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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)


dieses Feuer hart an einem gefallenen Baumstamm angeschürrt und der Abendzug die Flamme gegen den Stamm treibt, so glüht derselbe an dieser Stelle bald in hochdunklem Purpur, und wir haben keine weitere Mühe das Feuer während der Nacht zu unterhalten. Unser mit klarem Gebirgswasser gefüllter Pot (verzinnter Kochtopf) sprudelt über, und eine Hand voll Thee, die wir hineinwarfen, verbreitet einen aromatischen Geruch, einladend für erschöpfte Reisende. Einem frugalen Mahle von Brod und Speck oder Schinken folgt das dampfende Pfeifchen; die Decken werden ausgebreitet; man wickelt sich hinein und streckt sich aus, den Sattel als Kopfkissen benutzend. Die Nacht ist dunkel, aber über den Kronen der Bäume entfaltet sich die Sternenpracht der südlichen Hemisphäre, und es leuchtet hernieder von tausend fernen, klaren Sonnen. Leise rauscht es im Walde; einige Nachtvögel mit schwerem Flügelschlag und schrillem Gekreisch unterbrechen die geheimnißvolle Ruhe, und man ist mit seinen Gedanken allein noch wach. Aber wie herrlich ist dieses Gefühl der Freiheit! Man sehnt sich immer wieder darnach und kann es nie im Leben wieder vergessen. In den Bäumen knispert und knappert es, und Stücken von Zweigen oder abgestorbenen Aestchen fallen hernieder. Es sind Opossums, die ihre nächtlichen Wanderungen beginnen und sich von den Blättern und Blüthen der Eukalypten (Gummibäume) nähren. Man lauscht noch auf dieses und jenes, aber immer unklarer werden die Sinne; eine neugierige Känguruhratte, welche, angelockt vom Geruche des Brodes, vorsichtig näher kommt und „Männchen“ macht, findet endlich die ganze Gesellschaft in tiefem Schlafe und hüpft mit einer geraubten Brodrinde in das Dunkel zurück.

Plötzlich erwachen wir. Naturstimmen fallen in unser Ohr. Der Magpie (australische Elster) orgelt sein liebliches Morgenlied, die Pferde schnauben und springen mit gefesselten Vorderfüßen unweit von uns herum, sich des Morgenthaues zu erwehren, der stark und kühl herabfällt. Wir öffnen die Augen und blicken in den dämmernden Morgen hinein. Unsere Decken fühlen sich naß an und liegen schwer auf uns; aber der halbdurchbrannte Baumstamm glüht noch lustig im Innern fort und verlangt nur einiges trockenes Holz, um sofort wieder aufzuflackern. Wir springen aus unseren Decken und jodeln mit Herzenslust in den Wald hinein, die fauleren Schläfer weckend. Da erschallt plötzlich lautes Lachen über uns, rings um uns, als seien wir von Dämonen umringt. Es sind nicht zwei oder drei Stimmen, es sind Dutzende. Das sind die Laughing Jackasses oder Lachvögel, die schon manchem Wanderer in der tiefen Einsamkeit des Urwaldes ein unheimliches Frösteln durch ihr dämonisches, aber menschenähnliches Lachen verursacht haben.

Thee und Frühstück ist eingenommen; die getrockneten Decken sind wieder zusammengerollt und festgeschnallt, und die Pferde stehen gesattelt bereit. Wir besteigen die Pferde, und mit munterm Trott auf hartem Waldesgrunde reiten wir in dem jungen duftenden Morgen dem nahen Gebirge zu, dessen wilde Schluchten unser Ziel sind. Die Gegend hebt sich immer mehr und bald gewahren wir hier und da schon vereinzelte Farrnbäume, die gleich aufgestellten Wächtern mit ihren Wedeln uns entgegenwinken; nach einiger Zeit aber fällt das Gebirge so steil ab, daß wir absitzen und die Pferde am Zügel führen müssen. Jetzt beginnt das Steigen. Die Kronen der hohen Bäume um uns halten die Strahlen der Sonne nicht ab, die immer sengender werden, und wir sehnen uns nach einem kühlenden Trunke. Hier aber ist kein Wasser zu finden; der Waldgrund ist hart und steinig, und ehe wir nicht den Kamm des Gebirges überstiegen und die Schluchten der andern Seite erreicht haben, ist keine Aussicht auf eine Labung, wenn wir solche nicht mit uns führen. Ein stärkender Schluck Rum oder Cognac muß gegen Durst und Ermattung helfen, und ohne Säumnis geht es weiter hinauf, indem wir die Pferde am Zügel nach uns ziehen. Papageien in wunderbarer Farbenpracht, Kakadus mit stolz gespreizter Haube und schrillem Gekreische umfliegen uns, ohne scheu zu sein. Viele andere Stimmen lassen sich noch vernehmen; aber wir schenken ihnen jetzt wenig Aufmerksamkeit, da dieselbe nach dem Kamme des Gebirges gerichtet ist, der für uns scheinbar öfter sichtbar war, aber sobald wir einen gewissen Punkt erreicht, sehen wir uns stets getäuscht, und das Steigen beginnt von Neuem.

