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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)


in Göttingen in ein Bankgeschäft ein, lebte später als Mitinhaber einer Verlagsfirma in Berlin und begründete darauf in Paris eine lithographische Correspondenz, durch welche er sich zum allgemeinen Berichterstatter der Presse machen zu können hoffte. Später verfolgte er ähnliche Zwecke in Aachen, Verviers, Quiêbrain und siedelte etwa 1851 mit seinem Bureau nach London über.

Damit will ich den Artikel über das Reuter’sche Bureau in der Hoffnung schließen, daß ich es den Lesern der Gartenlaube ermöglicht habe, sich in Zukunft die oft in den Zeitungen vorkommenden Worte „Reuter’s Bureau“ oder auch „Reuter’s Telegramm“ zu deuten.

     London.

E. Woltmann.





Blätter und Blüthen.



Frevel am Reliquienkästlein des deutschen Reiches. (Mit Abbildung, S. 281.) Bis vor einiger Zeit noch das Reliquienkästchen des deutschen Reiches genannt, verliert Nürnberg zusehends ein Stück nach dem andern von seinem mittelalterlichen Charakter. Nachdem in kurzen Zwischenräumen am südlichen und östlichen Theile die alterthümlichen Ringmauern, Nürnbergs Eigenthümlichkeit, durchbrochen, Bastionen und Thore, sowie Thürme eingelegt wurden, auch mit dem Ausfüllen des Grabens an verschiedenen Stellen begonnen ist, wird nun auch baldigst die malerisch gelegene Partie der westlichen Seite der Stadt am Ausflusse der Pegnitz dem Erdboden gleich gemacht sein, indem nach Beschluß der jetzigen Gemeindevertretung auch hier ein Durchbruch durch den Wall, das Schleifen der Mauern, die Entfernung des Thores mit den Thürmen, der Brücke und die Ausfüllung des Grabens bis aufwärts gegen die alte Reichsveste zu vollzogen werden. Wäre letztere nicht Eigenthum der Krone und zugleich im Mitbesitz des hohenzollern’schen Hauses, so könnte man mit Gewißheit annehmen, daß auch die Burg eines Tages fallen würde.

Die auf unserem Holzschnitte dargestellte Ansicht zeigt im Vordergrunde einen alten halbrunden Vertheidigungsthurm der äußeren und einen höheren Wachtthurm der inneren Umfassungsmauer nebst der Bastei, dem Thurme, der Brücke und dem Hallerthor, nach Art der Kasematten unter der Bastei angelegt. Längs der Brücke sieht man die Baulichkeiten der städtischen Badeanstalt; im Mittelgrunde sind die beiden Gewölbebogen über die Pegnitz sichtbar; auf dem vorderen Bogen ruht der Wehrgang, welcher theilweise noch wohlerhalten um die ganze Stadt mit Ausnahme der Stellen, wo er bereits geschleift ist, sich herumzieht. Der Wehrgang vermittelte in kriegerischer Zeit eine bequeme Verbindung der Streiter mit allen Theilen der Befestigung rings um die Stadt. Auf dem zweiten Gewölbebogen, der bedeutend breiter als der erstere ist, ruht die alte Frohnveste, daneben die neuere. Durch beide Bogenöffnungen ist die Kettenbrücke sichtbar, welche ebenfalls beide Arme des Flusses miteinander verbindet. Dieselbe ist die erste derartige Brücke in Deutschland, und von dem Professor Kuppler im Jahre 1824 ausgeführt. Im Hintergrunde unserer Ansicht ragen die Kuppel des deutschen Hauses, die Jakobskirche und der weiße Thurm hervor.

Der besuchteste aller Spaziergänge um die Stadt führt vom Neuenthor am Hallerthor vorüber nach dem Spittlerthor; die Stadtmauer mit ihren Thürmen, prächtigen, von Epheu oft ganz dicht überwucherten Bastionen, Thoren und Brücken, sowie auch der mit üppig tragenden Obstbäumen und auch sonst fleißig mit Gemüse bebaute Stadtgraben sind gerade auf dieser Seite der Stadt am anziehendsten für die gesammte Bevölkerung und die vielen Fremden, welche Nürnberg gerade wegen seines alterthümlichen Charakters jährlich besuchen.

