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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)

festlicher Weise begangen werde. Feuerwerke zu Meer und Land, großes Monstreconcert, Illumination, und, um das Nützliche mit dem zu vereinigen, was für den Spielbankpächter als Festgeber das Angenehme war, sollte das Spiel, welches sonst um elf Uhr geschlossen wird, zur Erhöhung der Feierlichkeit bis nach Mitternacht geöffnet sein.

Wie wunderbar schön lag der Golf des Mittelmeeres dar uns! wie eine offene glitzernde Perlenmuschel, auf welche die Sonne einen rothglühenden Schimmer warf, von dem auch die hellen schneebedeckten Gipfel der Seeealpen von rosenfarbenem Lichte angehaucht erschienen. Der reiche Kranz der zierlichen Bauten und Paläste, die das Ufer umgürten, leuchtet uns hell entgegen, während von den mit dem dunklen Laub der Oliven bedeckten, grün umbuschten Anhöhen, welche diesen glücklichen Landstrich einhüllen, die zierlichen Villen und Landhäuser kokett hervorlugen.

Man muß monatelang am Strande des Meeres gelebt haben, um die Großartigkeit desselben begreifen zu lernen. Nicht nur, wenn es im tiefen Blau wie ein glatter Spiegel sich unabsehbar ausbreitet, sondern auch im wilden Sturme, wenn das prächtige Blau in fahles Grün und dieses in ein schmutziges dichtes Gelb sich verwandelt, wenn später ein unangenehmes fahles Bleigrau den Horizont überzieht und uns denselben kaum von den ungeheuren Wasserbergen unterscheiden läßt, die sich in geschlossenen Reihen heranwälzen, um mit donnerndem Gebrüll an den Felsen zu zerschellen, den weißen Gischt thurmhoch emporschleudernd. Das sanfte melodische Rauschen, mit welchem die Wellen bei ruhiger See an’s Ufer schlagen, verwandelt sich in ein hohles grollendes Getön von unbeschreiblicher Klangfarbe. Jetzt scheint der Himmel, Blitz auf Blitz, in hellem Feuer zu stehen; der Donner vereinigt seine Batterie mit dem der Wogenberge; der Regen prasselt in dichten Massen nieder und hüllt Alles in seinen nassen Mantel ein. Wehe dem Fahrzeuge, welches wir wie ein Gespensterschiff sturmgepeitscht durch den Nebel schwanken sehen, taumelnd wie ein Trunkenbold! Es kann das nahe Ufer nicht erreichen; mit eisernen Krallen hält es der Orcan fest, um es vielleicht in der nächsten Stunde zerschellt an die Klippen zu schleudern. Vor wenigen Tagen ritt ein armer Junge den Strand entlang, um sich und sein Pferd vor dem Wüthen der Elemente zu bergen; da kam ein furchtbarer Wogenberg, riß den unglücklichen Burschen vom Roß und hinaus in’s offene Meer. Ein Schrei! Das wild aufbäumende Thier sprang in langen Sätzen dem festen Boden zu, der Reiter war verschwunden! Wo werden die Wogen seinen Leichnam an’s Ufer werfen?

Stundenlang kann ich dem wilden, aber unbeschreiblich majestätischen Schauspiele des empörten Meeres vom sichern Port aus zusehen, ohne der großartigen Wunder müde zu werden, die, stets wechselnd, immer neue Gestalten annehmen.

Heute aber begünstigt das prächtigste Wetter die Fahrt, welche wir zur Feier des Namensfestes des Westentaschen- und Spielbankmonarchen nach Monaco angetreten haben.

Unterwegs entspinnt sich eine lebhafte Debatte über die Berechtigung der deutschen Regierungen, die Spielbanken zu schließen und ihre mündigen Gimpel vor freiwilligem Rupfen zu bewahren, so lange noch Börsen und Lotterien existiren. Einige von uns standen direct auf der Seite des Verbotes, andere meinten, die Spielhöllen hätten in so ferne ein öffentliches Interesse, als durch die ungeheuren pecuniären Verpflichtungen, welche den Pächtern auferlegt würden, ein Theil den öffentlichen Wohlthätigkeitsanstalten, der Verschönerung der Plätze und Anlagen, und anderen gemeinnützigen Anstalten zu gute kämen.

Inzwischen donnerten uns die Kanonen von den Wällen von Monaco ihren Festgruß entgegen. Es ist, glaube ich, der einzige Dienst, welchen die mächtigen, metallenen Röhren im Laufe des Jahres zu leisten haben. Das Namensfest des Landesherrn! Das brüllt so krachend in die Welt hinaus, als ob es ein großes, dieselbe erschütterndes und die gesammte Menschheit berührendes Ereigniß zu verkünden hätte. Und doch weilt der Vater stets fern von seinen Kindern, er verzehrt die reichen Einkünfte der „letzten Spielbank“ in Europa fern auf einer Besitzung, die er im Süden von Frankreich sich erworben. Er soll nicht viel Freude erlebt haben in seinem prächtigen Daheim auf Monaco. Der „Erbprinz“, vermählt mit einer Herzogin von Hamilton, lebt in fortwährendem, vor aller Welt ausgefochtenem Kriege mit den Seinen. Es ist ein ewiges Ringen gegen brutale Gewalt, die sich in ihren schlimmsten Ausartungen geltend macht. Die allgemeine Stimmung ist gegen den Prinzen, dem man das Schlimmste ganz offenkundig nachsagt. Man zwingt die Mutter, die Unbilden zu vergessen, welche der armen Frau angethan werden, die ab und zu an den häuslichen Heerd zurückkehren muß, um das einzige heißgeliebte Kind zu sehen, welches dieser ehelichen Tragödie voll verborgener Wunden, voll trockener Herzensthränen entsprossen ist.

