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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

heiliger Scheu die jugendliche Heldin mit ihren blonden Locken und ausdrucksvollen hellen, blauen Augen und den schönen geistvollen Gesichtszügen an, wie dieselbe in eleganter Kleidung an der Brüstung des Dampfers dasaß und ruhig nach den am wüsten Ufer liegenden Wigwams hinüberblickte, wohin sie sich ganz allein begeben wollte, ein Unternehmen, vor welchem mancher bewaffnete einzelne Mann zurückgebebt sein möchte.

Von einem Mitreisenden erfuhr ich, daß jene junge Amerikanerin schon früher in dieser Gegend gelebt habe und von den Indianern förmlich vergöttert werde. Diese haben nämlich eine große Vorliebe für blonde und blauäugige weiße Frauen und auch für ebensolche Kinder. Oft kommt es vor, daß Indianersquaws es versuchen, ihre Säuglinge gegen blonde kleine Kinder der Weißen auszutauschen; ein wohlhabender Indianer wird jederzeit gern ein Paar Ponies hergeben, um einen solchen annehmbaren Tauschhandel in seiner Familie zu Wege zu bringen.

Etwa fünfunddreißig englische Meilen oberhalb der „Dallesfälle“ legte unser Dampfer am rechten Ufer, im Territorium Washington, an, wo ich in einiger Entfernung ein Indianerlager bemerkte. Mehrere mit Matten und Fellen bedeckte Zelthütten, aus denen nach indianischer Bauart die Stangen oben verkreuzt emporragten, standen am Strande, wo eine Anzahl von Ponies frei umherlief. Am Flusse waren einige Indianer mit Fischfang beschäftigt. Nackte Kinder kamen eilig aus dem Gestrüpp hervor. Squaws traten aus den Hütten, ihre Säuglinge in Korbgeflechtwindeln auf dem Rücken tragend, und Alle blickten erregt nach dem Dampfer hinüber, dessen Landen sie offenbar nicht wenig in Erstaunen versetzte. Die Gegend war hier entsetzlich wild und öde; nirgends vermochte ich eine Spur von einer Ansiedlung oder Wohnung der Weißen zu entdecken.

An dieser Stelle ward auf ihren Wunsch unsere Heldin nebst ihrem Reisekoffer am sandigen Ufer ausgesetzt. Die Schiffsplanke wurde wieder eingezogen, und schnell entfernte sich der Dampfer und ließ jene ganz allein auf der Sandbank zurück, von wo sie zu Fuß, oder im günstigsten Falle auf einem indianischen Pony reitend, nach der volle drei Meilen entfernten, in der Wildniß liegenden „Ranch“ ihres Vaters gelangen wollte. Sie winkte den Indianern, welche langsam näher kamen und sie, als unser Dampfer schon ziemlich weit entfernt war, erreichten und sich um sie drängten. Die Aufregung auf unserem Schiffe war groß. So etwas war selbst den seit vielen Jahren diese unwirthlichen Gegenden durchstreifenden und an alle Arten von Abenteuern gewöhnten Grenzern, Jägern und Minern noch nicht vorgekommen! – Dort stand die kühne jugendliche Amerikanerin in der eleganten Kleidung und mit den hellen, auf ihre Schultern herabfallenden Locken in stolzer Haltung ganz allein am öden Ufer unter der wilden Bande, wie eine Märchenprinzessin unter Räubern und Zigeunern, grüßte uns zum Abschied mit flatterndem Tuche und unterhielt sich, lebhaft gesticulirend, mit den Indianern. Der einsam auf der sandigen Uferbank daliegende feine Reisekoffer bildete die Seitenstaffage zu dem überaus interessanten Bilde. Alle an Bord befindlichen Ferngläser waren nach der Gruppe hingerichtet, als der Dampfer weiterfuhr, und wir folgten aufmerksam den Bewegungen der jungen Heldin und ihrer wilden Begleiter, bis eine Uferkrümmung jene unseren Augen entrückte.