Die massiven, fast überall zehn bis fünfzehn Schuh starken, ja oft noch viel stärkeren doppelten Ringmauern, welche zwischen dem innern und äußern Theile mit Schutt ausgefüllt sind, entstanden in der Form, wie wir dieselben heutzutage noch sehen, kurz vor dem dreißigjährigen Kriege. Die Stadt wurde in Vertheidigungszustand gesetzt, weil Tilly im Anzuge war; er lagerte vom 10. November bis 22. December 1631 vor der Stadt, ohne jedoch einen Angriff zu unternehmen und wahrscheinlich auch ohne einen solchen auf die damals trefflich bewehrte und wohl verschanzte Stadt zu beabsichtigen. Nach seinem Abzuge kam Wallenstein mit den kaiserlichen und bayerischen Heereshaufen, an sechszigtausend Mann stark, aber die Schweden unter Gustav Adolph hatten Nürnberg wohl verschanzt inne, und Wallenstein legte sich mit seinen Truppen auf die alte Veste bei Fürth, ein und eine halbe Stunde von Nürnberg entfernt. Die vor dem Stadtgraben damals aufgeworfenen Schwedenschanzen sind längst nicht mehr. Demselben Schicksale gehen nach und nach sämmtliche Thürme, Basteien, Thore und Brücken der Stadt entgegen.

Sollte es denn nicht möglich sein, manche von den malerischen Basteien, alten Thürmen oder epheuumrankten Mauern in der Weise an einzelnen besonders hübschen Partien für die Nachwelt zu erhalten, daß solche mit einer Parkanlage, zum Beispiel wie der Zwinger in Dresden, in Verbindung gebracht würden? Gerade die Bastei, welche gegen den Fluß zu gelegen ist, würde nach Schleifung der Mauern, des Thores und Einebnung des Grabens durch theilweise Erhaltung mit einer solchen Anlage recht gut harmoniren, um so mehr als die Hallerwiese, der besuchteste Tummelplatz der Nürnberger Jugendwelt, in unmittelbarer Nähe gewissermaßen dann die Fortsetzung des durch die Schleifung in Anlagen umgewandelten Raumes bilden würde.






Trachtenbilder Nr. 2. Auf dem Kirchgange in Säterdalen. (Mit Abbildung, S. 273.) Wer das Hirten- und Bauernleben in Norwegen kennen lernen will, der darf nicht versäumen, die bahnlosen Hochgebirge von Telemarken zu besteigen. Wie in den übrigen tiefen, weltabgeschieden Thälern Norwegens, den Spalten des ungeheuern Felsens, aus dem die scandinavische Halbinsel besteht, wohnt zumal in Telemarken ein kerniges Volk von Bauern, derbe, gesunde Naturkinder mit schlichten, uralten Sitten und Gebräuchen, ernst und markig wie das rauhe Land, das sie geboren hat – und welch ein Land ist das! Zerklüftete und zerrissene Felsformationen, himmelan ragende Kuppen, klaffende Abgründe mit brausenden Wasserfällen und weithin gestreckte Hochebenen mit gewaltigen Wäldern – das ist die Naturscenerie dieses Theils von Norwegen. In den Wäldern sprießt unter zerbrochenen, modernden Baumzweigen ein verborgenes Pflanzenleben, und wenn der Schnee des langen Winters endlich schmilzt und die zahllosen Gebirgsbäche mit Wasser speist, dann entfaltet sich in Moosen und Gräsern, in wilden Blumen und saftigen Beeren eine duftige Pracht. Wie herrlich dann vom Hochgebirge der Blick in’s Thal! Unter Dir, vielleicht fünfhundert Fuß tief, rauscht der Gebirgsstrom hervor, und von Riff zu Riff stürzend braust er kräftig dahin, frei und trotzig, ein Held, der jeder Fessel spottet.

Und frei und trotzig sind auch die Menschen, die an solchen Wassern in den tiefen, stillen Thälern wohnen. Langsam aber energisch, rauh aber gastfrei, ist der norwegische Bauer vor Allem selbstbewußt und stolz: vom Heldenzeitalter der Wikinger her hat er die Sitte des Dutzens beibehalten, und selbst für den König scheint ihm das derbe „Du“ gerade gut genug. Einfach wie er selbst ist auch seine Wohnung und das Leben darin. Willst du dem Bauern in’s Herz schauen und die Eigenart seines Wesens kennen lernen, so mußt du ihn an einem der langen Winterabende im Kreise seiner Familie aufsuchen. Im engen Stübchen sitzen sie, oft eine vielköpfige Gruppe, um den brodelnden Kessel, der, das bescheidene Abendmahl in sich bergend, an langen Ketten von dem rauchgeschwärzten First der Decke herabhängt. Durch den Qualm, der, unter dem Kessel hervordringend, die ganze kleine Stube erfüllt, siehst du hier und da ein neugieriges Kindergesicht hervorlugen; denn es sind gar wunderliche, seltsame Geschichten, die der Vater beim Scheine des Feuers erzählt, Märchen, weither ererbte Urvätermärchen. Ihnen allen fehlt Schmelz und Farbe, Klarheit und Schärfe; aber sie sind ernst wie der Himmel des Nordens, tief wie die Gebirgsseen, in denen die finsteren Wolken jenes Himmels sich spiegeln – – – Ernst und Tiefe sind ja die edelsten Züge des Nordländers.

