit sein Jahrhundert in die Schranken zu fordern; und dann starb er doch viel zu bald, um den Lohn seines Lebens und Leidens zu ernten; er erlebte 1866 nicht und 1870 nicht; der deutsche Märtyrer unserer jämmerlichsten Zeit starb am 15. April 1861. Sein Denkmal ist das Schloß von Marburg, das hochragend in die Welt ruft: hier hat Sylvester Jordan dafür gebüßt, daß er seine Mannes- und Bürgerpflicht gethan! –

Außer dieser Merkwürdigkeit hat das Schloß auch steinerne Sehenswürdigkeiten in den alten Bauten, die noch unverdorben von späterer Pfuscherei bis auf die Gegenwart gekommen sind.

Die Stadt aber, die unsere Illustration uns so lockend hinstellt, ist jedenfalls bequemer anzuschauen, als zu durchwandeln, denn viele ihrer Straßen und Gassen steigen steilan und manche können nur auf Treppenstufen passirt werden. Ihre zwei größten Schätze sind die 1527 von Philipp dem Großmüthigen gestiftete Universität, die freilich ihre Studentenzahl selten über 250 bringt[WS 1], und die Kirche der heiligen Elisabeth, ein gerechter Stolz, nicht blos Marburgs, sondern Deutschlands, denn in ihr ist eines der reinsten Muster der strengen Gothik und zugleich eine der ältesten sogenannten „Hallenkirchen“ uns erhalten. Nur unsere gute Thüringer Elisabeth, die nach ihrer Verstoßung von der Wartburg in Marburg ihr Märtyrerleben beschloß, dessen Denkmal ihre Kirche ist, sie selbst ist, wie ihr Sarg und ihre Edelsteine von den Franzosen, von den Pfaffen gestohlen und verhandelt worden. Streiten sich doch jetzt drei Bischofskirchen um den Besitz des richtigen Schädels! So läuft den Besten das Unglück noch nach dem Tode nach! –

Desto freundlicher ist das Stückchen deutscher Erde, das sich thalauf und thalab an die Lahn schmiegt, – der Anblick desselben versöhnt mit viel Vergangenem und öffnet das Herz für den deutsch-nationalen Aufschwung der Gegenwart, dessen auch Hessen theilhaftig geworden ist und der, so lange es an Männern wie Jordan nicht fehlt, auch eine beglückende Zukunft verheißt.

Fr. Hfm.

„Ungenau beobachtete Thatsachen.“ Die Wünschelruthe. Es steht wohl für jeden Vorurtheilsfreien fest, daß Diejenigen, welche die Kunst des Wasserfindens mittelst der Wünschelruthe ausüben, entweder sich selbst täuschen, oder daß sie gar Betrüger sind. Daß sie Alle Betrüger sein sollten, hat mir nie einleuchten wollen. Jedenfalls mußte hier eine „ungenau beobachtete Thatsache“ vorliegen. Es war mir daher eine angenehme Ueberraschung, neulich die Bekanntschaft eines Farmers zu machen, der ein solcher Wasserfinder ist und der sich gern bereit erklärte, mir das Experiment zu zeigen. Hier hoffte ich die Art der Selbsttäuschung, die bei demselben vorkommt, kennen zu lernen, was auch ganz zu meiner Zufriedenheit gelang. Da man meines Wissens über das Wie dieser Täuschung nirgends Angaben findet, so will ich in der Kürze meine Beobachtung mittheilen.

Bekanntlich wird von den in dieser Richtung Gläubigen behauptet, daß, wenn man eine gabelförmige Ruthe (namentlich eine Haselruthe) so faßt, daß in jeder Hand sich ein Ende dieser Gabel befindet, der Vereinigungspunkt beider aber horizontal hinausgehalten wird, alsdann, wenn man über das Land dahinschreitet, sich die Ruthe auf solchen Stellen abwärts biegt, wo sich (erreichbares) Wasser in der Erde findet. Ja, manchmal soll die Anziehungskraft des Wassers so stark sein, daß die Ruthe nahe bei den Händen abbricht. Unser Farmer machte mir das Experiment vor und zeigte mir, wo im Boden Wasser sei und wo sich keins finde. Wirklich bog sich die Ruthe stark nach unten, und der Mann behauptete, daß eine solche Kraft in derselben thätig sei, daß er kaum die Ruthe halten könne. Es glückte mir nun, auf den ersten Blick zu sehen, wie der redliche Mann die Erscheinung selbst hervorbrachte, ohne es zu wissen oder zu wollen. Ich bat ihn dann, mir die Ruthe zu geben, und zu seinem Erstaunen fand ich Wasser an einer Stelle, von der er soeben behauptet hatte, daß sich dort keins finde. Ja, die Ruthe wand und drehte sich und zerbrach endlich, so sehr ich auch sie zu halten bemüht war.

