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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)

Milch und Honig floß, und noch heute treiben die im Waldreviere hausenden Dorfbewohner große Viehheerden, gestützt auf uraltes Herkommen, in diese Wälder zur Weide auf Waldgras und Haidebeeren. Besonders lohnend und ergiebig aber war hier der Betrieb der Bienenzucht oder bloßen Bienenjägerei, und deshalb wurden diese Forste von den alten deutschen Kaisern mit dem poetischen Beinamen „Unser und des Reichs Bienengarten“ ausgezeichnet.

Schon vor dem Jahre 1000, ehe der Reichsstadt Nürnberg selbst noch urkundlich gedacht wird, wurden diese Reichsforste von den römisch-deutschen Kaisern der Jagd wegen sehr häufig besucht. Zu der niedern Jagd rechnete man auch das Ausnehmen der Waldbienen (Waldimmen), die in den zahlreichen hohlen Bäumen, in den Felsen- und Steinhöhlen daselbst ihren Wohnsitz aufgeschlagen, und auf den ausgedehnten Haideflächen und zahlreichen Haselstauden, Spurkeln, Weiden, Erlen, Brom-, Schwarz- und Preißelbeersträuchern vom Schöpfer einen reichlich gedeckten Tisch erhalten hatten.


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Bei dem in früheren Zeiten herrschenden Zucker- und Leuchtstoffmangel begriff man bald, daß man die „Waldbienenjagd“ aufgeben müsse, wenn diese nützlichen Insecten nicht gänzlich ausgerottet werden sollten. Sie wurden nun von Kaiser und Reich in Aufsicht und Pflege genommen und hiezu eigene Wärter angestellt, die von dem altdeutschen Worte Zeidl (Honig) den Namen „Zeidler“, das ist Honigausschneider erhielten. Die Kaiser nahmen sie aus den Bewohnern der Orte, die an und in diesen Reichsforsten lagen, räumten ihnen bedeutende Rechte ein und belehnten sie mit nicht unbedeutenden Landgütern, die heute noch unter dem Namen „Zeidelgüter“ bekannt sind. Der größere Theil derselben bestand aus Bauern, der kleinere aus nürnbergischen Patriziern; doch befanden sich in ihren Händen die bedeutendsten dieser Zeidelgüter. Die Zeidler bildeten unter sich eine geschlossene Zunft, die zu den interessantesten Instituten des Mittelalters gehörte.

Die Beschaffenheit der Reichswälder erlaubte Wald- und Hausbienenzucht zugleich. Rings um die Wohnungen der Zeidler lagen ihre Gärten, Aecker und Wiesen, und in nächster Nähe befand sich der Wald. Bei der Culturfähigkeit der germanischen Race und der überaus großen Wichtigkeit der Bienenproducte in früherer Zeit ist anzunehmen, daß bald die Hausbienenzucht bei den Zeidlern noch weit mehr als die Waldbienenzucht in Flor kam. Die Biene wurde Hausthier. So findet man schon im frühen Mittelalter bei den Häusern der Zeidler Bienen in ausgehöhlten Baumstämmen und in Strohkörben. Zur Zeit der Hohenstaufen befanden sich beispielsweise auf einem Hofe bei Heroldsberg (zwei Stunden von Nürnberg entfernt) zweiundsiebzig Immenvölker, deren Zahl nicht gemindert werden durfte. Vom zwölften bis fünfzehnten Jahrhundert stand das Zeidelwesen in seiner höchsten Blüthe. Es dürfte hier am Platze sein, über die Wichtigkeit der Bienenproducte im Mittelalter Einiges mitzutheilen.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 379. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_379.JPG&oldid=- (Version vom 27.8.2018)