In unserem heutigen Bilde hat der Künstler es verstanden, dem dunklen Norden eine heitere Seite abzugewinnen. Er zeigt uns ein Liebespärchen von Säterdalen, indem er zugleich die höchst originelle und farbenreiche, namentlich an den Mädchen sehr reizende Tracht von Telemarken auf’s Glänzendste zur Geltung bringt. Sonntagmorgen! Auf dem Gange aus der Kirche – wie wenig nachhaltig war die Predigt des salbadernden Herrn Pfarrers! – ist das frische lustige Mädel ihrem Burschen entsprungen. Als sie pfeilgeschwind dem Geliebten voranflog, ei, wie da die hübschbestrümpften kleinen Füße über den Waldweg hinflogen, wie da die grün und roth besetzten, derb wollenen Röcke und das rothe Kopftuch im Winde flatterten! Aber er – ein rechter Tölpel, schlendert er, die nordische Ruhe nicht verleugnend, ihr langsam nach. Fast schaut er so philiströs darein, wie der altfränkische, weiß und grün bebänderte Zylinder, den er steif auf dem Kopfe trägt. Wie steif sitzt ihm auch die enge, grüngestreifte Sonntagshose mit dem die halbe Brust bedeckenden Latz! Aber warte nur, Bursche! Schon steht das Mädel schmunzelnd hinter’m Zaun, das Gebetbuch – „o Entweihung!“ würde der Herr Pfarrer ausrufen – an das schelmische, jetzt heftig klopfende Herzchen gedrückt. Und, Bursche, kommst Du vorüber – husch! springt sie hervor, und wärst du der nüchternste Philister von Säterdalen, lachen mußt du in den Armen deines Prachtmädels!






Abrechnung über die des der Redaktion der Gartenlaube eingegangenen
Beiträge für die Notleidenden an der Ostsee:
Einnahmen laut specieller Quittungen:
12,289 Thlr. 14. Ngr. 4 Pf.
Ausgaben
An den Deutschen Hülfsverein in Berlin 10214 Thlr. Ngr. Pf.
An das Unterstützungs-Comité in Altona 1000 Thlr. Ngr. Pf.
An das Provinzial-Comité in Stettin 500 Thlr. Ngr. Pf.
An das Central-Comité in Stralsund 500 Thlr. Ngr. Pf.
An das Special-Comité in Broacker, durch
     Herrn Kirkerup, welcher auf das ihm
     zugewandte Ehrengeschenk zu Gunsten
     seines Heimathsortes verzichtete 75 Thlr. Ngr. Pf.
Verlust an ausländischen Coupons Thlr. 14 Ngr. 4 Pf.
          Summa 12289 Thlr. 14 Ngr. 4 Pf.

Sämmtliche Spesen wurden von der Redaction allein getragen. Ueber einige nach Schluß unserer Sammlung noch eingegangene Beitrage referiren wir in einer späteren Nummer.[1]

Die Redaction der Gartenlaube.
Ernst Keil.




Kleiner Briefkasten.


M. in Dr. Auch wir können die auf tausend Thaler taxirte Insecten-Sammlung in zwölf Schränken mit Glaskaste angelegentlichst zum Ankauf für Museen etc. empfehlen. Der zweite Präsident der deutschen ornithologischen Gesellschaft in Berlin, Herr von Homeyer, hat protokollarisch die Sammlung als eine im guten Zustande befindliche und nicht veraltete bezeichnet, die besonders reich sei an Noctuen, Pyraliden und Sortices. Die Präparate sind durchweg ganz vorzüglich. Die Redaction der Gartenlaube ist gern erbötig, auf Wunsch die nähere Verkaufsadresse anzugeben.




Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
  1. Wort ist unleserlich
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 284. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_284.JPG&oldid=- (Version vom 27.8.2018)