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verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

daselbst hervorruft. Wenn man nun annimmt, daß die aus den flüssigen Kernen der Kometen entwickelten Dämpfe die gleiche Art von Elektricität besitzen wie die Sonne, so müssen diese Dampftheilchen abgestoßen werden und, schweifartig, eine von der Sonne abgewandte Richtung erhalten. Das findet bei den Kometen in Wirklichkeit statt, wie schon der alte römische Philosoph Seneca wußte. Der sagte: „Die Kometenschweife fliehen vor den Sonnenstrahlen.“ Auch die ungeheure Geschwindigkeit, womit sich bisweilen die Kometenschweife entwickeln, hat Zöllner als übereinstimmend mit seiner Theorie nachgewiesen, sowie er nicht minder das räthselhafte Penduliren der hellen Streifen oder Sectaren in den Kometenköpfen auf eine Wirkung der Elektricität zurückführt. Ich muß aber hier von der Zöllner’schen Kometentheorie abbrechen, um nicht zu sehr in’s Fachwissenschaftliche hinein zu gerathen; wer sich darüber weiter belehren will, den verweise ich auf mein Buch „Kosmologische Briefe“.

Nach dem Mitgetheilten wird keiner der geneigten Leser der Meinung sein, auf den Kometen lebten menschenähnliche Bewohner. Selbst wenn man von dem revolutionären Zustande der rohen Materie in jenen Weltkörpern absieht, so würden schon die großen Extreme von Hitze und Kälte, welchen die Kometen auf ihrem langen Laufe um die Sonne ausgesetzt sind, die dortige Existenz lebendiger Wesen von höherer Organisation sehr bedrängen. Der große Komet von 1843 z. B. kam der Sonne am 27. Februar jenes Jahres so nahe, daß die Hitze, der er ausgesetzt war, vierundzwanzigmal stärker sein mußte als diejenige im Brennpunkte jener riesigen Glaslinse, mit welcher Parker Carneol, Achat und Bergkrystall schmolz. Während des ganzen fünfzehnten und sechszehnten[WS 1] Jahrhunderts, als derselbe Komet sich in seiner größten Entfernung von der Sonne befand, war er dagegen einer so grausenhaften Kälte ausgesetzt, daß die Temperatur unsers Nordpols dagegen als recht angenehm erscheinen muß. Dasselbe Gestirn wurde am 27. Februar 1843 siebenundvierzigtausendmal stärker von der Sonne erleuchtet als unsere Erde; zu anderen Zeiten hat es Jahrhunderte hindurch finstere Nacht.

Daß unter solchen Verhältnissen an eine Bewohnbarkeit der Kometen nicht wohl gedacht werden kann, ist klar; auch besitzen gewisse „Haarsterne“ die üble Eigenschaft, daß sie sich von Zeit zu Zeit zu zertheilen pflegen, was ebenfalls für lebendige Wesen auf ihnen eine gewisse Unbequemlichkeit mit sich bringen müßte. Solche Zertheilungen kommen bei den Kometen thatsächlich vor, der sogenannte Biela’sche Komet z. B. hat sich im December 1845 fast unter den Augen der Astronomen in zwei Theile getrennt, die gleich fix und fertig waren, wohl mit Kopf und Schwanz versehen. Beide Gestirne entfernten sich mehr und mehr von einander, so daß am 11. Februar 1846 ihre größte Entfernung bereits vierzigtausend Meilen betrug, also fast dem Abstande unseres Mondes von der Erde gleichkam. Im Spätsommer 1852 kehrten beide Kometen der Uranusberechnung gemäß zur Sonne zurück, und es fand sich, daß ihre Entfernung voneinander bereits auf dreihundertfünfzigtausend deutsche Meilen gestiegen war. Mit Interesse erwarteten die Astronomen die weitere, für uns wahrnehmbare Rückkehr im Frühjahre 1866; allein die Kometen – kamen nicht. Es ist das der erste Fall dieser Art, den man kennt. Auch im gegenwärtigen Jahre sind die Kometen nicht wieder aufgefunden worden, obgleich sie, falls vorhanden, recht wohl hätten wahrgenommen werden können. Dafür aber hat man gegen Ende November eine außerordentlich große Anzahl von Sternschnuppen gesehen, und diese Sternschnuppen gehören einem Schwarme von kleinen Meteoren an, der sich in derselben Bahn um die Sonne bewegt, welche einst der Biela’sche Komet durchlief.

Wir dürfen daher behaupten, daß unsere Erde damals die Trümmer des Biela’schen Kometen durchwanderte, die bei dieser Gelegenheit als leuchtende Meteore am Himmelsgewölbe sichtbar wurden. Unbelauscht vollziehen sich so die großartigsten Veränderungen über unserm Haupte; wie der Blumenteppich auf grüner Au, so wandeln auch die Himmel ihr Antlitz, und in dem allgemeinen Kampfe widerstreitender Gewalten beharrt allein unvergänglich das leitende Gesetz.




