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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)


mit möglichster Schnelligkeit befördern diese dieselben nach den obern Stadttheilen, wo dann Andere bereitstehen, um sie zu empfangen und an die Abonnenten auszutheilen. Da dieses Austheilen, welches die Morgenzeitungen betrifft, Capital erheischt, wird es gewöhnlich nur von Erwachsenen unternommen. Erst mit den Abendzeitungen kommt die Jugend in’s Spiel. Die während des Tages passirten Neuigkeiten werden spät am Nachmittag durch Abendzeitungen bekannt gemacht, welche ungefähr ebenso zahlreich wie die Morgenzeitungen sind, aber weniger in die Wohnungen geliefert, als auf der Straße verkauft werden. Hier gilt es bei jedem Träger der Erste zu sein: wie ein wildes Heer stürzen gegen ein Uhr Kinderschaaren mit Zeitungsbündeln aus den Druckereien, um, sich gegenseitig überrufend und überlaufend, die belebtesten Straßen zu erreichen; einige haben die Füße entblößt, um rascher laufen zu können; andere hängen sich an vorüberfahrende Wagen, theils um den Insassen Zeitungen zu verkaufen, theils um schnell vorwärts zu kommen. Ueberall tönen bald die gellenden Stimmen, Mordfälle, Brände oder Kriege verkündend – ohne solchen Inhalt wären die Blätter langweilig. Vorsichtig wird nur so viel ausgerufen, daß man nichts Bestimmtes daraus entnehmen kann, ohne das Blatt zu kaufen. Der Preis der verschiedenen Zeitungen variirt von ein bis fünf Cents, woran der Träger dreiunddreißig und ein Drittel Procent Commission verdient. Die billigsten haben die größte Circulation. Nach einer Stunde, also um zwei Uhr, erscheint die zweite Auflage; die erste muß bis dahin abgesetzt sein, weil sie nachher unverkäuflich bleibt. Das Rennen und Drängen geht nun von Neuem los, um sich jede Stunde zu wiederholen, bis endlich um fünf Uhr die letzte Auflage vertheilt wird.

Das Capital dieser Jungen hat sich nach vollendeter Tagesarbeit in der Regel verdoppelt: waren sie am Morgen 25 Cents werth, so besitzen sie am Abend 50 Cents. Manche sind sparsam und werden im Laufe einiger Jahre angesehene Geschäftsmänner; Andere verjubeln in der Nacht ihre ganze Baarschaft und müssen mit geliehenem Gelde am Morgen wieder beginnen. Einige speculiren in Lotterien oder an Spieltischen. Gerieben und lebhaft werden sie alle; schreiben und lesen können aber nur die Wenigsten; trotzdem ist ihnen der Inhalt der Zeitungen stets bekannt. Wie sie sich mit demselben vertraut machen, bleibt ein Räthsel.

Häufig kennen diese Kinder ihre Eltern nicht und besitzen keine Heimath; ihr Nachtlager befindet sich in diesem Falle auf den Straßen oder unter den Schiffswerften. Am Morgen, ehe ihre Arbeit beginnt, belustigen sie sich, Jeder nach seinem Geschmack; eine Balgerei oder ein Feuer zieht sie von allen Seiten herbei und gewährt ihnen das größte Gaudium. Können sie durch kleine Dienstleistungen einen Penny verdienen, so sind sie bei der Hand; können sie im Gedränge ein Taschentuch oder einen Handschuh entwenden, um das „gefundene“ Stück gegen eine Belohnung wieder auszuliefern, so sind sie auch bei der Hand. Wittern sie dann auf hundert Schritte einen Polizisten, so sind sie rein verschwunden. Um eine treffende Antwort sind sie selten verlegen. Neulich sprach ein Vorübergehender, der sich nicht zurecht finden konnte, einen Zeitungsjungen also an: „Ich möchte gerne nach der Pearl-Straße gehen.“ „Nun, gehen Sie ungenirt hin!“ lautete die Antwort. Vor Kurzem kaufte ein ältlicher Herr eine Zeitung, deren Werth vier Cents betrug; er gab dem Jungen ein Fünf-Centsstück, womit sich dieser davon machen wollte. Den Jungen einholend, nahm ihm der Käufer das Geldstück wieder ab, gab ihm das Blatt zurück, rief einen andern Jungen herbei und kaufte diesem, zur Bestrafung des Ersteren, die Zeitung ab. Seinen Zweck hatte der Mann aber nicht erreicht, denn ganz lustig rief ihm der erste Junge nach: „Ich danke Ihnen, Sir, der und ich sind associirt.


