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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)

bald nachfolgten. Major Jackson erreichte mit dem Rest seiner Leute unbelästigt Fort Klamath.

Die Festung der Modocs, welche bisjetzt der Schauplatz der Kämpfe gewesen, ist eine der höchst interessanten Naturmerkwürdigkeiten, an welchen namentlich das westliche Nordamerika so reich ist. Sie ist, was man dort zu Lande mit dem technischen Ausdruck „Pedregal“, einem dem Spanischen entlehnten Worte, bezeichnet. Man versteht darunter eine unebene, felsige Fläche, aus vulcanischem Gestein (Basalt, Trachyt etc.) bestehend, welche durch mächtige Erdrevolutionen in größeren und kleineren Massen in die Höhe geschoben worden ist und dann während des Abkühlungsprocesses auf alle nur erdenkliche Weise zerrissen und zerborsten ist.

Das hier in Betracht kommende „Pedregal“ hat eine Ausdehnung von ungefähr hundert Quadratmeilen und ist eines der größten und wildesten wahrscheinlich des ganzen Continents. Ein Augenzeuge schildert es in folgender drastischer Weise: „Man stelle sich eine glatte solide Masse Granit, zehn Meilen lang und breit und fünfhundert Fuß dick, vor, unter welcher zahllose, unwiderstehliche Minen in unregelmäßigen Zwischenräumen angebracht sind; man stelle sich dann vor, daß diese Minen gleichzeitig entzündet werden, und nun das ganze Felsenbett durch eine ungeheure Explosion in Stücke von der Größe eines Kästchens bis zu der einer Kirche zerrissen wird, und daß diese wild über- und durcheinander geworfenen Trümmer sich hier zu ungeheuern Riesenbauwerken zusammenthürmen, dort wieder tiefe Abgründe zwischen sich lassen; man denke sich endlich dieses ganze wüste Chaos in einen gigantischen Schmelztiegel Vulcan’s geworfen und so erhitzt, daß die Masse anfängt flüssig zu werden, um schnell wieder zu erkalten – und man hat eine schwache Idee davon, was dieses Pedregal der Modocs ist.“ Der obere Theil des Felsenmeeres ist rauh und mehr compact geblieben, während der untere Theil durch den Abkühlungsproceß den Zellen eines ungeheuren Bienenstocks ähnlich geworden ist. Es ist aus dieser merkwürdigen Beschaffenheit der Localität ersichtlich, daß dieses „Lavabett“ für den mit allen unterirdischen Felsenhöhlen und Gängen desselben vertrauten Indianer eine fast uneinnehmbare Felsenburg vom riesenhaftesten Umfange ist. Ein guter Scharfschütze kann von der Spitze einer der Felspyramiden einen Angreifer niederschießen, ohne auch nur einen Zoll seines eigenen Körpers bloßzustellen; er kann, ehe sein Gegner über Felsblöcke und nie geahnte Risse an ihn herangeklettert ist, zehn Mann ohne alle Mühe erschießen, bevor ein einziger zum Schuß gelangen kann. Muß er endlich dem andringenden Feinde weichen, dann darf er nur aus seiner Höhle in einen der unzähligen, ihm bekannten unterirdischen Gänge schlüpfen, um eine andere Stellung zu erreichen, aus der er nur mit demselben Menschenverlust auf Seiten der Angreifer vertrieben werden kann.

Dies ist der Ort, nach welchem Capitain Jack und seine Modocs sich zurückzogen und den sie ohne allen Zweifel schon längst für einen solchen Fall als letzten Zufluchtsort sich ausersehen und aller Wahrscheinlichkeit nach auf längere Zeit für sich selbst und ihre Familien hinreichend verproviantirt hatten. Daß sie dieses Felsennest erreichen möchten, war eben, was Oberst Green befürchtet hatte, und vielleicht um sie nicht zu diesem letzten Schritte zu treiben, hatte er eine so geringe Truppenzahl detachirt, in der Hoffnung, sie dadurch versöhnlicher zu stimmen. Jetzt war das Schlimmste eingetreten, und an eine schnelle Beendigung der Affaire auf gewaltsame Weise kaum mehr zu denken. Kein Wunder daher, wenn die Regierung beschloß, noch einmal eine Beilegung der Unruhen auf friedlichem Wege zu versuchen, zumal Capitain Jack sich eigentlich keine Mordthaten hatte zu Schulden kommen lassen, sondern nur im offenen Gefecht sich den Truppen widersetzt hatte.

