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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)

dazu schreibe. Hier zeigt ein glücklicher Vater die Geburt eines kräftigen Jungen oder eines zarten Töchterleins an, und blättert man ein Jährchen zurück, so findet man das Glück seines jungen Ehestandes geschildert. Dort findet sich eingeklebt die Photographie eines in seliger Wonne schwimmenden Pärchens; ein alter Freund, der bis jetzt noch den Hagestolz gespielt, ist in den Netzen der Liebe gefangen; er weiht diesem fröhlichen Ereigniß eine mit der schönsten Fracturschrift ausgeführte Anzeige auf einer Extraseite und „stiftet“ des Brautpaares Conterfei dazu.

Die viele Freude, welche mir das Correspondenzbuch gemacht, veranlaßt mich, seine Entstehungsgeschichte am Sylvesterabend mitzutheilen; vielleicht findet die Idee Nachahmer, welche wie wir die Banden der Jugendfreundschaft nicht gern von der Zeit gelockert sehen möchten. Die Idee ist gut; die Praxis hat sie als trefflich bewährt; dem langen Wilhelm gebührt der Ruhm, sie in’s Leben gerufen zu haben, als seine wehmuthsvolle Sylvesterbetrachtung den Wunsch nach einem Ersatz für das langjährige Zusammenleben wachrief.

Berlin, im März 1873.

L. S.


Auf ewig!

Ich weiß ein Grab, vergessen und allein –
Aus alter Zeit ist es zurückgeblieben –
Verwittert – moosbedeckt der schwere Stein.

Und eine Schrift ist in den Stein getrieben:

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„Auf ewig ist dies Grab erkauft, und nimmer

Darf man es öffnen!“ also steht’s geschrieben.

Ich fand es jüngst, als ich im Abendschimmer
Einherging träumend in der Stille dort,
Nachsinnend dem vergänglich eitlen Flimmer.

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Der du da ruhst an dem vergessenen Ort,

Muß noch dein Stein von deiner Thorheit sagen?
Was dachtest du bei dem vermeßnen Wort?

Du wußtest doch, daß, wo nun Bäume ragen,
Einst Göttertempel schimmernd sind gestanden,

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Bis sie ein Gottesblitz in Staub zerschlagen.


Gewalt’ge Städte, die in allen Landen
Mit Ruhm geherrscht – sie sind dahingeschieden –
Es weiden Heerden dort, wo sie verschwanden.

Und die geruht in mächt’gen Pyramiden,

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In Sarkophagen, jene Königsleichen,

Wo sind sie hin?! Sie sind zerstreut hienieden.

Du dachtest wohl, dich würd’ es nicht erreichen,
Und hast dein „Ewig“ auf den Stein geschrieben,
Doch einem Samenkorne mußt’ es weichen!

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Ein Samenkorn, einst dort zurückgeblieben,

Hat zwischen Stein und Sockel leise nieder
Die Wurzeln in das feuchte Land getrieben.

Es wuchs empor und wiegte sein Gefieder,
Sein Blätterwerk, in den durchsonnten Lüften –

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Es wuchs – und Frühling kam auf Frühling wieder.


Und Frühling kam und ging mit seinen Düften
Und nährt das Samenkorn zum Riesenbaume –
Vom Drang der Wurzeln muß der Stein zerklüften!

Halb abgewälzt liegt er am Grabessaume,

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Und durch das „Ewig“ ist ein Riß gesprungen.

So ging’s zu Ende mit dem kurzen Traume.

Doch in den Zweigen hat es leis’ geklungen,
Als ich dort stand in sanfter Abendstunde,
Und flüsternd haben sie mir zugesungen:

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„Auf ewig! armes Wort im Menschenmunde!“


Heinrich Seidel.


„Die zweite deutsche Nordpolfahrt 1869–1870 unter Führung des Capitän K. Koldewey“ lautet der Titel eines längst mit Spannung erwarteten Werkes, welches von dem „Verein für die deutsche Nordpolfahrt in Bremen“ herausgegeben und von den Herren Doctoren Lindemann, Hartlaub und Finsch daselbst redigirt wird.

Die in Deutschlands Entwickelung so mächtig eingreifenden Kriegsereignisse ließen die durch Dr. A. Petermann’s unablässige Bemühungen erfolgreich angeregte Betheiligung der deutschen Nation an der Erforschung der Polarregionen in den Hintergrund treten und lenkten die Aufmerksamkeit ab von den kühnen Männern, welche ausgesandt waren, die deutsche Flagge im Dienste der Wissenschaft nach dem hohen Norden zu führen. Was dieselben geleistet haben, ist längst anerkannt worden; wie sie das Unternehmen durchführten, ist in lebendigster Weise in obengenanntem Werke geschildert.

