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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

Löwenthal ihren Schild neben dem der alten Reichsfreiherren aufhängen würden?

Unweit auf luftiger Höhe liegt der Pfarrhof. In ihm wohnt Pfarrer Meißner, ein ebenso liebenswürdiger als verständnißreicher Custos der Sammlungen des Meingotzhauses. Seine Vorgänger hatten gewöhnlich zwei Leidenschaften, die des Feldpredigens und des Schriftstellerns, beide wohl herrührend von kargem Mangel, denn der macht Geist und Leib beweglich. Steht’s auch jetzt nicht mehr so, vor Zeiten war die Aufsesser Pfarrei gar oft ein Hungerpastoramt, namentlich nach den schweren Leiden des dreißigjährigen Krieges. Da hatte denn Christian Kropfmüller aus Wunsiedel Recht, als er, der als Festprediger manches Jahr nach eigenem Geständniß geschlampampt und allerlei Ueppigkeit gebraucht hatte, zu seiner Reu dann „vom Saul’schen zum Paul’schen Leben“ bekehrt, zur Pön als Aufsesser Pfarr aufzog. Dagegen ging ein Pfarrherr Christian Piccart 1683 von Aufseß weg auf die fettere Weide mit den Sachsen gen die Türken. Ein anderer gewesener Feldprediger, Magister Johann Heinrich Deinel aus Plauen eröffnet den Reigen der Schöngeister als poeta laureatus; sein Nachfolger Georg Malzer konnte es auch nicht ohne Dichterlorbeer thun; 1742 kam auch noch der Pfarrer Johann Gottfried Biedermann aus Plauen als ganz artiger Schriftsteller hinzu. Den Schluß des Kranzes macht Pfarrer Lorenz Kraußold, 1831 installirt, jetzt Consistorialrath in Bayreuth, ein feiner Kopf und tüchtiger historischer Forscher. So vertragen sich Ghetto und Parnaß in dem kleinen Aufseß nahe zusammen in Frieden, gleich der aus Protestanten, Juden, Alt- und Neukatholiken gemischten Bevölkerung.

Die Zeiten liegen nicht gar ferne, da streckte sich der dichte Tann bis zu den Burgthoren hin, so daß der Burgherr mitunter bequem vom Fenster aus wohl ein frisches Wildschwein oder ein beutesuchendes Wölflein erlegen konnte. Wie der hohe Wild- und Blutbann, so schwand von der Burg der Wald, der aber immerhin in einer kleinen Viertelstunde erreicht werden kann. Trotz der alten hier und da versteckten Wolfsgruben ist seine Urwäldlichkeit dahin auf Rechnung einer geregelten Forstwirthschaft, auf die Freiherr Hans hielt. Aber einen Fleck gab’s in seinen Wäldern, da durfte die Axt nie nivellirend säubern, da wuchs Waldmeister und Farrn unter Buchen und Eichen; die Birke ragte in den Tannenbestand hinein, verschlungene Wege führten zu einfachen Sitzen unter den malerisch durcheinandergeworfenen Dolomitfelsen, an denen eine Eremitenhütte, aus Rinden gefügt, klebte. Dafür gab’s weit und breit im Revier keinen lauschigeren Schatten, dafür drang nirgends so anmuthig das Echo durch die dichten Baumkronen, dafür lohnte an keinem Orte lustiger der Amselschlag. Der Romantiker Hans nannte die waldgrüne heilige Insel die Einsiedelei.