So wurde eine Commission ernannt, bestehend aus General Canby, Dr. Thomas, A. B. Meacham und Dyer, um mit den Ruhestörern zu verhandeln. General Edward Canby war einer der vorzüglichsten und geachtetsten Officiere der Armee; während einer vierunddreißig jährigen Dienstzeit hatte er in allen Kriegen, namentlich während der großen Rebellion der Südstaaten, mit Auszeichnung für die Armee gefochten. Seine vorzüglichen Kenntnisse des Civilrechts, verbunden mit seiner anerkannten Treue und Befähigung als Militär, hatten seine Berufung auf verschiedene schwierige Posten veranlaßt, und es wurde als ein besonders günstiger Umstand betrachtet, daß gerade ein so ausgezeichneter Mann zur Zeit dieser Unruhen das Commando über das Departement des Columbia hatte, zu welcher Oregon gehörte. Er ging mit großem Eifer an seine schwierige Aufgabe. Mehrere Zusammenkünfte mit den Indianern fanden statt; aber alle Unterhandlungen scheiterten an der Hartnäckigkeit der Rothhäute, so daß General Canby endlich die Hoffnung aufgegeben zu haben schien, auf friedlichem Wege die Sache zu schlichten, und schon Vorbereitungen traf, die Beschlüsse der Commission mit den Waffen zu erzwingen.

So war der April dieses Jahres herangekommen. Der General wollte indeß noch einen letzten Versuch machen, den Weg zur Güte zu gehen, und entschloß sich, die übrigen Commissäre noch einmal zu einer Zusammenkunft mit den Häuptlingen der Wilden zu begleiten. General Gillem befand sich mit den für etwaige Eventualitäten schon zusammengezogenen Truppen am 10. April unweit des Lavabettes; unter ihm commandirten die Obersten Mason und Green. Am Nachmittage erschienen fünf Indianer und vier Weiber im Lager, die von den Commissären mit Kleidern beschenkt wurden und dann wieder umkehrten mit dem Auftrage, den Häuptlingen im Namen der Commission eine Unterredung eine Meile von der Vorpostenlinie anzubieten. Am Abend erschien ein bekannter Krieger, Bogus Charley, bei den Wachtposten, gab sein Gewehr ab, indem er vorgab, nicht wieder zu seinen Landsleuten zurückkehren zu wollen, und blieb die Nacht im Lager. Früh am nächsten Morgen kam ein anderer Indianer, Boston Charley genannt, mit der Botschaft an General Canby, daß Capitain Jack mit fünf Indianern bereit sei, die Commissäre außerhalb der Linie zu treffen. Hierauf verließen Beide, Boston und Bogus, das Lager. Eine Stunde später brachen die Commissäre, vom Dolmetscher Riddle begleitet, nach dem Orte der Zusammenkunft auf. Von einem kleinen Hügel aus konnte die ganze Gegend genau übersehen werden; überdem war der Sicherheit wegen Oberst Mason mit einer Abtheilung Reiterei so postirt, daß er im Falle eines Friedensbruches sogleich einschreiten konnte.

Eine Stunde war vergangen, als der Signalofficier das Zeichen gab, daß Mason von einem Trupp Indianer angegriffen werde und auch bei der Commission nicht Alles in Ordnung sei. Die letztere hatte Capitain Jack und seine Genossen am bezeichneten Platze gefunden.

Meacham redete die Indianer kurz an, dann der General und endlich Dr. Thomas. Capitain Jack erklärte in seiner Erwiderung, daß sie darauf beständen, die zwei Plätze Hot Creek und Cottonwood als Reservation angewiesen zu bekommen. Meacham antwortete ihnen, es sei unmöglich, ihnen diese Forderung zu gewähren, wurde aber bald vom Häuptling Schonchin unterbrochen: er habe jetzt genug gesprochen; sie wollten davon nichts mehr hören.

Während Schonchin noch sprach, stand Capitain Jack auf, zog seinen Revolver und feuerte mit dem Ausrufe „Fertig“ denselben auf General Canby ab. Unterm rechten Auge getroffen, sank der alte General auf der Stelle todt nieder. Zu gleicher Zeit bekam Meacham von Schonchin einen Schuß in den Kopf, der ihn bewußtlos hinstreckte. Boston Charley erschoß den Dr. Thomas. Nur Dyer kam unverletzt nach dem Lager in dem Augenblicke, als sämmtliche Truppen dem Schauplatze des Mordes zueilten. Die Indianer waren selbstverständlich sogleich verschwunden, und es blieb vor der Hand nur die traurige Pflicht zu erfüllen, die Leichen der so schändlich Gemeuchelmordeten in’s Lager zurückzubringen.

Die Nachricht von diesem durch nichts provocirten schwarzen Verrat rief im ganzen Lande einen allgemeinen Schrei gerechter Entrüstung hervor. Nicht nur das Verbrechen an sich, sondern auch besonders der Umstand, daß es an einem so allgemein geschätzten, so edlen und wohlmeinenden Manne verübt worden war, erfüllte alle Classen der Gesellschaft mit Zorn und Erbitterung gegen die feigen Mörder. Selbst Präsident Grant ließ sich für den Augenblick wenigstens aus seiner Gemüthsruhe aufrütteln und kam zu dem Entschlusse, in diesem Falle seine philanthropischen Träumereien, die unter dem Namen „indianische Friedenspolitik“ bekannt sind, mit etwas strengeren Maßregeln zu vertauschen. Waren doch diesmal nicht arme namenlose Ansiedler die Opfer der Barbaren, sondern von ihm selbsternannte

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