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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)

Einer derselben raffte sich wieder auf und rannte weiter. Dashner warf sogleich seine Büchse nieder, und seinem Gefährten zurufend, ihm zu folgen, erreichten sie den verwundeten Wilden in einigen Minuten. Ihn ergreifen und trotz seines verzweifelten Widerstandes in die Flammen werfen, war das Werk eines Augenblicks. Selbst das indianische Kriegsgeschrei anstimmend, kehrten die Beiden nach vollbrachter blutiger That unverletzt in’s Fort zurück. Dieses Beispiel mag zeigen, wie diese blutigen Grenzkriege manchmal geführt werden, nicht gerade von den Weißen, wohl aber gelegentlich von ihren halb oder ganz wilden Verbündeten.

Bis zum dunkeln Abend hatte der Kampf gewüthet, weniger heftig auf der Südfront. Die Flammen der brennenden Gebäude schlossen die wilde Scene des Tages und beleuchteten die abziehenden Feinde, die bald in Masse auf ihren kleinen Ponies nach der Agentur zu weggaloppirten. Die Geschütze warfen noch eine Zeit lang Granaten in die Schluchten, doch ohne Antwort zu erhalten, und stellten dann ihr Feuer ein.

Die ermüdete Besatzung begann ihre dritte schlaflose Nacht. Auf den Außenposten vertheilt, spähten die Tapfern nach dem hinterlistigen Feind, bis der Morgen graute. Die größte Gefahr bestand jetzt darin, daß die Indianer einzeln durch das Buschwerk an die Gebäude heranschlichen und Miene machten, mit brennenden Pfeilen die dürren Dächer in Brand zu setzen. Geschah dies, dann waren Alle verloren.

Gegen Morgen endlich kam die so lange ersehnte Hülfe. Gewitterwolken hatten sich am Horizonte aufgethürmt, und nun öffnete der Himmel unter Blitz und Donner und Sturm seine Schleußen, eine wahre Sündfluth herabsendend, die Alles so gründlich durchnäßte, daß eine Ueberrumpelung durch Feuer für den Augenblick unmöglich wurde. Mit welchem Gefühl die ersten Tropfen von den ermüdeten Kämpfern begrüßt wurden, läßt sich kaum beschreiben.

Donnerstag war ein verhältnißmäßig stiller Tag. Nur kleine Partien Indianer wurden in weiter Entfernung auf der Prairie bemerkt, augenscheinlich um zu recognosciren, ob Verstärkungen einträfen. Es regnete bis gegen Abend, als die Wolken sich verzogen und die Sterne wieder klar und freundlich auf die müden Kämpfer niederblickten. Kühl und labend zog der Wind über die mächtige Prairie hin; erfrischend stieg der Duft von Blüthen und Blättern aus den grünen Schluchten herauf; kein feindlicher Laut regte sich in der weiten, stillen Gegend. Wahrlich, es war schwer, den Gedanken zu fassen, daß vor kaum vierundzwanzig Stunden hier die wildesten Leidenschaften getobt und das Blut von Hunderten den Boden befleckt hatte, schwer, sich mit dem Gedanken vertraut zu machen, daß diese feierliche Ruhe jeden Augenblick durch den Ruf zu neuem Blutvergießen entweiht werden konnte!

Noch in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag, während der Regensturm in voller Wuth tobte, wurde John Frazer, ein alter Ansiedler, der alle Indianerschliche gründlich kannte, abgeschickt, um Depeschen an Gouverneur Ramsey nach St. Paul zu befördern, was ihm in der Folge auch gelang. Am nächsten Tage wurde eine große Anzahl mit Hafer gefüllter Säcke, die in der Scheune gelegen, sowie eine Masse Brennholz an verschiedenen Stellen um das Fort herum aufgestapelt, um der Besatzung als Schutzwehr gegen die Angreifer zu dienen. Ferner wurden die ziemlich flachen Dächer der am meisten ausgesetzten Gebäude mit Erde bedeckt, um gegen die Brandpfeile gesichert zu sein; kurz, es geschah Alles, was sich in der Eile thun ließ, um die Befestigungen zu verstärken.

Zwei Umstände aber erregten die ernstesten Besorgnisse. Es wurde schon im Anfang erwähnt, daß sich im Fort selbst weder Brunnen noch Cisternen befanden. Das Trinkwasser, welches von einer nahen Quelle herbeigeschafft zu werden pflegte, war am Freitag Morgen ausgegangen, und trotz des heftigen Regens war es bei den schlechten Vorrichtungen nicht möglich gewesen, genug Wasser für die Besatzung zu sammeln, abgesehen davon, daß dasselbe bei der wieder eingetretenen Hitze unbrauchbar werden mußte. Es blieb also nichts übrig, als eine Expedition auszurüsten, um Wasser aus der Schlucht herbeizuschaffen.