Dahin führte er, wenn draußen der gelbe Sommer brannte, im Kreise seiner Familie liebe Gäste. Der liebenswürdige Wirth war selbst tüchtiger Musiker, auch Söhne und Töchter wurden es alle in frühen Jahren, und da gab’s denn unter den Bäumen oft prächtige Instrumental- und Vocalconcerte. Wohl huschte auch Einer der Gesellschaft plötzlich als Waldgott hinter den Felsen hervor und mit beweglichen Worten führte er einen Mummenschwank ein oder eine Komödie, die zwischen den Waldcoulissen auf einem erhöhten Felsvorsprunge meisterlich agirt wurde. Und da setzte sich denn auch der anwesende Meister Kaulbach oder sein Schwiegersohn Kreling in das Moos, und bald verkörperte sich auf dem Blatte die Gesellschaft zu einem Kreise hellenischer Götter oder noch öfter lustiger Carricaturen. Kaulbach und Kreling kehrten oft in die gastlichen Hallen ihres Freundes Hans von Aufseß ein, sie weilten darin gegenseitig anregend und angeregt. Wie manche mittelalterliche Figur, wie manche Gestalt und Idee aus der Reformation, an deren einschneidende Wirkung in Aufseß fast jeder Stein gemahnte, mag hier vor des Titanen Kaulbach stets schaffendem Geist und Griffel erstanden sein; und umgekehrt wie mag die form- und farbenreiche Phantasie Kaulbach’s den studienstrengen Ernst des torystischen Burgherren erfrischt und durchglüht haben! Noch bewahrt die Familie Aufseß ein Album wohl einzig in seiner Art, Zeichnungen Kaulbach’s und Kreling’s, die sie allein der Freundschaft und Erinnerung, dem Herzen und der Laune schufen. Die enge fruchtbare Berührung Kaulbach’s und Kreling’s mit dem Schöpfer des deutschen Nationalmuseums gäbe genug des Stoffs zu einem Buche.

Wie’s an so manchem Abend geschah, ist im Vordergrunde des Bildes (S. 808) von der Hand Kreling’s, den wir den Hausillustrator nennen dürfen, im Schloßhofe Vater, Mutter und Kind der freiherrlichen Familie an der Seite Kaulbach’s und Kreling’s vereinigt. Kaulbach, die Hauptfigur links, spricht mit kunstbegeisterten Worten, während Freiherr Hans an der Seite Kreling’s aufmerksam zuhorcht.

So wären wir nun wieder angelangt in der interessanten Burg, unter den fränkischen Ritterschlössern einer wohlerhaltenen Perle. Wir rufen ihren Zinnen Ade zu, auf den Lippen einen Wunsch, der übrigens hier wohl beherzigt wird, den Wunsch, den einst Freiherr Hans als Vermächtniß seinen Nachkommen anpries: „Erhaltet in Einigkeit die altersgraue Stammveste Aufseß und Das, was ich in Mangel größerer Mittel aus Achtung für dieselbe that, und zerstört nicht schnell in Uebermuth, was fromme Voreltern mit Mühe und Fleiß erwarben und auferbauten!“




Blätter und Blüthen.


Am Postschalter. Unter dieser Ueberschrift veröffentlichten die „Dresdener Nachrichten“ eine Belehrung so klarer und packender Art über alltägliche Vorkommnisse am Schalter, daß wir von unserem Grundsatze, Fremdes uns nicht anzueignen, sehr gern abweichen, um auch unsererseits zur größtmöglichen Verbreitung dieser postalischen Aufklärung in allen Volkskreisen beizutragen. Wir glauben, unseren Lesern damit einen sehr einträglichen Führer zur Post mitzugeben, dessen guter Rath an Deutlichkeit und zahlenfester Ueberzeugung nichts zu wünschen übrig läßt.

Nachdem der Verfasser in wenigen einleitenden Worten dargethan, wie ganz vergeblich im Generalpostamte zu Berlin des Reiches Generalpostdirector sitze und schwitze, um den lieben Deutschen die Postbenutzung immer leichter, bequemer und billiger zu machen, vergeblich, weil die meisten deutschen Menschen sich um Belehrungen und Anordnungen der Postbehörden gar nicht bekümmerten und fort und fort den alten Gewohnheiten fröhnten und gleichwohl über die Theuerniß der Post raisonnirten – ladet er uns zu einem Stündchen Gesellschaft am Schalter ein, und nun sehen wir, was die Stunde uns bringt.