Und nun die Lösung dieses sonderbaren Räthsels. Man nehme eine Ruthe, wie sie vorhin beschrieben wurde, sehe darauf, daß beide Theile der Gabel einigermaßen gleich stark sind, und mache dieselbe ungefähr zwei Fuß lang. Nun fasse man in jede Hand ein Ende dieser Ruthe, strecke aber, ehe man dieselbe fest anfaßt, die Arme nach vorn, etwa so, daß die Hände in der Höhe der Hüften sich befinden, und halte die Ellenbogen recht straff. Dann drehe man beide Hände möglichst weit nach außen, so daß bei geschlossener Hand die Finger oben und der Daumen an der Außenseite der Hand liegen. Die Ruthe, die man schon in den Händen hat, fasse man nun mit festem Griffe und halte sie in ungefähr horizontaler Lage vor sich hin, indem man über das Land schreitet, das man auf seinen Wassergehalt prüfen will. Die Arme und Hände sind in gezwungener Lage und natürlich suchen sie eine leichtere Haltung anzunehmen. Namentlich suchen die Arme sich zurückzudrehen in ihre natürliche Lage. Aber man hat die Ruthe in der Hand, diese muß man festhalten. Da aber die Drehung der Hände durch Ermüdung und unwillkürlich geschieht, so scheint eine Kraft in der Ruthe thätig zu sein, welche uns dieselbe zu entwinden strebt. Nun nähern sich die Hände wirklich etwas ihrer natürlichen Lage, und betrachtet man die Lage der Ruthe in der Hand, so sieht man, daß durch eben diese Drehung eine Biegung der Ruthe nach unten entsteht. Man wird sicherlich Wasser finden, wenn man das Experiment in einer Gegend, wo überhaupt Wasser ist, fortsetzt.

Man mache den Versuch, der leicht gelingen wird, und man hat ein hübsches Beispiel vor sich, wie eine „ungenau beobachtete Thatsache“ zu Stande kommt.

     Marine, Illinois, im Mai 1873.

Dr. Werner Stille.

Jakob Friedrich Fries wird an seinem hundertjährigen Geburtstage in Jena nicht ungefeiert bleiben. Eine Anzahl angesehener Männer und wohl meist Schüler des großen Philosophen in Weimar, Dresden, Braunschweig, Hamburg, Prag, Berlin, Darmstadt, Buttstädt, Breslau und Jena ist zusammengetreten und hat einen Aufruf erlassen zur Stiftung und festlichen Enthüllung eines Denkmals „des verehrten Lehrers und Meisters“. Am sogenannten Fürstengraben in Jena soll neben den Erzbüsten Oken’s und Schulze’s auch die von Fries auf entsprechendem Piedestal erhöht werden; die Ausführung derselben ist dem Bildhauer Härtel übertragen. Beiträge zu den Kosten der Herstellung des Denkmals und Anmeldungen zur Theilnahme an der Enthüllungsfeier am 23. August d. J. nehmen u. A. Gymnasiallehrer O. Apelt und Hofrath Kunze in Weimar, Archidiaconus Ch. Klopfleisch, Professor E. E. Schmid und Schuldirector E. Zeiß in Jena entgegen.



Das Jubiläum der deutschen Oper. Unser jubiläumreiches Jahr hatte am 28. Mai einen neuen Festtag zu begehen, indem an diesem Tage vor hundert Jahren in Weimar die erste wirklich und vollständig deutsche Oper – nach Sprache, Dichtung, Composition und Darstellung – zur Aufführung kam. Eine ausführliche Darlegung dieser interessanten Thatsache theilen wir in Nr. 25 in einem Artikel von Robert Keil in Weimar mit.


[WS 2]P. G. in Meiningen. Ersuchen, uns sofort Ihre Adresse zu brieflicher Auseinandersetzung anzugeben.


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. vergl. Berichtigung in Die Frequenz unserer Universitäten.
  2. dem Kleinen Briefkasten des Hefts 24 fehlt die gewohnte Übrschrift
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