Noch einmal der Heiligenschein. Herr Dr. J. Schnauß in Jena schreibt uns anläßlich des Artikel „Ueber den Heiligenschein“ von Carus Sterne in Nr. 3 der Gartenlaube über eine ähnliche eigenthümliche Erscheinung, welche dem größeren Publicum wohl kaum bekannt sein dürfte. Während nämlich in dem genannten Artikel nur von subjectiven Lichterscheinungen, die in einer optischen Täuschung bestehen, die Rede ist, handelt es sich hier um einen wirklichen Lichteffect, der jeden Augenblick von Jedermann gesehen werden kann, in seinem naturgetreuen photographischen Abbild wenigstens. Die Sache ist folgende: Man bemerkt an manchen Photographien, besonders solchen, die in früheren Jahren noch nach den alten Collodiumrecepten (ohne oder mit nur wenig Bromsalzen) angefertigt wurden, schon auf den negativen Bildern einen eigenthümlichen Lichthof um die dunkelsten Partien des Portraits, aber nicht bloß der Person, sondern auch des Stuhles, Tisches u. s. w. Im Negativ stellt sich dieser Lichthof natürlich als ein dunkler, allmählich heller werdender Umriß dar, im positiven Papierabdruck erscheint derselbe folglich hell und macht ganz den Effect einer phosphorescirenden Lichthülle um die Figur.

Schon in Sutton’s „Dictionary of Photography“ ist dieser Erscheinung als einer bei Anfertigung von Daguerreotypen und Glaspositiven besonders häufig beobachteten gedacht. Da nicht anzunehmen, daß von den abgebildeten Gegenständen ein besonderes, für das Auge unsichtbaren Licht ausgegangen sei, so mag die Ursache dieses Phänomens wohl in einer eigenthümlichen Beschaffenheit des gerade verwandelten Jodsilbers zu suchen sein, bleibt jedoch immer von wissenschaftlichem Werthe. Sicher ist, daß dieselbe nicht in einer fehlerhaften Lichtzerstreuung der photographischen Linsen ihren Ursprung hat. Wäre es möglich, diesen eigenthümlichen Lichthof beliebig hervorzubringen, so dürfte sich wohl schon irgend ein speculativer Kopf diesen Mittels bemächtigt haben, um Leichtgläubige wirklich hinters Licht zu führen und auf Verlangen mit einem Heiligenschein zu umgeben. Ein Wink für die im Humbug so starken Yankees, denen Geisterphotographien ja schon längst ein wichtiges Beweismittel der Spiritisten abgeben!


Für einen Todten die Eltern gefunden. Die Aufforderung, welche auf Ersuchen der großherzoglich hessischen Polizeiverwaltung in Gießen in Nr. 41 des vorigen Jahrgangs der „Gartenlaube“ in Betreff eines todt Aufgefundenen erlassen worden ist, nachdem die obrigkeitlichen Ausschreiben erfolglos gewesen waren, hat ihre Erledigung gefunden. Die „Main-Zeitung“ berichtet, daß, fast ein Jahr nach dem erschütternden Todesfalle, die Nachricht davon erst durch die „Gartenlaube“ in den Kreis der angesehenen Berliner Familie drang, die vergeblich die Spur des „vermißten“ Sohnes verfolgt hatte.