Die bis jetzt erschienene erste Abtheilung des ersten (erzählenden) Theiles ist mit zahlreichen Illustrationen ausgestattet. Sie enthält die Fahrt der beiden Fahrzeuge bis zu ihrer Trennung, die Zerstörung der „Hansa“ durch das Eis, die höchst abenteuerliche, ohne Gleichen dastehende unfreiwillige Reise der Besatzung auf und mit dem Treibeis nach Süden und deren endliche Rettung nach der Missionsstation Friedrichsthal. Die Erzählung gewinnt dadurch außerordentlich an Frische und Lebenswahrheit, daß alle diese Begebenheiten von den Betheiligten selbst geschildert werden. Eine sehr werthvolle Bereicherung dieser Abtheilung ist eine kurze „Geschichte der Entdeckung und Besiedelung Grönlands“ von Professor Dr. Maurer in München.

Die zweite Abtheilung des ersten Bandes wird die Reise der „Germania“ schildern und ebenfalls noch im Laufe dieses Jahres erscheinen. Der zweite Band, welcher die wissenschaftlichen Resultate enthalten wird, an deren Bearbeitung sich die ersten Gelehrten betheiligen, ist mit richtigem Tacte von dem erzählenden Theil getrennt worden.




Wilhelm Bauer, der wegen seiner kühnen Unternehmungen und Erfindungen so Gefeierte, dessen Schiffhebung auf dem Bodensee und dessen Fahrten und Schießen unter Wasser etc. Thatsachen sind, die einer späteren Zeit Ausbeute und Lohn sichern, hat selbst vom Unglück Schlag um Schlag zu erfahren. Während seiner Schießproben auf dem Starnberger See starb sein hoffnungsvoller ältester Knabe Wilhelm; dann warf ihn, in Folge seiner Strapazen in Hitze und Frost, am Glühofen, wie in winterlicher Meerestiefe, die Gicht unheilbar auf’s Krankenlager. Und nun ist in diesen Tagen auch sein noch einziger jüngster Knabe gestorben. Fast zu gleicher Zeit verlor er unverschuldet den Rest seines Vermögens und damit die Hoffnung, seine letzte Erfindung wenigstens im Modell ausgeführt zu hinterlassen.

Die Zeit der Aufrufe für solche Unternehmen ist vorüber. Da aber Wilhelm Bauer einst seine Verehrer und Gönner nach Tausenden zählen konnte, so ist Vielen derselben ein Andenken an den hinsterbenden Mann von Werth, das in seiner Photographie mit Namenszeichen besteht. Es wäre wohl möglich, ihm die bittersten Sorgen aus dem letzten Wege zu rücken, wenn recht Viele sich direct diese Photographie bestellen und in ihren Briefen ihre Theilnahme für den Mann und seine Leistungen in entsprechender Weise bethätigen wollten. Sie adressiren: Herrn Submarine-Ingenieur Wilhelm Bauer, Theresienstraße Nr. 69 in München.




Wiederholte Erklärung. Gegenüber den zahllosen Einsendungen von Gedichten erklären wir auf’s Neue, daß wir zu einer kritischen Würdigung oder auch nur einfachen Rücksendung derselben an die Verfasser bei unseren mannigfachen anderen redactionellen Geschäften keine Veranlassung haben.




Kleiner Briefkasten.


An den Antipoden in Oregon. Sie werden wohl daran thun, eiligst an eine entsprechende Ausbeute Ihres Reichthums an Stören zu gehen. Soeben kommt uns durch russische Zeitungen die Nachricht zu, daß die bisherige Hauptbezugsquelle des Caviar immer spärlicher fließe und zu versiechen drohe. Es ist am kaspischen Meere und in der Wolga eine so rücksichtslose Fischerei auf Störe betrieben worden, man hat dort so wenig an Nachzucht und Schonung gedacht, daß von den ehemaligen Riesenfischen von vierzig bis fünfzig Pud[WS 1] keine Spur mehr vorhanden und der Fang auf immer kleinere Fische herabgekommen ist. Da wäre es gerade an der rechten Zeit, mit amerikanischer Rührigkeit in die Lücke einzutreten. Ueber Caviarbereitung kann die Gartenlaube keine Belehrung, namentlich für praktische Ausführung, geben; vielleicht finden Sie schon in Hirzel’s „Hauslexikon“ für Ihren Zweck Genügendes. Da auch an den deutschen Ostseeküsten Caviar bereitet wird, so würden Sie am besten thun, von dort her sich einen mit dieser Arbeit vertrauten Mann zu verschaffen.


Den unbekannten Damen in der güldnen Au.

Ihr Lieben in der güldnen Au,
Hegt starke Wißbegierden:
Wer? Wo? Und ob ihn schon – wie schlau! –
Des Altars Kränze zierten?

Am Altar stand er selbst noch nicht.
Kann Euch die Aussicht laben,
So wißt: er ist mit Zuversicht
Noch alleweil zu haben.


E. H. in Königsberg i. P. Ihr Manuscript liegt auf der Post.



Anmerkungen (Wikisource)

  1. 1 Pud = ca. 16,4 kg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 202. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_202.JPG&oldid=- (Version vom 29.6.2018)