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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

meinem sündigen Willen, dies in meiner Gegenwart geschehen lasse; meine Kräfte kehrten zurück, ich eilte mit großen Schritten aus der Thür, sie sorgfältig hinter mir verschließend. Vor Schrecken noch zitternd, beschied ich sofort meinen Secretär und meine Vicarien zu mir, um ihnen die nöthige Macht zu verleihen, damit sie an meiner Stelle die Beschwörung verrichten könnten; aber andererseits sagte ich zu mir selbst: „Wie! sollte ich so feigherzig sein können, mich in meiner eigenen Wohnung besiegen zu lassen? Nein!“

Und selbst habe ich alsdann die Beschwörung unternommen; mir wurde dabei durch meinen Secretär und meine Vicarien beigestanden; das Resultat hiervon war blos, daß des Teufels Macht geschwächt und daß das Mädchen wieder beruhigt wurde. Der Teufel hatte sich vorgenommen, den folgenden Tag dem Mädchen viele Leiden zu bereiten; ich verbot ihm solches, worauf er mich bedrohte, indem er sagte: „O, das werde ich Euch anschreiben!“

Ich bestimmte den folgenden Sonntag (8. Mai) zur Ausführung der weiteren Beschwörung, welche nach der Vesper, Abends fünf Uhr, stattfinden sollte. Der Teufel hatte mir gedroht, daß er es mir entgelten wolle, und in der folgenden Nacht that er solches wirklich. Er hat mich Qualen ausstehen lassen, welche ich bis dahin nicht gekannt; Alles verdunkelte sich um mich und mir erschien es, daß ich den Glauben verlieren würde; mich überfielen Anfälle von Verzweiflung und Mißtrauen auf Gott, welche mich noch erschrecken und erschüttern; ich fühlte, daß der Teufel in Wahrheit in meiner Behausung sich befand, und wirklich hätte ich die Stelle, wo er war, mit meinem Finger bezeichnen können, so lastete auf mir seine Gegenwart.

Ich war schon im Begriff, Hülfe zu rufen, that es aber nicht; also ging endlich diese ängstliche Nacht vorüber und ich konnte freier Athem schöpfen, jedoch blieb mir noch die Furcht bis zum folgenden Sonntag. Dieser Tag kam und zufällig langte auch denselben Tag König Wilhelm der Zweite in Luxemburg an, welcher mich gerade um fünf Uhr (festgesetzte Beschwörungsstunde) zum Diner einladen ließ; ich war darüber sehr vergnügt und betrachtete dies als eine göttliche Schickung, welche nicht erlaubte, daß ich in dieser Sache thätig sein sollte.

Ich beauftragte deshalb damit sieben oder acht Priester, „sub praecepto obedientiae“, d. h. indem ich sie zum Gehorsam verpflichtete, weil sie schauderten, die Sache in’s Werk zu setzen. Denselben Sonntag begannen sie in der festgesetzten Stunde ihre Beschwörung, das davon unterrichtete Volk war außerhalb der Kirche und betete. Der Teufel verspottete und beschimpfte die Priester auf allerlei Art und Weise und während der Beschwörung brüllte er wie ein Löwe; da indessen die Priester nichts über ihn gewinnen konnten, wurden sie betrübt und sehr muthlos und ließen mich zu verschiedenen Malen rufen. Um acht Uhr konnte ich erst kommen, und als ich mich bis auf fünfzig Schritte der Kirche genähert hatte, hörte ich bereits das abscheuliche Gebrüll des Teufels; als ich in die Kirche kam, wurde das Mädchen mit Kraft über die Brustlehne des Chors geworfen und fiel mit einer schrecklichen Gewalt auf die harten Steine der Kirche nieder, man dachte, daß alle Knochen des unglücklichen Geschöpfes zerschmettert sein würden, sie befand sich aber unverletzt; die Priester holten sie zurück und schleppten sie mit ihren Stolen zum Chor zurück; beständig trachtete der Teufel, sich den Stolen zu entreißen, aber man hielt ihn darin gefesselt. Als ich in das Chor eingetreten, sah ich das gräßliche Gesicht mit funkelnden Augen. Als der Teufel mich sah, rief er aus:

„Ach! Dieser wird mich verjagen, denn er ist weiß und ich bin schwarz!“

Ich antwortete ihm: „Nein! ich bin nicht weiß, ich bin ein armer Sünder! Du bist schuld daran, Du hast unsere Stammeltern verführt; ich bekenne, ein Sünder zu sein; Du aber bist voller Hochmuth; Du gestehst nicht, daß Du schwarz bist!“ Der Teufel ward hierdurch beschämt.