Kleiner Briefkasten.

A. J. zu H. Das erste Quartal 1872 der „Deutschen Blätter“ können Sie durch jedes Postamt beziehen. Als populäre Weltgeschichte empfehlen wir Ihnen diejenige von C. Wernicke, namentlich wegen ihrer Preiswürdigkeit.

L. L. St. Ihre Erzählung ist nicht zu verwenden. Das Manuscript steht zu Ihrer Verfügung.

S. R. Haben Sie die Güte, uns die betreffenden Nummern des uns genannten Wochenblattes zur Beförderung an die erwähnte Schriftstellerin zugehen zu lassen.

M. S. in Wesel. Danken für freundliche Berichtigung. Würden Sie sich nicht entschließen können, Ihre interessanten Erinnerungen für die Gartenlaube niederzuschreiben?

S. in Br. Auf Ihre Anfrage die Mittheilung, daß „Rückert’s Kindertodtenlieder“ bei J. D. Sauerländer in Frankfurt a. M. erschienen sind.

J. G. Br. Vernichtet.

V. in B. Nicht verwendbar. Das Manuscript steht zur Verfügung.

W. Lff. in Apolda. Bei der Weglassung der Seitenzahl über den Illustrationen haben wir uns lediglich durch Rücksichten des guten Geschmacks leiten lassen und werden diesen Gebrauch möglichst auch beibehalten.

B. Günther. Verfügen Sie gefälligst über das Manuscript Ihrer Novelle „Dornröschen“, welches wir nicht verwenden können.

F. O. in Waltershausen. In wöchentlichen Nummern wird die Gartenlaube in 166,000 Exemplaren ausgegeben, der Rest der Auflage in Monatsheften.

K. W. in Königsberg. Ihr Manuscript liegt auf der Post.



Zur Beachtung!

Von einer großen Anzahl neuer Abonnenten ist mir wiederum der Wunsch ausgesprochen worden, die früheren noch vorräthigen Bände der „Gartenlaube“, zur Erleichterung der Anschaffung, unter dem Ladenpreise abzulassen. Ich habe mich daher entschlossen, den Preis der

drei Jahrgänge 1867 bis 1869,

welche außer den interessantesten unterhaltend-belehrenden Artikeln das Gediegenste der neueren Novellistik enthalten, wie:

     Herm. Schmid, Die Brautschau – Der Habermeister – Süden und Norden – Die Gasselbuben,
     E. Marlitt, Das Geheimniß der alten Mamsell – Reichsgräfin Gisela,
     Lev. Schücking, Der Schatz des Kurfürsten – Verlassen und Verloren,
     Edm. Höfer, Die Herrin von Dernot,
     Paul Heyse, Lorenz und Lore – Vetter Gabriel,
     Louise Mühlbach, Prinz und Schlossergeselle,
     Ad. Wilbrandt, Heimath – Die Brüder,
     Max Ring, Im Hause der Bonaparte,
     F. L. Neimar, Getrennt – In sengender Gluth,
     A. Godin, Das Erkennungszeichen,
     A. Bernstein, Aus vollem Menschenherzen,
     Ad. v. Auer, Jedem das Seine,
     Friedr. Bodenstedt, Das Mädchen von Liebenstein,
     Friedr. Gerstäcker, Zu wirthschaftlich,

zusammengenommen bis Ende März d. J., von 6 Thlr. auf 2 Thlr. 20 Ngr. zu ermäßigen, mache aber ausdrücklich darauf aufmerksam, daß diese Ermäßigung nur bis Ende März und bei Zusammenkauf der drei Jahrgänge gilt. Einzelne Jahrgänge behalten den alten Preis von 2 Thlr.

Ernst Keil.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 120. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_120.JPG&oldid=- (Version vom 13.4.2021)