Sonst regieren in dem Ländchen noch in vollem fürstlichen Schutz, ihr Wirken nach allen Richtungen hin entfaltend, unverfolgt und stolz – die Jesuiten! Der Spielpächter und die Jesuiten! Ein Kloster, groß und stattlich, ist der Letzteren Eigenthum, einen mächtigen Palast bewohnt der Erstere. Eine Zweiganstalt für fromme Schwestern desselben Ordens, ein Erziehungsinstitut im Sinne des Ordens, das Alles gedeiht wuchernd auf dem kleinen Fleck des Landes, den wir eben umschreiten.

Welch’ eine Pracht und Herrlichkeit liegt vor uns ausgebreitet! Vor uns das weite Meer, belebt von zahllosen Fahrzeugen, wie ein diamantglitzernder Spiegel ausgegossen. Die Wege ringsum führen durch die reichste, bunteste, südliche Vegetation. Zwischen schlanken Palmen glühen in den dunkelgrünen Beeten von Geranium tausende von hellrothen Blüthen; wie ein reichgestickter Teppich breiten sich die zahllosen Blumen an den Abhängen aus; riesige Aloen und Cacteen strecken die wunderlich bewaffneten Blätter und Zweige in die Luft; die Kletterrose rankt sich zwischen dem hellen Laub der Citronen- und Orangenbäume empor. Rechts schweift der Blick nach Italien; Frankreich breitet seine wunderbarsten Landschaften vor uns aus, ja selbst Corsika, mit seinen zerrissenen schneebedeckten Höhen, das kleine historische Elba, so wie der sagenreiche Inselfleck Monte Christo soll bei hellem Wetter sichtbar sein, ein Anblick, den mein Auge, trotz der kristallklaren Luft, vergebens suchte. Dort liegt die Gesundheitsstation Mentone, und das romantisch gelegene Roccabruna, welche der Fürst von Monaco mit Allem, was drum und dran hing, für vier Millionen an Frankreich verkauft hat, während er sich den kahlen Spielfelsblock Monte Carlo und das winzige Hauptstädtchen als fette Melkkuh im Stall behielt.

In einer Schlucht, wild romantisch, ein zauberhaft schönes Bild, liegt inmitten der tiefsten Bergeseinsamkeit ein prächtiges Kirchlein; die frühere Besitzerin der Spielbank, ich glaube Frau Riccord heißt sie, hat das Gotteshaus von dem Abfall der Millionen erbaut, welche ihr das Geschäft mit Louis Blanc eingebracht. Ueberall wachsen neue stattliche Wohnhäuser empor; man speculirt auf starken Zuzug von Abenteurern aus aller Herren Ländern, wenn die Kugeln in den deutschen Spielbädern ihren letzten Rundlauf gemacht. Dann wird Blanc der Alleinherrscher der grünen Tische Europas werden, freilich nicht, ohne daß sein fürstlicher Hauswirth bei der Pachtverlängerung sich die günstigen Chancen wird mit schwerem Golde aufwiegen lassen.

Vor der Hand wird Alles sorgfältig überwacht und ausgeschlossen, was den Interessen des Eigenthümers entgegen steht. Das sehr gemäßigte Journal de Nice ist in Monaco komischer Weise verboten, im Einzelverkauf wird nur das ultramontane Blatt le petit Marseillais und der spielbankfreundliche Figaro zugelassen. Dagegen erscheint in Nizza eine Broschüre unter dem Titel „Les misères de Monaco“. Auf dem Titelbilde hängt ein Opfer der Spielhölle zappelnd an einem Baume. Unten sind die Worte zu lesen: „Ce que l’on y gagne“ (Was man da gewinnt).

So hat das beste Streben seine Feinde und Gegner. Trotz aller Vorsicht sind diese nicht stets zu unterdrücken. Die Bank besoldet ihre Spione, ihre Spioninnen. Eine der Letzteren, eine Obristwittwe, im Genre Offenbach’s, saß an der Table d’hôte, als einer der Directionsbeamten der Bank harmlos erzählte, daß der Correspondent eines französischen Journals dem Institute schon fünfzehntausend Franken koste. Am andern Tage erhielt er von seinem Chef die bestimmte Versicherung sofortiger Entlassung, wenn er „Geschäftsgeheimnisse“ nicht besser zu wahren wisse.

Monaco und Umgegend wimmelt natürlich nicht nur von den Demimondes, sondern auch von Abenteurern jeder Art. Ein Freund erzählte mir in Bezug auf letztere folgende drastische Anekdote:

Vor einigen Tagen gab ein Magnetiseur mit einer clairvoyanten Begleiterin Vorstellungen, die sehr besucht waren. Die

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_016.JPG&oldid=- (Version vom 21.5.2018)