Endlich aber sind wir oben und blicken nun in eine Schlucht hinab, die, verhüllt von üppigster Vegetation, dem Auge nicht einzudringen erlaubt. Wir nehmen daher unsern Weg mehr rechts, um den Auslauf dieser Schlucht im Thale zu erreichen, und lavirend, um Mann und Roß nicht zu gefährden, geht es nun hinab. Die Mittagssonne brennt jetzt sengend auf uns hernieder; kein Lüftchen weht; kein Blättchen regt sich; kein Käfer summt. Die Vögel haben sich zurückgezogen nach schattigen Plätzen. Alles ist wie ausgestorben, und tiefes Schweigen herrscht rings umher. Nur einzelne sich regelmäßig wiederholende Töne, scheinbar aus weiter Ferne kommend und genau den metallischen Axtklängen dem Behauen der Balken auf einem Zimmerhofe gleichend, fallen in unser Ohr. Diese Töne haben schon manchem müden Wanderer frohe Hoffnung und neuen Muth in’s Herz gesenkt, der nun sicher glaubte, einer Ansiedelung in der ihn umgebenden Wildniß nahe zu sein. Aber die Täuschung war um so schrecklicher, je nothdürftiger seine Lage war, denn keine Lichtung des Waldes zeigte sich. Sein weitschallendes „Coo-eh!“ (Buschruf) wurde nicht beantwortet, und doch hallten die vermeintlichen Axtklänge fort und fort. Diese Laute gehören einem Frosche an, aber seine Anwesenheit bedingt nicht das Vorhandensein von Wasser – eine neue Täuschung für den verschmachtenden Wanderer!

Wir haben uns nun so weit an dem Berge nach rechts hingezogen und sind dabei dem Thale so nahe gekommen, daß wir den Auslauf der Schlucht vor uns haben, die in das breite grüne Thal mündet. Dort, hinter einem Vorsprunge unseres Berges, kräuselt sich eine blaue Rauchwolke empor und läßt uns eine Ansiedelung vermuthen, die wir in der That auch bald vor uns haben. Solch ein Anblick erfrischt. Bald betreten wir die gastliche Hütte und erfrischen uns an Brod und würziger Milch, wie das Euter der Kuh sie spendet. Unsere Pferde werden wieder abgeschirrt und gekoppelt, und bald sehen wir sie nach dem klaren Bächlein wandern, das, von dem Gebirge kommend, dieses grüne Thal durchschlängelt.

Wir greifen wieder zu unsern Stöcken, und geführt von einem Knaben der Ansiedlerfamilie beginnen wir die nur kurze Wanderung nach der Farrnbaumschlucht. Eine Beugung des Thales – und vor uns liegt sie in ihrer nie geahnten Schöne, in einer Ueppigkeit, die das Auge blendet, und zieht sich meilenweit fort, von Gebirgen an beiden Seiten eingerahmt. Wir treten ein und wandeln unter grünen Hallen der stattlichen Alsophila australis und Dicksonia antarctica von zehn bis dreißig Fuß Höhe, deren jede einzelne ihre Palmenwedel nach allen Seiten über uns ausbreitet und grünende Dächer neben und über einander wölbt, die uns abzuschließen scheinen von der Welt und allem Leben darin. Die Stämme oder Säulen dieser Hallen sind wiederum geschmückt mit allen möglichen Moosen, Pilzen, Flechten und kleineren Farrnarten, welche, Schmarotzern gleich, sich am Stamme eingenistet haben und von ihm ihre Nahrung ziehen. Dazwischen hängen Schlingpflanzen in Festons herab, oft von einer Stärke, daß wir uns getrost in ihnen schaukeln dürfen. Die vom Alter gefällten Stämme bilden die schönsten Ruhekissen, denn man fällt in ein Moos- und Farrnpolster von ein halb Fuß Stärke und darüber. Die reizenden Arten von Hymenophyllum, Lycopodium, Trichomanes und Grammitis wuchern hier dicht gedrängt und überziehen Stamm und Steine. Aber Alles ist feucht, und die Luft ist die eines geheizten Treibhauses, aber dennoch kühl gegen die Atmosphäre außerhalb. Die verwelkten und abgefallenen Wedel der stattlichen Farrnbäume bedecken überall den Boden und geben den lebendigen Nahrung und Stärkung. Ein krystallklarer Wasserstreifen, sich jetzt in viele Rinnchen theilend, jetzt wieder sich zu einem Miniaturbächlein vereinigend, rieselt, oft gänzlich überwuchert, in der tiefsten Höhlung dieser Schlucht hin. Und über uns glüht die australische Mittagssonne von einigen vierzig Graden Réaumur, aber wir fühlen sie nicht; ihre Macht wird gebrochen von den Fächern der mächtigen Wedel, die, gegen die Sonne gesehen, sapphirgrün erscheinen und dem Dunkel unter ihnen eine grüne Färbung verleihen.