Ich begann die Beschwörung wieder, jedoch mit vieler Mühe, denn alle die vorigen Anfälle von Verzweiflung und Mißtrauen auf Gott erneuerten sich in mir. – An diesem Tage richtete ich meine Frage in Hochdeutsch an den Teufel. Das Mädchen redete von Zeit zu Zeit ihre gewöhnliche Sprache, wenn aber der Teufel sprach, so waren ihre Lippen unbeweglich und seine Stimme war von der ihrigen gänzlich verschieden. – Während der Beschwörung verkroch sich der Teufel verschiedene Male in das tiefste Innere des Mädchens, worauf sich wirklich ihr natürliches Gesicht zeigte, mit demselben engelgleichen Ausdrucke; dann flehte sie stets zur heiligen Jungfrau und rief mir zu: „Geht fort! ich bitte Euch, geht doch fort!“

Wir lasen alsdann die Litanei aller Heiligen und bei den Worten: „Sancte Michaëlis,“ wurde die Besessene auf das Lebhafteste beunruhigt; ihr Angesicht war eisig kalt; der Teufel wieherte und schäumte vor Wuth; verzweifelnd begann er auszurufen: „Der Erzengel hat mich aus dem Himmel verjagt und doch bin ich auch Erzengel, so gut wie er.“

An diesem Tage wollte der Teufel mein ganzes verflossenes Leben veröffentlichen, ich zwang ihn aber zum Schweigen; er versuchte solches von Zeit zu Zeit von Neuem, aber ein männlicher Befehl leistete ihm Widerstand. Als endlich meine Geistlichen und ich sehr abgemattet waren, versuchte ich, es heute zu Ende zu bringen; ich beschwor den Teufel, augenblicklich abzuziehen, und daß die ganze katholische Kirche durch das „Angelus“ die Fleischwerdung des Wortes verehre; aber der Teufel begann zu spotten und zu lachen: „Ha! ha!“ rief er aus, „für heute ist es zu spät!“ – und wirklich, das „Angelus“ war schon vor einer Viertelstunde eingeläutet. Ich merkte mir ganz besonders das Wort „für heute“ und gedachte ihn beim Angelus des folgenden Tages auszutreiben; ich fragte ihn wohl zwölfmal deshalb, denn er machte jedesmal bei meinen Fragen ein großes Geräusch, um mich nicht zu hören, wodurch ich genöthigt wurde, meine Frage zu wiederholen: „warum er denn heute nicht abziehen und um welche Zeit er von dannen gehen wolle?“ Hierauf antwortete er endlich verschiedene Male: „Nein! heute nicht.“ – Ich fragte ihn: „Wann denn?“ worauf er mir wiederholt zurief! „Nein, heute nicht!“ Endlich rief er voller Raserei aus: „Morgen! morgen um neun Uhr! Aber ich werde sie noch quälen; ich werde sie eine schreckliche Nacht zubringen lassen.“

Ich gebot ihm, das Mädchen in Ruhe zu lassen; darauf kehrte er seine wüthenden Blicke gegen mich und rief mir drohend zu: „Dann werde ich Dich diese Nacht quälen!“

Diese Nacht war mir fürchterlich, ja noch ärger als die erste. – Des andern Tags um sieben Uhr begannen wir wiederum von Neuem und ersuchten das außerhalb der Kirche versammelte Volk, den Rosenkranz zu beten, damit das Mädchen weniger leide; ich that an diesem Tage die Fragen alle in lateinischer Sprache, weil sie alsdann nicht wußte, was sich mit ihr zutrug, und ihr die Antworten des Teufels unbekannt blieben. Ich war an diesem Tage des Teufels genugsam Meister; muthlos, mit niedergebeugtem Haupte lag er auf dem Boden; nichtsdestoweniger sah man seitwärts noch glühende Strahlen wie Flammen aus seinen Augen schießen.

Im Chor befanden sich auch die Schwestern der Besessenen, welche nebst einer andern bejahrten Frau beteten. Der Teufel war wüthend, diese Frau bei sich zu sehen; von Zeit zu Zeit wandte er sich ihr zu, spuckte nach ihr und rief: „Geh’ fort, Gottlose! was thust Du hier? Geh’ fort, Gottlose!“

„Geh’ selbst von dannen!“ antwortete die Frau. „Geh’ in die Hölle! brenne!“

Ich legte nun ein Kreuz auf das Haupt der Besessenen; dieses Kreuz enthielt ein Stückchen vom wahren Kreuze. Der Teufel, hierdurch ganz zerschmettert, rief aus: „O! man brennt mich! man schneidet mich! man durchkneipt mich!“

Der böse Geist theilte dem Mädchen mit, was vorging; sie konnte nichts sehen, rief aber aus: „O heiliges Kreuz, ich bete dich an!“

Alsdann befahl ich dem Teufel, den Herrn anzubeten und seine wirkliche Gegenwart im heiligen Sacramente des Altars zu bekennen; er that solches auch, sich sehr tief verbeugend, welches ihm viele Mühe kostete. Er sagte, von dem Herrn sprechend: „O dieser Jude! Galle hätte er trinken müssen!“ Er sagte dies mit solchem spottenden Tone, daß wir Alle schauderten.

Oft beteten wir das „Gloria patri“, welches dem Teufel viele Qualen verursachte, und als wir das „Sanctus“ beteten, verfiel er in eine schreckliche Raserei. Ich sagte ihm alsdann: „Hochmüthiger Geist, Du hast Deinen eigenen Willen angebetet, aber man hat Dich in die Tiefe der Hölle gestürzt; diesen Lobgesang, ‚Sanctus! Sanctus! Pleni!‘ etc. hättest Du in alle Ewigkeit im Himmel singen müssen.“ Dies ließ ihn wie ein Löwe brüllen; alsdann sangen wir die „Litanei unserer lieben

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