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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

mögen deren über fünfzig sein; die Körbe haben einen Lederüberzug, und an jedem hängt ein kleines Stück Pappdeckel, auf dem von des Kaisers eigener Hand geschrieben steht, welche historische Bedeutung die Waffe im Allgemeinen, und welche sie für ihn speciell habe. Eigenthümlich ist auch eine Pyramide von Spazierstöcken, von denen jeder einzelne für den Besitzer eine Erinnerung sein mag an Personen, von denen sie ihm verehrt, an Orte, wo sie im Gebrauch gewesen sind. Daneben steht ein

Denkmal für Freiherrn von Stein bei Nassau.
Nach einer Photographie.

polirter Schreibtisch mit einem etageförmigen Aufsatz. Er hat als solcher ausgedient, seine Fächer dienen nur noch als Platz für mehrere Uhren in Etuis und eine große Anzahl von Ordensdecorationen, auf deren Etuis von des Kaisers eigener Hand die Namen derselben aufgeschrieben sind. Auf dem mittleren Aufsatze erhebt sich jene Gypsbüste der Königin Louise, die, nach ihrer Todtenmaske angefertigt, das edelste der Frauenbilder in einer dichten Umhüllung von Flor darstellt. Am Morgen ist es das Bild des Vaters, welches dem Kaiser an seinem Schreibtische entgegentritt, am Abend ist es das der Mutter, deren Andenken ihm in die Ruhe der Nacht nachfolgt, und die Hand des Sohnes hat auf ihr Haupt einen Kranz von Lorbeeren gelegt.

Sonst hat das Schlafzimmer des Kaisers nur noch einige einfache Geräthe; in der Nische des Fensters stehen einige Toilettegegenstände und Vorrichtungen, in der Ecke daneben ein kleiner auseinander zu klappender Waschtisch mit einem weißen Blecheinsatze und einer Waschschüssel von weißem Porcellan. An die grüne Wollengardine ist der Theaterzettel und darüber eine alte, sehr einfache Taschenuhr angesteckt. Ein Beweis, wie pünktlich der Kaiser in allen Dingen ist, wie treu und sorgsam er seine Zeit wahrnimmt, sind die Uhren an den verschiedenen Stellen des Schlafzimmers; auch über seinem Bette hängt eine solche, unmittelbar unter dem aus Holz geschnitzten Bilde des Gekreuzigten. Sie muß jedenfalls für den Kaiser einen hohen Werth haben. Wie fände sie sonst, schlicht und materiell werthlos, wie sie ist, hier einen Platz? Das Bett selbst, in dem der Kaiser seine Ruhe hält, steht in einer Nische, dem Fenster gegenüber; es ist von polirtem Holze und von jener Form, die vor etwa vierzig Jahren modern war, dabei schmal, wie alle Berliner Betten, und von einer grünseidenen Steppdecke überbreitet. Der Kaiser hat die Gewohnheit, mit dem Kopfe hoch zu schlafen. Neben dem Bette befindet sich ein mit einer Wachstuchdecke

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 490. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_490.jpg&oldid=- (Version vom 2.8.2020)