Was können Worte leisten, wo das Auge schwelgt! Diese grünen Hallen, diese lebendigen Guirlanden, diese weichen Sammetpolster machen uns glauben, wir betreten das Heiligthum einer Fee. Wir ahnen die Gegenwart der Dryaden und würden nicht erstaunen, träte plötzlich Oberon mit seiner Titania hervor.

Aber weiter, weiter! Die Schlucht wird enger und in ihrer Mitte oft ungangbar; wir müssen uns an den Seiten entlang winden und blicken nun in die Palmenkronen der aus der Tiefe herauf strebenden Farrnen. Plötzlich überspannt die Schlucht eine mächtige Brücke. Ein kolossaler Eucalyptus liegt entwurzelt quer über und reicht von der einen Bergeslehne hinüber nach der andern. Aber in welche Pracht ist auch er gekleidet! Von seiner moosigen Decke hängen Schlingpflanzen in zierlichen Windungen herab und machen uns glauben, er sei eigens gefallen zur Verschönerung der ganzen Waldscenerie. Und welche Scenerie! Zu unseren Füßen die Kronen der Farrnbäume, die mit ihren breiten und gefranzten Wedeln jeden Blick in die Schlucht selbst vereiteln, und um uns und gegenüber riesige Eukalypten und üppige Sassafrasbäume, deren voller glänzender Blätterschmuck reizend hervortritt vom Dunkel des Hintergrundes. Die Einsamkeit, die uns in der Schlucht umgab, wird belebter; wieder umflattern uns Vögel, oder eine bunte Eidechse schlüpft behend an uns vorüber. Immer wilder, immer unzugänglicher, immer steiler wird es vor uns; aber das hindert uns nicht. Wir winden uns durch dichtes Unterholz, geschmückt mit seltener Blumenpracht, klettern über gefallene und bemooste Bäume und arbeiten uns durch verworrene und umstrickende Schlinggewächse, bis wir endlich gesiegt und die Höhe erreicht haben, von wo aus wir eine freie und weite Aussicht genießen. Die dunkelbewaldeten Häupter der nahen und fernsten Gebirge, eins über oder neben dem andern sich erbebend, gleichen den erstarrten Wogen eines weiten Meeres, und wir fliegen im Geiste der Zeit voraus, die vielleicht nicht zu fern ist, wenn Städte und Dörfer zu Füßen jener Berge blühen; wenn hohe rauchende Essen die Monotonie des Urwaldes unterbrechen und von der Industrie der Menschen auch hier Zeugniß geben; wenn breite Straßen wie lichte Bänder sich über diese Höhen ziehen oder das dampfende Roß sich keuchend zwischen ihnen hindurch windet. – –

Dann aber, du stilles, prächtiges Thal, ist es vorüber mit deinem Frieden; deine schönen Palmen werden fallen – und Niemand wird ahnen, daß einst hier die Natur einen Versteck hatte, in welchem sie ihre üppige Schönheit profanen Augen entzog.

Theodor Müller.

Brunnen auf Bahnhöfen. Der kleine Artikel unter „Blätter und Blüthen“ in Nr. 19 dieses Blattes, welcher im Interesse des reisenden Publicums das Bedürfniß von Brunnenanlagen auf den Bahnhöfen betonte, hat zwei Zuschriften an die Redaction der Gartenlaube veranlaßt, aus welchen der Verfasser des Artikels mit Befriedigung ersehen hat, daß wenigstens einzelne Eisenbahnverwaltungen auf ihren Strecken bereits jenem wohlberechtigten Wunsche Genüge leisten. Die eine dieser Zuschriften rührt aus Lauterbach in Oberhessen her und berichtet, daß die Direction der „Oberhessischen Eisenbahnen“, nämlich der Linien Gießen-Gelnhausen und Gießen-Fulda, dafür Sorge getragen habe, daß auf allen ihren Bahnhöfen, selbst dem kleinsten, Wasser zur freien Verfügung der Reisenden steht. Dort kann man auf jeder Station unmittelbar am Perron einen mit Pumpe versehenen Brunnen und in jedem Wartesaal Wasserflaschen oder Wasserkrüge mit stets frischem Trinkwasser und mit einigen Gläsern finden. Die andere Zuschrift ist aus Gablonz in Böhmen datirt und weist auf die zahlreichen Stationsbrunnen der österreichischen Südbahn auf der Linie Wien-Triest, sowie namentlich der Brennerbahn (Innsbruck-Verona) hin, auf deren Stationen man häufig Bassins mit fließendem Wasser finde, welche sowohl ein prächtiges Trinkwasser liefern, als auch zu erfrischenden Waschungen von Gesicht und Händen sehr fleißig benutzt werden. Zugleich wird auf eine Sitte aufmerksam gemacht, welche wohl überall leicht Nachahmung finden könnte: Auf allen Stationen der Linie Wien-Triest sind

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