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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)

Ich kann nicht einmal leisten, was jeder meiner Beamten täglich leistet.“

„Mir scheint eher, Du treibst Deine Leistungen bis in’s äußerste Extrem,“ entgegnete Eugenie rasch. „Den Tag über verläßt Du kaum mehr Dein Arbeitszimmer, und des Nachts sehe ich dort bis an den Morgen hin Licht brennen.“

Eine schnelle Röthe flog über die Züge des jungen Mannes.

„Seit wann wendest Du denn den Fenstern meines Zimmers eine solche Aufmerksamkeit zu?“ fragte er mit ruhiger, aber tiefer Bitterkeit. „Ich glaubte nicht, daß sie überhaupt für Dich existirten.“

(Fortsetzung folgt.)




Ueber Hypnotismus bei Thieren,

nebst gelegentlichen Bemerkungen über Naturwissenschaft und Spiritismus, Geistermanifestationen u. dergl.
Von Prof. Joh. Czermak.
(Schluß des zweiten Vortrags.)

Da zeiht man uns der Verstocktheit und Unwissenheit und verweist uns triumphirend auf die „wissenschaftlichen“ Untersuchungen und öffentlichen Kundgebungen eines Hare, eines Crookes, Butlerow und anderer wohlbekannter und anerkannter „Naturforscher“! –

Wer sich aber überwindet und diese haarsträubende Literatur einsieht, der wird nur noch mehr in seinem absolut ablehnenden Verhalten bestärkt werden. Gerade die Art, wie jene „Naturforscher“ ihre sogenannten wissenschaftlichen Experimente anstellen, und wie sie über dieselben berichten, beweist auf’s Klarste, daß sie keine mehr sind, wenn sie überhaupt jemals den Ehrennamen Naturforscher in der vollen und ganzen Bedeutung des Wortes verdient haben. Um nur Ein schlagendes Beispiel anzuführen, so erklärt Crookes – und macht davon sogar eine ganz ernsthafte Mittheilung an die Gesellschaft der Wissenschaften in London, deren Mitglied er ist, eine „neue Naturkraft“ entdeckt zu haben, die er – weil sie von gewissen Menschen, den sogenannten „Medien“ oder „Psychikern“ ausgeht – „psychische Kraft“ nennt. Durch die Einwirkung dieser Kraft soll, nach Crookes, das Gewicht eines Körpers thatsächlich um viele Pfund vermehrt und wieder vermindert werden können, ohne daß der Körper sonst irgendwie verändert, ja auch nur von dem sogenannten „Medium“ berührt wird.

Und wie denken Sie, daß Crookes eine solche, allen Gesetzen der Schwere Hohn sprechende, wahrhaft welterschütternde Thatsache begründet und sicher gestellt hat?! – Sie werden es kaum für möglich halten, wenn ich sage: er that dies einfach dadurch, daß er wiederholt wirklich gesehen und constatirt zu haben versichert, daß in Gegenwart gewisser Personen, der sogenannten Medien, eine Federwage, von ähnlicher Art, wie man sie zur Portoberechnung von Briefen braucht, Ausschläge gab, deren Ursache nicht augenfällig war!

Ich schalte hier zum besseren Verständniß eine kleine schematische Zeichnung ein,

welche das Princip eines der von Crookes gebrauchten Apparate erläutert. B ist ein mehrere Fuß langes, starkes Mahagonibrett, dessen eines Ende mit einer scharfen, an seiner unteren Fläche vorspringenden Kante auf dem Tisch T ruht, während das andere Ende an der an einem Gestell G befestigten Federwage W hängt und von derselben freischwebend getragen wird. Der Index oder Zeiger der Federwage giebt an, wie groß das Gewicht ist, welches dieselbe zu tragen hat. Jede Zu- oder Abnahme des Gewichtes, aber auch jeder Stoß, jede Erschütterung, welche dem schwebenden Brette mitgetheilt wird, muß sich durch ein Steigen oder Fallen des Index an der Scala der Wage bemerklich machen. Und nun versichert Crookes, solche Ausschläge des Index in Gegenwart seiner Medien beobachtet zu haben, sogar dann, wenn Mr. Home, das berüchtigte Hauptmedium, den Apparat gar nicht berührte, sondern, bis drei Fuß davon entfernt, an Händen und Füßen festgehalten wurde! – Und das ist Alles! Darauf hin, daß die Federwage unter diesen Umständen deutliche Ausschläge gab, welche keine augenfällige und handgreifliche Ursache zu haben schienen, wagt Crookes seine exorbitante Behauptung!! deren Ungeheuerlichkeit wohl kaum von Ihnen Allen nach Gebühr ermessen und empfunden werden dürfte.

