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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

den Beschwörungskreis und zeichne ebenso viele Figuren des dem Geiste Klaunsch gewidmeten Symbols, als du Münzen willst. Bringe darauf alle diese Münzen in ein Rohr und singe dann die Beschwörungsformel.“

Bei diesem Passus stockte die arabische Uebersetzung. Die Beschwörungsformel stand nur im lateinischen Manuscript. Sie war jedoch nicht lateinisch, obgleich mit lateinischen Buchstaben geschrieben, sondern ein heilloses Wischiwaschi, das wahrscheinlich ursprünglich ein verdorbenes Hebräisch sein sollte. Von einer Uebersetzung konnte deshalb meinerseits natürlich nicht die Rede sein. Es blieb mir nichts übrig, als die starre Formel mit arabischen Buchstaben zu schreiben und sie dem Magier vorzusprechen, bis er sie richtig wiederholen konnte. Solche Formeln brauchen ja nicht von den Menschen verstanden zu werden; wenn sie nur die Geister hören, das genügt. Jussuf war ganz meiner Ansicht. Er meinte, das sei eben die Geistersprache und Klaunsch werde ihn wohl verstehen.

Nun kam aber das Schwierigste, die Instruction fuhr fort: „Wenn du die Beschwörungsformel mehrere Male abgesungen hast, so lege dich auf ein Ruhebett, bleibe dort eine Stunde liegen, ohne jedoch im Geringsten an die Münzen zu denken. Gelingt dir dies, so findest du beim Aufstehen ebensoviel Münzen, als du Pergamentkreise geschnitten hast.“ Die Bedingung, nicht an die Münzen zu denken, schien mir sehr schlau erfunden. Sie konnte im Fall des Mißlingens natürlich dem Magier die beste Entschuldigung liefern. So, dachte ich, würde zum Beispiel die alte Frau, welche auf Verwandlung ihrer Papierschnitzel in Geld erpicht war, es schwerlich über sich bringen können, eine Stunde lang alle Gedanken davon zu unterdrücken, und wenn sie es selbst vermochte, wer konnte den Magier Lügen strafen, wenn er die Ausrede gebraucht, sie müsse denn doch an das Geld gedacht haben? Ich machte mich also bereits darauf gefaßt, einem Schwindel beizuwohnen, aus dem der Magier vermittelst dieser Hinterthür unbescholten hervorgehen würde. Diesmal war solches jedoch nicht der Fall.

Die Probe fand also statt. Die Papierschnitzel waren bereits geschnitten und Alles vorbereitet bis zum Absingen der Beschwörungsformel. Beim Ziehen des Zauberkreises entwickelte der Adept den ganzen Apparat gravitätischer Pantomimen, die das Herz des Beschauers mit abergläubischem Schreck füllen. Er sah dabei so übermenschlich erhaben aus, daß man nicht umhin konnte, die gelungene Darstellung zu bewundern. Weniger gut ging das Recitiren der Zauberformel. Dieser Hocuspocus war doch dem Araber zu fremdartig. Nahmen sich die Worte auf dem Papier schon wie ein heilloser Galimathias aus, so bekamen sie durch die Aussprache vollends etwas Tollhäuslerisches. Endlich war auch dies vollendet, und nun wurde der alten Mekkanerin bedeutet, sie müsse sich im Nebenzimmer eine Stunde lang auf’s Bett legen und dabei sich wohl hüten, an die Münzen zu denken. Die Alte hörte diese Vorschrift mit jenem Stoicismus an, dessen blindgläubige Adeptenjünger fähig sind. Sie glaubte steif und fest an die Macht des Wundermannes. Ob es ihr gelang, wirklich alle Gedanken an den innigsten Wunsch ihres Herzens zu verscheuchen, war natürlich nicht zu sagen. Aber sie behauptete es wenigstens, als sie nach einer Stunde aus ihrem Versteck wieder auftauchte. Unser erster Schritt war natürlich zu den Papierschnitzeln. Welche Ueberraschung! Als das Tuch aufgehoben wurde, welches vorher die Pergamentskreischen bedeckt hatte, sahen wir zu unserem Erstaunen statt derselben wirkliche Münzen. Sie waren freilich nur von Kupfer und ich erfuhr, daß Jussuf der Alten, schon ehe ich gekommen war, gesagt habe, sie müsse zuerst mit diesem unedeln Metall anfangen und dann zum Silber und später erst zum Golde vorschreiten, d. h. beides immer nach gehörigen Intervallen von einem oder zwei Monaten, denn die Geister liebten es, die Geduld der Menschen zu prüfen. Davon stand freilich nichts im Zauberbuche. Aber es war so sehr im Interesse des Adepten und er hatte es seinen Bewunderern so plausibel gemacht, daß beide Theile vollkommen befriedigt schienen. Die Alte würde freilich ganz dasselbe Resultat erlangt haben, hätte sie einen oder zwei von den vielen Thalern, die sie dem Adepten gespendet, an einer Wechselbank in klein Geld umgesetzt. Aber ihr blieb die Hoffnung, bald einmal an Stelle der Pergamentkreischen Goldstücke zu sehen, und so war diesmal der Erfolg des Adepten vollkommen.