Freundliche Leserinnen der deutschen Gartenlaube, ich will es euch überlassen, der fremden Schwester in Gedanken durch jene Bergwüste am fernen Columbia zu folgen, nur geleitet von den wilden Smocholla-Indianern und vielleicht ihrem Propheten selber, und euch das freudige Wiedersehen der Eltern und ihres geliebten Kindes auszumalen. Möge ein guter Engel Jene durch alle Gefahren der Wildniß sicher an das Lager ihrer kranken Mutter geleiten und das Glück des Wiedersehens dieser die Genesung bringen!

Dampfer „Oneonta“, auf dem unteren Columbia, am 1. October 1872.

Theodor Kirchhoff.




Kleine Sammlung von Scherzräthseln. Karl Simrock hat unter dem Titel „Das deutsche Räthselbuch“ zwei Sammlungen deutscher Volksräthsel, zumeist Scherzräthsel (zusammen 692), herausgegeben, wozu ich hier eine kleine Nachlese von solchen füge, die ich in Umlauf gefunden, ohne sie in jener Sammlung zu finden.

Mises.

11) Wie viel Schwänze hat eine Katze?

12) Warum kann der Kater kein Hausbesitzer sein?

13) Wenn der Eimer Wein à 90 Flaschen 10 Thaler kostet, was macht die Flasche?

14) Was ist Vaters Kind, Mutters Kind und doch keines Menschen Sohn?

15) Welche Namen sind die besten?

16) Wenn Europa in der Mitte durchrisse, wer würde es am besten flicken können?

17) Welche Gesellschaft von Thieren ist die reinlichste?

18) Welches Wesen giebt seine Rührung durch lauten Spectakel zu erkennen?

19) Wer es hat, ärgert sich, wer es verliert, ärgert sich noch mehr und wer es gewinnt, hat es nicht mehr.

10) Welcher Unterschied ist zwischen dem Satze: zwei Mal zwei ist vier, und einer sauren Gurke?

11) Welcher Unterschied ist zwischen einer rothen Nase und einer Krupp’schen Kanone?

12) Steht’s, so geht’s, geht’s, so steht’s.

13) Trinken die Franzosen lieber Thee oder Kaffee?

14) Wie sagt man mit einem lateinischen Worte zu einem jüdischen Hauswirthe, daß man ausziehen will?

15) Wie sagt man mit einem lateinischen Worte zum Schneider, daß er den Rock wenden soll?

16) Wie muß man einen Hund nennen, wenn man ihn zu einem traurigen Gebell veranlassen will?




Friedrich Spielhagen in neuer Ausgabe. Anknüpfend an den augenblicklich durch unsere Zeitschrift laufenden neuesten Roman Spielhagen’s „Was die Schwalbe sang“ und zugleich den mehrfach an uns ergangenen Anfragen über die früheren Arbeiten dieses Autors entsprechend, machen wir an dieser Stelle darauf aufmerksam, daß Spielhagen’s „Sämmtliche Werke“ in einer vom Verfasser durchgesehenen billigen Ausgabe (11 Bände, in 56–58 Lieferungen à 6 Ngr.) bei L. Staackmann in Leipzig im Erscheinen begriffen sind. Spielhagen’s hervorragende Bedeutung im Zeit- und Sittenromane ist längst allgemein anerkannt worden. Was ihn vor anderen Schriftstellern gleichen Genres auszeichnet, das ist, wie bereits oft gesagt, in erster Linie seine gründliche Kenntniß der modernen Gesellschaft in allen ihren Schichten, besonders aber der Frauenwelt. Seine Menschen, zumal die der „Problematischen Naturen“ und einiger seiner Novellen, tragen das Roth des wirklichen Lebens auf den Wangen und kennzeichnen sich durch zahlreiche kleine Züge, die der Dichter ihnen gegeben, mit so großer Anschaulichkeit als die Vertreter dieser oder jener Gesellschaftsclasse, daß der Leser sich selbst in die Kreise versetzt glaubt, in denen sie heimisch sind. Namentlich die vornehme Welt – der pommersche und rügensche Adel in erster Linie – mit allen ihren von Alters her überlieferten Standesvorurtheilen und hohlen Gesellschaftsformen weiß der Dichter mit seltener Lebenswahrheit zu schildern.