Von überzeugenden Controlversuchen, von ausgiebigen, vertrauenerweckenden Vorsichtsmaßregeln gegen Täuschung und Betrug ist nicht das Mindeste zu finden. Wem das, was Crookes in dieser Richtung, abgesehen von ganz allgemeinen Versicherungen seiner Scrupulosität und Vorsicht, gethan zu haben angiebt, imponirt oder genügt, der steht auf einem so kindlichen Standpunkt naturwissenschaftlicher Urtheilslosigkeit, daß er einfach kein Recht hat, über diese Dinge mitzusprechen!

Daß eine Federwage Ausschläge giebt, ist eine Thatsache, die überaus leicht sicher zu stellen ist. Wir können es daher auf Crookes’ Zeugniß hin ruhig als Thatsache annehmen, daß seine Federwage, seine Fühlhebel in Gegenwart der sogenannten Medien wirklich Ausschläge gegeben haben. Allein, wenn Crookes als Thatsache hinstellt, daß die sogenannte „psychische Kraft“ des anwesenden Mediums es war, welche diese Ausschläge verursachte, indem sie die Schwere der trägen Massen zeitweilig veränderte (!!), so ist dies, trotz aller Versicherungen, noch lange keine wirkliche Thatsache, sondern höchstens eine ernstgemeinte Angabe über eine „ungenau beobachtete Thatsache“, und zwar eine Angabe, welche gar keinen Glauben, ja nicht einmal die geringste ernsthafte Beachtung verdient. Und zwar verdient diese Angabe nicht einmal die letztere, nicht etwa deshalb, weil sie eine „ungenau beobachtete“ Thatsache betrifft, es giebt ja viele Thatsachen dieser Kategorie, welche die höchste Beachtung verdienen, und mit welchen sich auch die Wissenschaft auf’s Ernstlichste befaßt, sondern einfach deshalb nicht, weil einerseits das unzweifelhaft Thatsächliche in Crookes’ Angabe (nämlich: ein ohne augenfällige Ursache erfolgender Ausschlag an einer Federwage oder an einem Fühlhebel) an sich gar nichts Bemerkenswerthes ist, und weil andererseits nicht der mindeste, Zutrauen erweckende, experimentelle Nachweis geliefert ist, daß die beobachteten Ausschläge wirklich nur in Gegenwart von sogenannten Medien erfolgten, und daß sie in der That keine durch die bisher bekannten Naturgesetze begreifliche Ursache gehabt haben können!

Wäre ein solcher Nachweis in exacter Weise auch nur versucht worden, so würden Crookes’ Angaben schon einige Beachtung verdienen und zu einer Wiederholung seiner Versuche einladen, um eine sonderbare, „ungenau beobachtete“ Thatsache zu prüfen; wäre jener Nachweis gar vollgültig und streng erbracht worden, dann hätte Crookes eine der unerhörtesten Thatsachen von unberechenbarer Tragweite entdeckt, und seine Angaben würden sich die allgemeinste, eingehendste Beachtung und Würdigung aller ernsten Naturforscher augenblicklich und mit Einem Schlage erzwungen haben; wie etwa seiner Zeit die Angaben Volta’s, als er seine Säule baute, welche nicht minder unglaubliche und unerhörte Erscheinungen darbot! – So aber, wie die Sachen factisch stehen, haben Crookes’ Angaben, so wie die anderen von Hunderten und Tausenden von Biedermännern bezeugten „Thatsachen“ von freischwebenden Tischen, fliegenden Guitarren, selbstmusicirenden

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 176. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_176.JPG&oldid=- (Version vom 6.2.2020)