Ich sah diesen Adepten nicht wieder, weiß also nicht, wie er sich das zweite und dritte Mal aus der Patsche zog. Daß er aber sein Geschäft sehr fruchtbringend zu machen wußte, geht daraus hervor, daß, wie mir ein Araber aus Dschedda sagte, den ich zufällig später in Aegypten traf, er nun als reicher Mann dastehen soll. Wahrscheinlich hatte die Alte und andere auf ähnliche Art Angeführte den Säckel des Wundermannes gefüllt.

Indessen sind nicht alle Jünger der edlen Goldmacherkunst so glücklich, wie Jussuf, daß sie dadurch reich werden. Auch sind sie nicht alle der Magie in so ausschließlichem Grade ergeben, wie er, sondern die meisten befassen sich mit Alchymie und rufen nur hier und da die Vermittelung des Geistes zum Gelingen des großen Werkes an. Darin gleichen ihm übrigens fast Alle, daß sie ihre Opfer auf die unverschämteste Weise betrügen. So groß ist die Glaubensbedürftigkeit der Araber, daß sie sich nicht an die augenfälligsten Widersprüche im Leben ihrer Lieblingsadepten stoßen. Diese Leute sind nämlich meist bettelarm und leben von Almosen, wenn sie nicht ganz so unverschämt im Schwindeln sind, wie Jussuf. Wenn man sie aber hört, so sind sie vor allen Sterblichen mit Glücksgütern gesegnet. Sie haben schon ganze Säcke voll Gold gezaubert und Städte, Stämme, Fürsten mit Reichthum überhäuft. Einige von ihnen besitzen auch das Lebenselixir, welches aus trinkbarem Golde bestehen soll. Sie selbst jedoch scheinen davon keinen Gebrauch zu machen, denn es sind meist höchst verwitterte Greise, bei denen eine Verjüngung gewiß nicht übel angebracht wäre. Eine ihrer Eigenthümlichkeiten ist auch die, daß sie es nie lange an einem und demselben Orte aushalten können, ganz wie die europäischen Adepten des Mittelalters, die auch von Fürst zu Fürst, von Stadt zu Stadt wanderten, überall sich Geld zum „großen Werk“ geben ließen und dann gewöhnlich im letzten Augenblick, wo man eben das Gelingen erwartete, unsichtbar wurden, um bald an einem andern Orte, aber einem recht entfernten, wieder aufzutauchen.

Einen solchen alchymistischen Landstreicher lernte ich eines Tages in Aden kennen. Er hieß Mohammed el Higazi, wurde aber gewöhnlich nur der „Golddoctor“ genannt. Dieser war sehr leicht zugänglich. Als ich ihn aus Neugierde besuchte, nahm er mich sehr freundlich auf, denn er vermuthete natürlich in mir einen Kunden, und zwar den Erstling unter den Europäern. Bisher hatten sich nämlich, wie er mir klagte, die Engländer in Aden leider stets fern von ihm gehalten.

„Es fehlt ihnen an Glauben,“ meinte er, „und der Glaube ist doch das kostbarste der Güter.“

Solche Leute scheinen immer den Glauben an ihre Kunst für ebenso heilig und ebenso nothwendig zu halten, wie den an die Religion. Ja, bei den Meisten sind Beide gar nicht zu trennen. Der Golddoctor fing damit an, mir seine Retorten zu zeigen. Er besaß deren eine höchst anständige Zahl, einige von den wunderlichsten Formen. Das Wichtigste war jedoch eine kleine Dose, auf die er geheimnißvoll mit dem Bedeuten zeigte, daß sie das „Goldpulver“ in sich berge. Mit diesem Goldpulver brauchte man nur ein unedles Metall zu bestreuen, es dann in der Retorte flüssig zu machen und man hatte es in Gold verwandelt. Ich war natürlich neugierig, eine Probe zu sehen. Dazu wollte sich jedoch der „Golddoctor“ nicht eher verstehen, als bis ich ihm einige Vorschüsse gemacht hatte. Uebrigens waren diese nicht bedeutend, denn der Goldkoch war sehr arm und ein kleines Sümmchen genügte, um ihn glücklich zu machen.

Diese ewige Armuth bei Leuten, die „Gold machen“ können, sollte doch endlich einmal das Mißtrauen ihrer Kunden erregen. Ich war begierig, zu erfahren, welche Entschuldigung unser Goldmann denn dafür anführen könne. Er wußte aber eine ganz plausible: Einmal sei es ihm nur gestattet, Gold zu machen, wenn er vorher die Geister versöhnt habe, und dies könne nur mit Geschenken geschehen. Dazu die Vorschüsse. Dann dürfe er seiner eigenen Sicherheit wegen nicht im Besitz von Reichthümern bleiben; die Araber seien so geldgierig, daß sie ihn, wenn sie ihn im Besitz großer Summen wüßten, gewiß todtschlagen würden. So bleibe ihm nichts übrig, als Gold für Andere zu machen und von dem Macherlohn zu leben. Andere Adepten brauchen die Ausrede: Es sei ihnen nur gestattet, so viel Gold zu machen, als zu ihrem Lebensbedarf nothwendig. So lebt der Adept in steten Tantalusqualen. Er sieht die goldenen Schätze stets vor sich, aber in seine Hände kommen sie niemals.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 758. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_758.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)