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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)

Kopf gewachsen war – vergessen kann ich den Ulrich nicht. Lieber Gott, warum mußte ich alter Mann denn auch gerettet werden mit all’ den Uebrigen, um Das zu erleben! Mit dem Einen ist mir ja doch Alles zu Grabe gegangen.“

„So sollten Sie nicht sprechen, Hartmann,“ sagte Arthur sanft verweisend. „Sie haben ja noch eine wackere Stütze an der Martha und ihrem Manne.“

Der Alte seufzte. „Ja, die Martha! Die kann’s auch nicht verwinden wie ich, obwohl sie Mann und Kinder hat und einen guten Mann obendrein. Ich sehe noch manchmal, wie ihr um’s Herz ist. Es ist ein eigenes Ding mit manchen Menschen, Herr Berkow; sie können Einem Kummer und Elend machen, können Einem wehe thun bis in’s innerste Herz hinein, und man liebt sie doch mehr als die Bravsten und Besten, die uns nie eine trübe Stunde gemacht haben; man kann nicht los von ihnen und ihrem Andenken. So Einer ist mein Ulrich gewesen. Was er bei seinen Cameraden war, ehe der unglückliche Streit ausbrach, das ist ihnen vorher und nachher Keiner wieder gewesen, und wenn’s ihnen auch nicht zum Segen gerieth, daß er sie führte, vergessen haben sie ihn heute noch nicht.“

Der alte Mann wischte sich die bitteren Thränen aus den Augen, als er die mit schweigender Theilnahme dargebotene Hand Berkow’s ergriff, und ging dann still von dannen. Eugenie, die schon während der letzten Minuten in der Thür erschienen war, ohne die Unterredung stören zu wollen, trat jetzt zu ihrem Manne.

„Kann sich Hartmann immer noch nicht zufrieden geben?“ fragte sie leise. „Ich glaubte nie, daß er so tief und leidenschaftlich an dem Sohne gehangen hätte.“

Arthur blickte dem sich Entfernenden nach. „Ich begreife das,“ sagte er ernst, „wie ich die blinde Anhänglichkeit seiner Cameraden begriffen habe. Es lag etwas mächtig Zwingendes in der Natur, in der ganzen Persönlichkeit dieses Mannes. Habe ich das doch erfahren, der mit ihm kämpfen mußte auf Leben und Tod, wie viel mehr Die, für die er kämpfte. Was hätte dieser Ulrich sich und den Seinigen werden können, wenn er seine Aufgabe anders erfaßt und verstanden hätte, als nur in Haß und Zerstörung gegen alles Bestehende!“

Die junge Frau sah wie mit einem halben Vorwurfe zu ihrem Gatten empor. „Uns hat er doch gezeigt, daß er mehr konnte, als blos hassen. Er ist Dein Feind gewesen, und als es sich um die Rettung Eines von Euch Beiden handelte, da riß er Dich aus der Gefahr und stürzte sich in den Tod.“

Arthur’s Züge überflog ein Schatten; er galt wohl der Erinnerung an jene Zeit. „Ich habe unter Allen am wenigsten das Recht, ihn anzuklagen, und habe es nie gethan, seit seine Hand mich dem Verderben entriß. Aber glaube mir, Eugenie, eine volle Versöhnung wäre nie möglich gewesen mit einem solchen Elemente. Es hätte ewig die Zukunft meiner Werke gefährdet, den Frieden mit meinen Leuten gestört, ewig mir die Herrschaft streitig gemacht, und es war zu weit gekommen zwischen uns, um ihn ganz straflos ausgehen zu lassen. Wo ich nicht angeklagt und gerichtet hätte, da hätten es Andere gethan – das ist ihm und uns erspart worden!“

Eugenie lehnte den Kopf an die Schulter ihres Gatten. Es war noch immer das schöne blonde Haupt mit den dunkeln Augen, aber es erschien rosiger und frischer als früher. Die einstige Blässe und Marmorkälte waren jenem Ausdrucke gewichen, den nur das Glück zu geben vermag.

„Es war eine schlimme Zeit, Arthur, die jener Katastrophe folgte,“ sagte sie mit einem leisen Beben der Stimme. „Du hast Dich schwer durchkämpfen müssen, so schwer, daß oft auch mein Muth zu sinken drohte, wenn ich Deine Stirn immer finsterer umwölkt, Dein Auge immer trüber sah, und ich konnte doch nichts thun, als Dir zur Seite bleiben.“

Er beugte sich mit vollster Zärtlichkeit zu ihr nieder. „Und thatest Du damit nicht genug? In jenem Kampfe habe ich die Wirkung der beiden Worte erprobt, die ja allein Muth und Freudigkeit zum Schaffen geben, und die ich mir so oft wiederholte, wenn die Wogen über mich zusammenzuschlagen drohten – sie haben mir endlich zum Siege verholfen: Mein Weib und mein Kind!“ –

