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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)

Kaffer-Büffel, denen sich die mächtigen Europäischen Büffel (18) anschließen und die letzten in der Reihe (10) bildet der Amerikanische Wisent oder der Bison-Auerochs in kleiner Heerde. Er scheint Amerikas Prairien wenig zu entbehren, zumal kein Indianer oder Büffeljäger ihm nachstellt.

Sämmtliche Rinderarten haben einen geräumigen, schattigen Hof, aus dem sich ein in Blockhausform oder Schweizerstil erbauter Stall befindet. Die Höfe sind mit einem eisernen Gitter umgeben, welches die Betrachtung der schönen Thiere nicht im Geringsten beeinträchtigt und gleichwohl genügende Sicherheit bietet. Den Rindern gegenüber befindet sich (21, nicht 12) ein Rudel Damhirsche, (33) die Molukken-Hirsche und (34) der stattliche Aristoteles-Hirsch mit seinem mächtigen Geweih, welches er regelmäßig abwirft, um das Publicum durch die Neubildung desselben zu erfreuen. An der anderen Seite des kleinen Wildparkes befinden sich (23) der Virginien-Hirsch, (31) der Axis-Hirsch, (30) der Edelhirsch, (32), der Molukken-Hirsch, und friedlich zwischen ihnen wohnt (22) das Mähnen-Zockelschaf.

Nun schreiten wir zu der Perle des Gartens, zu dem prächtigen Antilopenhause (53), welches uns wie ein stolzes Palais entgegenschimmert. Der Geschmack des Dr. Bodinus und des Baumeister Ende, welcher all die Neubauten des Gartens ausgeführt hat, offenbart sich in diesem Gebäude auf das Glänzendste. Es ist auf das Auge des Publicums und auf das Bedürfniß der Thiere in gleicher Weise Rücksicht genommen. Die große innere, von einem Glasdache überwölbte Halle bildet ein Palmenhaus. Schlingpflanzen ziehen sich an den Säulen bis zum Dache empor; eine Fontaine plätschert zwischen dem frischen Grün, zwischen Palmenblättern und Farrnkräutern. Rings um die große Halle läuft ein breiter von zierlichen Säulen getragener Bogengang für das Publicum und neben diesem Bogengange befinden sich die Ställe für die Antilopen, diese schönen graciösen Geschöpfe, von denen der Garten eine so große und schöne Sammlung besitzt. In der Mitte, dem Eingang gegenüber, sodaß der erste Blick des Eintretenden darauf fällt, wohnen die Giraffen, vier dieser Wüstenpferde mit den schönen freundlichen Rehaugen. Die Eleganz und Sauberkeit überall überraschen; kein Geruch beleidigt die Nase; wir wandeln ungestraft unter Palmen und freuen uns über die schönen Geschöpfe, die so wohlgepflegt und zahm uns mit dem Kopfe durch das zierliche Eisengitter begrüßen.

Hier möchten wir bleiben, und doch treibt es uns weiter, denn neue Schönheiten erwarten uns. Hinter dem Antilopenhause hat der schöpferische Geist des Directors aus einem großen Sandplatze, auf welchem früher Rehe, Hirsche, Schafe und Kameele eingepfercht waren, eine reizende Landschaft hervorgerufen, einen kleinen See mit grünen Inseln, von schattigen Hügeln umgeben. Man muß diesen Sandplatz früher gekannt haben, um das reizende Landschaftsbild recht zu würdigen. Es ruht sich so schön auf einer Bank auf einem der Hügel; man träumt fern, fern zu sein von Berlin – wie ein Hauch aus Thüringen weht es Einem entgegen.