Obwohl die Gegend ziemlich rein von Indianern zu sein schien, war diese Aufgabe dennoch keine gefahrlose. Wer wußte, wie viele Feinde sich wieder in den dichten Gebüschen am Flusse und in den Schluchten herangeschlichen haben mochten? wer konnte berechnen, wann sie wieder, schnell wie der Blitz, heranstürmen und ihren Angriff erneuern würden? Als die Leute den Brunnen in der östlichen Schlucht erreichten, fanden sie, was freilich vorauszusehen war, das Reservoir zerstört und die Quelle verschüttet. Sie konnten daher nichts Anderes thun, als an einer weniger ausgesetzten Stelle, näher am Fort, einen neuen Brunnen graben, fanden auch bald Wasser und hatten bis Mittag so viel in Sicherheit gebracht, daß die Besatzung wenigstens für zwei bis drei Tage hinreichend versorgt war.

Der zweite Uebelstand war Mangel an kleiner Munition; die meisten Kugeln waren im Mittwochskampfe verschossen worden. Schnell wurde eine Anzahl Männer und Frauen angestellt, aus den in großer Menge vorhandenen Kartätschenladungen Patronen zu machen, und so wurde bald ein ziemlicher Vorrath hergestellt, und zwar weder umsonst, noch zu früh; denn Freitag Nachmittags ein Uhr erschien der Feind wieder.

Von der „Unteren Agentur“ herkommend, stürmten die Indianer in wildem Galopp über die Prairie daher und verschwanden in den Ufergebüschen des Flusses, um gleich darauf in der Niederung zu Fuß zu erscheinen. Ihre Zahl war bedeutend größer, als am Mittwoch, und mit der Menge schien auch die Wuth und die Entschlossenheit in ihnen gewachsen zu sein, das Fort diesmal um jeden Preis zu nehmen. Im vollem Lauf stürmten sie durch die Niederung, beide Schluchten im Osten und Westen herauf, als wollten sie den Gegner in ihrer wilden Umarmung ersticken. Der Anblick dieser Scene war ein großartig schauerlicher. Hunderte dämonisch aussehender Gestalten, in vollem Kriegerschmuck, denen die abscheuliche Bemalung, die wehenden Adlerfedern im Haar und die bestienartige Beweglichkeit der nackten Glieder ein wahrhaft unnatürliches Aussehen verlieh, das markerschütternde Kriegsgeheul, mit dem sie die Luft erzittern machten, die hochgeschwungenen blitzenden Tomahawks und Messer, das Krachen der Büchsen – alles zusammen machte einen Eindruck, als sei die Hölle selbst losgelassen und schicke sich an, eine ihr zugewiesene Beute in den Abgrund zu reißen. Aber die hartbedrängte Garnison erlag solchen Schrecken nicht. Die Tapferen wußten wohl, daß jetzt der Entscheidungskampf gekommen sei; unterlagen sie diesem Angriff, dann war den Meisten der Tod auf dem Schlachtfelde gewiß, den Ueberlebenden aber standen Qualen bevor, wie sie nur die teuflische Erfindungsgabe des wilden Indianers ersinnen kann. Schlugen sie diesmal den Feind zurück, dann war zu erwarten, daß er seinen Angriff nicht erneuern würde, bis Verstärkungen anlangten. Die an der westlichen Schlucht gelegene schöne Wohnung des Postenhändlers Randall loderte sogleich in hellen Flammen auf; der Hauptangriff war indeß diesmal auf die dem Fluß zunächstgelegene Südfront des Forts gerichtet. Hier standen die meisten und leichtesten Holzgebäude dicht zusammengedrängt, hier befanden sich außerhalb der Forts der große Stall, die Scheune, das Waarenlager und zwei andere größere Gebäude.

Schnell war der steile Abhang der Prairie erstiegen und die Indianer erschienen in Masse am Rande derselben. Aber die Männer im Fort wußten sie zu empfangen. Fast bis an die Gebäude herangekommen, wurden sie von einem so entsetzlichen Feuer aus den Häusern und von einem solchen Hagel von Kartätschen aus den drei Geschützen der braven Artilleristen empfangen, daß der enge Raum bis zum Rande der Niederung mit Gefallenen bedeckt war. Die Uebrigen zogen sich schleunigst außerhalb Schußweite[WS 1] in den Schutz der Gebüsche zurück, verfolgt von den Geschossen der Kanonen, die tod- und verderbenbringend zwischen ihnen niederschlugen. Der Rückzug war jedoch nur ein augenblicklicher; sie sammelten sich schnell wieder und stürmten mit verdoppelter Wuth die Anhöhen. Diesmal gelang es ihnen, den großen Stall zu gewinnen, ebenso mehrere andere Außengebäude der Südseite. Jetzt wurde der Kampf ernstlicher. Der Vortheil, den die Wilden errungen hatten, begann sich fühlbar zu machen. Ihr Feuer wurde stetiger und wirksamer. Immer größere Haufen erstiegen die Höhen, geschützt durch die von den Ihrigen genommenen Häuser. Einige Soldaten fielen, mehrere wurden verwundet; die gegenüberliegenden Baracken waren von Kugeln förmlich durchlöchert.

In dieser Bedrängniß erwiesen sich die Geschütze als die Retter der Besatzung. Es gelang denselben, die sämmtlichen Außengebäude in Brand zu schießen, und bald loderten fünf

Anmerkungen (Wikisource)

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 164. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_164.JPG&oldid=- (Version vom 27.8.2018)