Die Sonne stand hoch am klaren Sommerhimmel und warf ihre Strahlen auf das Landhaus mit seinen Gärten und Blumenterrassen, auf die Werke drüben, wo sich all’ das tausendfältige Leben und Regen so mächtig und vielgestaltig entfaltete, daß es wahrlich nichts Kleines erschien, der Gebieter einer solchen Welt zu heißen, und auf die Berge, die ringsum aufragten, mit ihren Waldkronen auf den Häuptern und mit dem dunkeln geheimnißvollen Leben, das sich tief in ihrem Schooße barg. Dieses düstere Reich, das die Felsenarme auf ewig verschließen wollten vor jedem irdischen Blicke, es hatte sich doch dem Menschengeiste öffnen müssen, der sich Bahn gebrochen durch Klüfte und Abgründe, um der Erde die Schätze zu entreißen, die sie da unten gefangen hielt in ewiger Nacht, und die jetzt emporstiegen zum Lichte des Tages, gelöst durch das uralte Zauberwort der Berge:

Glück auf!




Der Garten auf dem Hause.


Alles strebt nach Luft und Licht, und je mehr diese Hauptbedingungen für Menschen und Pflanzen fehlen, desto größer ist die Sehnsucht darnach. In größeren Städten älterer Bauart, aber auch in neuen Stadttheilen, wo Handel und Gewerbe sich zusammendrängen und das Licht nur durch schmale Oeffnungen in enge Höfe dringt, ist dieses Bedürfniß am größten.

Kein Wunder, wenn die Sage von den Dachgärten Italiens, welche in Wahrheit dort auch zu den Seltenheiten gehören, uns zur Nachahmung reizt. Unserer Zeit, die neben großen Bauwerken so viel Praktisches in bürgerlichen Einrichtungen leistet, namentlich so vervollkommnete Mittel zu wasserdichtem Abschluß kennt, ist es vorbehalten, die jetzt nur als seltene Ausnahme bestehenden Gartenplätze auf Gebäuden allgemeiner zu machen. Durch sie wird es möglich, aus der Enge dunkler Gassen und Höfe dem holden Lichte näher zu kommen und über den Dächern eine reinere Luft in grüner Umgebung zu athmen. Welche Wohlthat dies für die Familie werden kann, bedarf nur dieser Andeutung. Aber auch der gesellige Verkehr wird dadurch gewinnen. Man wird nicht nur neue Dachnachbarn bekommen, sondern es werden sich auch im Sommer Restaurationsräume aus den dunklen Unterräumen zur lichten Höhe ziehen.

Eine Technik, welche aus engen winkligen Höfen prunkvolle Restaurationshallen schuf, wird auch auf den Dächern im Bauen mit Schwalben und Störchen rivalisiren können. Wir wollen uns zwar über diese luftigen Anlagen keine Illusionen machen – sie werden noch lange vereinzelte Erscheinungen bleiben; aber das Beispiel weniger Dachgärten wird viele andere nach sich ziehen.

Bereits giebt es hie und da gelungene Anlagen. In Berlin hat man mehrere Dachgärten, unter denen der des Maurermeisters Rabitz (abgebildet in der Leipziger Illustrirten Zeitung Nr. 1316 im Jahre 1868) auch als Modell auf der Pariser Weltausstellung war. Häufig waren Dachgärten im alten Rom, als dort Theuerung von Grund und Boden und die Größe der Stadt nur den Reichsten Gärten im Freien gestattete. Seneca spricht von „Wäldern auf den Dächern“. Die Orangen-, Obst- und Lorbeerbäume standen meist in Thon- oder Bleigefäßen, waren aber im Boden eingelassen. Fischbehälter und Käfige mit seltenen Vögeln fehlten fast nie. Wir besitzen ganz genaue Beschreibungen, wie solche Gärten beschaffen waren und wie die Wasserdichtigkeit bewirkt wurde, wollen uns aber dabei nicht aufhalten, da wir in dieser Beziehung die Alten überflügelt haben. Die niedrige massive Bauart der Römer war solchen Anlagen sehr günstig, aber ihre Isolirstoffe für das Wasser waren mangelhaft. In späterer Zeit erlangte der Garten eines Fürstbischofs von Passau großen Ruf. Derselbe war zum großen Theil auf einem zweistöckigen, bewohnten und mit vielen Fenstern versehenen Unterbau angelegt. Das königliche Residenzschloß zu München hat ebenfalls einen Dachgarten in modern italienischem Stil, indem dort eine ansehnliche Orangerie aufgestellt wird. Ganz ähnlich ist das Orangeriegebäude in Versailles von dem großen Terrassenplatze vor dem Schlosse überdeckt.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 376. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_376.JPG&oldid=- (Version vom 27.8.2018)