Sieh, da kommt eine Bauersfrau, hat einen Brief in der Hand, an den Sohn in der Fremde gerichtet. Briefpapier kennt oder hat sie wenigstens nicht, darum hat sie einen ganzen Bogen Schreibpapier genommen, und weil der Brief weit gehen soll, ist sie mit dem Siegellack nicht allzu sparsam gewesen. – „Kostet zwei Groschen! Wiegt über 15 Gramm!“ – Nun wundert sie sich: „Aber so war’s doch am letzten Male nicht!“ – „Ja, gute Frau,“ schallt’s hinter dem Fenster hervor, „seit Neujahr haben wir neues Gewicht, da darf ein Brief nur 9/10 altes Loth wiegen und Euer vieler Siegellack kostet nun einen Groschen mehr. Wenn Ihr den Groschen nicht zulegen wollt, so muß ihn der Empfänger zahlen und einen Groschen Strafporto obendrein. Ein ander Mal kauft Euch lieber beim Kaufmann einen Bogen Briefpapier und ein Couvert mit Klebstoff (könnt das Couvert auch gleich hier auf der Post bekommen), da kommt Ihr billiger weg.“

Da kommt Einer mit einem Briefe mit fünf Siegeln, darauf steht: „Inliegend 15 Ngr.“, er ist bestimmt von Dresden nach Hamburg zu gehen. – „Kostet 7 Groschen!“ – Nicht möglich. – Doch, es ist richtig. Aber hättest Du eine Postanweisung, dann konntest Du Geld bis 25 Thaler bis an das Ende des deutschen Reichs schicken für 2 Groschen, und hattest Du mehr, oder Geheimnißvolleres zu schreiben, als was auf den Rand der Postanweisung sich verzeichnen läßt, so konntest Du ja für 1 Groschen einen Brief extra dazu schreiben, und hattest immer noch 4 Groschen profitirt – „Gut, ich will mir’s merken! Also Postanweisung ist billiger!“

Gemach, gemach! Keine Regel ohne Ausnahme! Sieh, hier bringt ein Mann eine Postanweisung über 36 Thaler von Dresden nach Freiberg, welche 4 Groschen kostet. Hätte er seine 36 Thaler diesmal in den Brief gelegt, hätte es ihm nur 2 Groschen gekostet, und er konnte noch einen ausführlichen Brief dazu schreiben. Denn die Geldbrieftaxe springt von 50 zu 50 Thaler, während die Postanweisung von 25 zu 25 Thaler steigt.

Also merke Dir: Postanweisung bis 25 Thaler kostet 2 Groschen, bis 50 Thaler 4 Groschen, gleichviel ob’s nach dem etwa eine Stunde von Dresden entfernten Blasewitz, nach Köln oder Königsberg geht Dagegen Geldbriefe, welche – was gleichfalls noch viel zu wenig bekannt ist – bis ½ Pfund wiegen dürfen, ohne deshalb mehr zu kosten, haben folgenden Preis:

  bis 5, bis 15, bis 25, bis 50, über 50 Meilen:
bis 150 Thaler 2½ Groschen, 12½  Gr., 4, Gr., 5, Gr., 7 Gr.
bis 100 13½  ., 5, 6, b 8 b

Als Regel gilt also kurz: Für wenig Geld und kurze Entfernung ist Postanweisung billiger; für größere Summen und kurze Entfernung ist Briefsendung vorzuziehen. Wie bequem ist aber doch die Postanweisung gemacht! Kein Briefbogen, kein Kreuzcouvert, kein Siegellack, keine großen Höflichkeitsformen sind nöthig, die so viel Zeit und Tinte kosten; knapp und kurz kannst Du Dich fassen, wie in einer telegraphischen Depesche! Kein Ausreden giebt’s, daß das Geld nicht richtig angekommen sei, daß Du Dich verzählt haben müßtest beim Einpacken, oder daß Du gar wilde Cassenscheine geschickt hättest! – Das haben nun auch andere Länder eingesehen, darum haben sie auch Stephan’s Erfindung

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 811. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_811.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)