Doch auch von hier treibt es uns fort. Nur flüchtig können wir rechts an dem langen Gebäude vorübergehen, welches die verschiedenartigsten Hühner, Fasanen etc. birgt; wir schreiten schnell durch das frühere Raubthierhaus (54), welches jetzt Wölfe und Hyänen beherbergt, spazieren um den See herum und gelangen nach dem Affenhause (51). Da die Zeit uns kurz gemessen, betrachten wir nur den Chimpansen, sowie einzelne junge Affen, welche sich, Menschenkindern gleich, um den Hals ihrer Mutter klammern. Auch dem Elephantenhause schenken wir nur wenige Minuten, denn den alten mächtigen Elephanten kennen wir von früher, wenn er uns vielleicht auch längst vergessen hat – er bekommt zu viel Besuch. Ganz in der Nähe (49) fesselt uns die prachtvolle neue Voliêre. Das ist ein Leben in dem Hause! Es flimmert vor unsern Augen. Hunderte der reizendsten Vögel fliegen durcheinander, spielen, sitzen an den Futternäpfen, bauen an den Nestern oder schaukeln sich singend aus den Zweigen. Hier könnte man Stunden lang weilen, doch wie der alte Blücher rufen wir unbarmherzig: „vorwärts!“ Wir wenden uns zu dem letzten Gebäude (47) auf der linken Seite des Bildes, um uns über die beiden Nashorne, die Kameele und die schönen Zebras zu freuen. Die Nashorne sind noch junge Thiere, die aber kräftig und gesund heranwachsen und ihre Futterstunde ebenso genau kennen, wie der alte Elephant, der dann ungeduldig mit dem Fuße an die Thür stößt. Die Kameele erfreuten die Besucher des Gartens im vergangenen Frühjahre durch ein Junges, welches schnell mit allen Kindern Freundschaft geschlossen hatte. Rasch wandern wir an dem alten Bärenzwinger (46), welcher jetzt einige Wildschweine beherbergt, vorbei, machen auch nur flüchtig den Straußen und Kasuaren (40) einen Besuch und wenden uns zu dem prächtigen Raubthierhause, für die Besucher stets der Punkt, welcher die meiste Anziehungskraft ausübt. Und man kann hundertmal dieses Haus durchwandern, ohne dessen müde zu werden; das Interesse wächst im Gegentheil. Wir lernen die Thiere darin kennen, werden mit ihren Gewohnheiten vertraut und freuen uns über so manchen kleinen Zug aus dem Löwen- oder Tigerleben. Das Haus ist ein Palais, des Königs der Thiere würdig. Eine große breite und luftige Halle, an deren einer Seite sich die Winterkäfige der Thiere befinden, nimmt uns auf. Das Licht fällt von oben. Die Capitäler der Säulen sind mit Blumen geschmückt, Ampeln mit Schlingpflanzen hängen von der Decke herab. Hunderte von Menschen vermag die breite Halle in sich aufzunehmen. Hier empfängt der Löwe seinen Besuch und ertheilt Audienzen. Stolz schreitet das prächtige, fast schwarzmähnige Thier vom Senegal in seinem Käfige auf und ab. Dicht nebenan befindet sich seine Familie, die Löwin mit den Jungen. Zum dritten Male schon hat die Löwin unter Bodinus’ Direction geworfen, und die jungen Thiere haben Tausende von Besuchern in den Garten gelockt.

An der entgegengesetzten Seite des Hauses befinden sich vier herrliche Löwen in einem Raume. Bodinus hatte sie als junge, halb erwachsene Thiere erworben, und sie haben Manchen durch ihre scheinbar unbeholfenen Bewegungen amüsirt. Damals befanden sie sich in den Flegeljahren; jetzt sind sie zu herrlichen Thieren herangewachsen, wie man sie schöner kaum finden wird. Auch die Tigerin hat unter Bodinus’ Direction bereits geworfen, und dem so tüchtigen, erfahrenen Manne gelang es, die beiden Jungen heranzuziehen, was bis jetzt in der Gefangenschaft sehr selten gelungen ist. Die Wartung und Pflege der Thiere ist freilich eine ganz vorzügliche. Sie erhalten nur gutes und gesundes Fleisch und wohnen reinlicher als viele Menschen.

Außen an dem Hause befinden sich die Sommerwohnungen der Thiere, alle groß und luftig, so daß sich die Gefangenen frei bewegen können und den Gebrauch ihrer Glieder nicht verlernen. Es würde uns zu weit führen, all die Thiere, welche das Raubthierhaus bewohnen, aufzuzählen, der Besucher findet sie in dem Kataloge aufgezeichnet, den er an der Casse beim Eintritte in den Garten für wenige Groschen bekommt.

Vor dem Raubthierhause befindet sich der große Teich, welcher sich bis zur neuen Restauration erstreckt, und dieser Teich gewährt ein ganz besonderes Interesse. Hunderte der schönsten und seltensten Wasservögel beleben ihn. Dort durchschneidet ein Schwan mit schwarzem Kopfe und Halse stolz und graziös das Wasser; hier spielt eine ganze Schaar Flamingos und ihr prächtiges Gefieder kommt zur vollen Wirkung, wenn sie fliehend oder verfolgend die Flügel ausbreiten, dort tanzen Reiher und Trappen nach den Klängen der Musik und machen die wunderlichsten Bewegungen und Verbeugungen; hier steht der schwarze Storch, welcher die Mohrenkinder bringt, unbeweglich auf einem Beine und sieht wie ein Stoiker auf das bewegte Leben ringsum. Zahllose Entenarten tummeln sich auf dem Wasser, tauchen unter und kommen oft in weiten Entfernungen erst wieder zum Vorschein.

Stundenlang kann man das bewegte Leben betrachten, ohne zu ermüden. Man lernt selbst unter den Wasservögeln die verschiedenartigen Charaktere und Temperamente unterscheiden, die lustigen und leichtsinnigen der meisten Enten, die etwas beschränkte Gleichmäßigkeit der Gänse, das kokette Benehmen der Flamingos bis zu dem stolzen und oft boshaften Reihern und Trappen, die kräftige Hiebe mit ihren Schnäbeln austheilen. Wir wandeln am Ufer des Teiches hin, kommen (8) bei verschiedenen prächtigen Reihern und Kranichen vorbei, betrachten flüchtig die Vögel der Minerva (7) und treten dann vor den großen und herrlichen Raubvogelkäfig hin. Hier ist selbst den Condorn und Geiern der Raum vergönnt, um die Kraft ihrer Schwingen nicht zu verlieren; sie genießen selbst in der Gefangenschaft viel Freiheit. Haben doch sogar einige von den großen grauen Aasgeiern hier genistet, gewiß ein seltener Fall.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 263. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_263.JPG&oldid=- (Version vom 27.8.2018)