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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)

No. 23.   1873.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich bis 2 Bogen.    Vierteljährlich 16 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.


Der Loder.

Eine Geschichte aus den bairischen Bergen
Von Herman Schmid
(Fortsetzung.)


„Oho – nur nit so oben hinaus!“ rief Dickl höhnisch. „Nur nit so groß gethan mit Deiner Bravheit! Du hast auch noch keinen Heiligenschein um den Kopf und wie weit es damit her ist, hast Du selber verrathen. Freilich – daß ich nit der Rechte bin, daß Du mich nit magst, muß ich jetzt wohl glauben und werd’ mir’s in Wachs’l drucken … aber wenn Du gar so eine Klosterfrau bist, warum hast denn nachher geschrieen: ‚Du bist es, Dickl!‘ … Du hast also an einen Andern ’denkt und hast gemeint, es käm’ ein Anderer herangeschlichen hinter Dir, der hätt’ wahrscheinlich keinen solchen Renner ’kriegt, der …“

„Ich sag’ Dir’s zum letztenmal,“ unterbrach ihn Th’res, indem sie sich gewaltsam losmachte und einen Schritt zurücktrat, wie um einen Anlauf zu nehmen, „wenn Du mir nicht aus der Bahn gehst, keinnützer Bub, so kannst noch Numero Zwei kriegen und von einer Sorten, die noch gröber gesponnen ist …“

Er ließ sie ohne Widerstand gehn, denn das Gespräch hatte einen Zeugen bekommen, der die letzten Reden mit angehört hatte und unverkennbar begierig war, noch mehr zu vernehmen. Es war der alte Knecht, der kurz vorher beim Abzug in’s Kornfeld sich über Wolf lustig gemacht hatte.

Dickl sah einen Augenblick etwas verlegen in das verwitterte Gesicht des Alten, in welchem Verschmitztheit und Schadenfreude lauerten. „Was willst Du da, Brunnensepp?“ sagte er unsicher. „Warum bist nicht auf der Kornbreiten?“

„Weil mir der Stiel an meiner Sens’ abgebrochen ist,“ erwiderte der Knecht, anscheinend ganz unbefangen; „ich hab’ mir eine andere holen müssen – da hab’ ich Dich stehn sehn und hab’ Dir sagen wollen, daß draußen Niemand recht gewußt hat, wo man mit dem Schneiden anfangen soll. Der Bauer ist nicht da, wird wohl wieder Augenweh haben und sich nicht heraus’ trauen in die kühle Luft …“

„Und mein Bruder? Und Wolf?“ fragte Dickl hastig. „Wo ist der?“

„Wie kann ich das wissen?“ fragte höhnisch der Brunnensepp entgegen „Ich hab’ gemeint, ich hätt’ ihn vorhin dort unter der Linden sitzen und basseln gesehn – wird wohl ein neues Staarenhäusel schnitzeln oder sonst was Schön’s! … Da hab’ ich mir gedacht, ich wollt’s Dir sagen, damit doch Jemand von der Herrschaft bei der Arbeit ist und der Bauer, wenn er herunterkommt und fragt, hören muß, daß Du draußen bist …“

„Ich dank’ Dir, Brunnensepp,“ rief Dickl, indem er mit dem Alten einen Blick raschen Einverständnisses wechselte, „ich geh’ gleich mit Dir hinaus …“ ich hätt’s gleich gethan, aber ich weiß selber nicht, wie’s mir geschehen ist –, ich hab’s halt verschlafen heut früh …“

„Ja, ja,“ sagte der Knecht, und ging mit Dickl dem Lindenhaine zu, „so was geschieht einem schon diemalen, wenn man zu wenig geschlafen hat bei der Nacht … brauchst Dich vor mir nit zu scheuen, Dickl,“ setzte er dann leiser hinzu, „ich verrathe Dich nit – ich hab’ heut Nacht wieder das Herzgespann gehabt, das laßt mich nit schlafen, da muß ich allemal an’s Fenster gehn und Luft schöpfen, da hab’ ich Einen um Mitternacht über die Anhöh’ heraufkommen und in’s Haus schlupfen sehn – der hat Dir gleich gesehn wie ein Ei dem andern …“

„Du hast den Teufel im Leib, Brunnensepp,“ erwiderte Dickl, „aber ich merk’ Dir’s schon, wenn Du mich nit verrath’st, es wird schon einmal eine zahlende Zeit kommen … weißt ja, wie der Vater ist, er kann’s nit leiden, wenn man in’s Wirthshaus geht: wenn’s nach ihm ging, dürft’ man seiner Lebtag kein’ Karten anrühren; drum geh’ ich in der Geheim’ und bei der Nacht – drunten beim Straßwirth giebt’s alleweil eine lustige Gesellschaft, die gern pascht oder kartelt …“

„Ja – und eine schöne Tochter auch, die einschenkt …“ warf Brunnensepp mit einem listig schielenden Seitenblick dazwischen und fuhr, als er Dickl’s unverhehlbare Betroffenheit bemerke, mit rohem Lachen fort: „Wunderst Dich, daß ich Deine Heimlichkeiten alle so weiß? Fürchtest Dich wohl, ich könnt’ was ausplauschen und der Wirths-Kathrin’ von dem erzählen, was ich vorhin mit angehört und gesehen hab’? … Brauchst keine Sorg’ zu haben; ich steh’ zu Dir, Dickl, und ich weiß, warum ich’s thu. Ich verschwätz’ Dich nit bei der Kathrin’ – es hat ja auch keine Gefahr, daß sie ausgestochen wird … so viel ich gesehen hab’, ist die Th’res nit stark verschossen in Dich …“

Dickl biß die Zähne übereinander. „Das hoffärtige Weibsbild!“ knirschte er. „Aber ich tränk’s ihr ein, oder ich will meiner Lebtag keine gesunde Stund’ mehr haben.“

„Recht hast – nur nichts auf sich sitzen lassen!“ rief der Knecht hämisch, „so hab’ ich’s meiner Lebtag’ auch gemacht. Wer mir einen Streich giebt, der kriegt zwei wieder; wenn’s nicht gleich und von vorn sein kann, dann geschieht’s später und von hinterrücks – man muß nur die Zeit abpassen und die Gelegenheit. Ich hab’ sie auch auf dem Strich, die Duckmäuserin,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 367. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_367.JPG&oldid=- (Version vom 27.8.2018)