Spielhagen’s Styl ist ein höchst elastischer, seine Darstellung eine spannende, oft von glühender Sinnlichkeit erfüllte. In Bezug auf ihren geistigen Gehalt beweisen seine Werke stets ein tiefes Verständniß für die das Jahrhundert bewegenden Ideen und zwar sowohl in politischer wie socialer, in sittlicher wie philosophischer Beziehung. Was endlich die technische Composition der Werke Spielhagen’s betrifft, so sind sie meistens künstlerisch abgerundet, leiden aber bezüglich des Zuschnittes der Handlung hier und da an einer gewissen Einförmigkeit der Motive und Situationen. Möge das deutsche Volk in dieser neuen Ausgabe der Spielhagen’schen Werke das zu schätzen wissen, was es in ihnen wirklich besitzt, eine Reihe von geistig bedeutenden Dichtungen aus der modernen Gesellschaft.




Kleiner Briefkasten.

B. in R. Die Frage, was mit dem Inhalte der Schleußen und Canäle zu machen, ist längst schon eine sehr ernste geworden, eine Frage, an deren Lösung Stadt und Land in gleichem Maße betheiligt sind und zwar die Stadt und das unter ihr liegende Land hauptsächlich in medicinischer, der Landbau zugleich in wirthschaftlicher Hinsicht, insofern es gelingt, jene Abfälle der Städte für ihn nutzbar zu machen und so einen gewissen Kreislauf zwischen Production und Consumtion zu erzeugen. Ein Blatt wie die Gartenlaube hat eine Art von natürlicher Pflicht, solche Fragen in’s Auge zu fassen und, wo sich irgend etwas bietet, was zu deren Lösung beitragen könnte, darauf wenigstens hinzudeuten. Diese Pflicht erfüllend, machen wir auf mehrere Abhandlungen über jene Cloakenfrage aufmerksam, die bisher in verschiedenen Zeitschriften, namentlich ausländischen, verstreut waren, nunmehr aber in einer neuentstandenen landwirthschaftlichen Zeitschrift zusammengetragen und in zweckentsprechender Verkürzung wiedergegeben sind. Wir meinen das „Centralblatt für Agriculturchemie und rationellen Wirthschaftsbetrieb“, ein referirendes Organ für naturwissenschaftliche Forschungen in ihrer Anwendung auf Landwirthschaft, herausgegeben von Dr. R. Biedermann, Leipzig, ein Blatt, das wir wegen seines interessanten und brauchbaren Inhaltes hierdurch namentlich den Herren Landwirthen bestens empfohlen haben wollen. Die bezeichneten Aufsätze über Cloaken etc. finden sich daselbst in den Heften 3–5, 7–10 des ersten (in zwei Halbbänden erscheinenden) Jahrganges 1872.

Ad. M. in R. Auf Ihre Anfrage, betreffend den verzögerten Abdruck der von uns in Nr. 39 dieser Zeitschrift angezeigten Erzählung Der Loder von Herman Schmid, die kurze Mittheilung, daß dieselbe wegen ihres wider Vermuthen sehr gewachsenen Umfanges nicht mehr innerhalb des laufenden Quartals erledigt werden und deshalb erst im nächsten Jahrgange erscheinen kann.

W. in M. bei P. Für Ihre Zwecke am geeignetsten möchten A. Grün’sGoethe’s Faust, Briefwechsel mit einer Dame“ und Fr. Kreyßig’s „Vorlesungen über Goethe’s Faust“ sein.




Im Verlage von Ernst Keil in Leipzig ist soeben erschienen:

Georg Horn,


Bei Friedrich Karl.


Bilder und Skizzen aus dem Feldzuge der Zweiten Armee.


2 Bände. 8. Elegant broschirt. Preis 3 Thaler.


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 780. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_780.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)