 Ein Wunderborn, das deutsche Herz!

 (Mit Abbildung.)

Ein Wunderborn, das deutsche Herz! Gar schwer ist’s zu ergründen,
Von seiner Lust, von seinem Schmerz der Urquell schwer zu künden.
Es schwärmt so gern, in aller Fern’ die Welten zu ermessen,
Und kann doch seiner Kindheit Stern in keiner Welt vergessen.

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Der Kindheit Stern, er wandelt mit, wohin das Ziel es locke; –

Da plötzlich hemmt den kühnsten Ritt die kleinste Abendglocke.
Aus ihren sanften Klängen webt das Heimweh seinen Schleier,
Auf dem das Herz hinüberschwebt zur Heimathabendfeier.

Und mahnet gar die Sternennacht an seiner Weihnacht Sterne,

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Dann ist im Nu der Lauf vollbracht heim aus der weit’sten Ferne.

Die Lichter glänzen allerwärts, wo Kinderstimmen locken –
So komm auch du, mein altes Herz, und laß uns mit frohlocken!

Im Waldthal schläft die graue Stadt; wie aus Urvätertagen
Sie treu ihr Bild bewahret hat, seh’ ich die Giebel ragen;

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Die Gassen noch so eng und krumm, wie ich sie einst verlassen, –

Und also schleich’ ich wiederum lustspähend durch die Gassen.

O, wie wird mir’ die Seele froh! Kein Wandel ist im Lieben!
Gottlob, die Kinder sind noch so wie ihre Lust geblieben!
Derselbe Baum, derselbe Tisch voll Christkind-Herrlichkeiten,

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Dieselben Aeuglein fromm und frisch – durch alle, alle Zeiten!


So kehr’ auch ich als Kind zurück! – Ich such’ mein kleines Bette –
Ich schlafe nicht – verschlief ja leicht des Wächters Ruf und Mette!
„Ihr Kinderlein, wacht auf, wacht auf! Lieb Christkind kommt gegangen,
Die Kirchenthür steht mächtig auf, Euch Alle zu empfangen!“

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Hui, auf! Und rasch in das Gewand, das Festgewand, das warme!

Das Kirchenlichtlein in der Hand, Gesangbuch unter’m Arme,
So ziehen wir die Gass’ entlang, ach, Vater, Mutter, Alle!
Wie heilig hallt der Glockenklang, wie strahlt die Kirchenhalle!

Da wimmelt’s in den Gassen hell, da grüßt’s von allen Seiten,

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Die hohen Dächer glänzen grell, die Erker, die beschneiten,

Der Bildstock und das Feuerfaß am Brunnen eingefroren –
Doch mich durchwärmt mit Wonne Das: „Lieb Christkind ist geboren!“

Und nun hinein in’s Gotteshaus mit feierlichem Herzen!
O, wie sieht’s da erst herrlich aus von Lichtlein und von Kerzen!

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Und wie erschallt „die neue Mär“, die uns beseligt heute:

„Vom Himmel hoch da komm’ ich her!“ – da weine ich vor Freude.

Und gar der Heimgang! Licht an Licht der Dämmerung entgegen!
Aus allen Fenstern jubelnd bricht des Christkinds Morgensegen:
Dort gucken bei dem Lichterschein und singen fromme Weisen

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Und pochen mit den Fingerlein die Kindchen bei den Greisen.


Du Wunderborn, du deutsches Herz, wie schwer auch zu ergründen,
Dich wollen wir doch allerwärts als unsern Stolz verkünden!
Du schwärmst so gern, in aller Fern’ die Welten zu ermessen,
Und kannst doch deiner Kindheit Stern in keiner Welt vergessen!

 Friedrich Hofmann.




Der Fürst und die Bürgerstochter.


(Schluß.)


In Bezug auf eine Bemerkung Pückler’s über die poesielose Nüchternheit des öffentlichen protestantischen Gottesdienstes enthält der zuletzt erwähnte Brief Marlitt’s noch eine bezeichnende Stelle. „Als Kind,“ schreibt sie, „konnte mir nichts Schrecklicheres widerfahren, als wenn meine Großeltern mich in die weißangestrichene Kirche in den beengenden Glasstuhl mitnahmen – ich langweilte mich entsetzlich, und meine ersten Eindrücke vom Gottesdienste waren demnach eher geeignet, allen Aufschwung in mir zu ersticken und mir gegen Das einen Widerwillen einzuflößen, was doch mein Halt, meine Stütze in späteren Zeiten werden sollte. Wir sind

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: echszehnten
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 842. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_842.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)