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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

Was die fashionablen Kirchen New-Yorks anbetrifft, so genügen allerdings die an denselben angestellten Prediger der Regel nach, was äußeres Auftreten so wie Form der Reden anbetrifft, jeder billigen Anforderung. Will ein Fremder in möglichst kurzer Zeit ein gutes Englisch lernen, so kann man ihm nur zu einem regelmäßigen Besuche dieser Kirchen rathen. Dagegen wird er schwerlich aus den Predigten, die er dort hört, einen Nutzen für’s praktische Leben schöpfen und sich lediglich, je öfter er dieser Species von Gottesdienst beiwohnt, um so enttäuschter fühlen. Was die Zusammensetzung der diese Kirchen unterhaltenden Congregationen betrifft, so recrutiren sich dieselben hauptsächlich aus unserer Geld-Aristokratie, die natürlich, wie jede andere Sache, so auch die Religion vom Geschäftsstandpunkte auffaßt. Aus innerem Bedürfniß besuchen Wenige die Kirche; der Eine ist ein hervorragendes, d. h. ein vielzahlendes Mitglied derselben, um für sein Geschäft Reclame zu machen; ein Anderer tritt derselben bei, um seinen Ruf, der in Folge gewisser Stockspeculationen etwas anrüchig geworden ist, zu rehabilitiren, ein Dritter besucht dieselbe aus Gewohnheit, ein Vierter ist ein alter Verehrer der Primadonna mit der engelgleichen Stimme, von der wir im Vorhergehenden sprachen etc. Ein Prediger nach dem Schlage von Luther oder Knox würde daher in einer solchen Gemeinde nicht nur auf keine Sympathie zu rechnen, sondern im Gegentheil in kurzer Zeit nach allen Seiten hin angestoßen und sich unmöglich gemacht haben. Was verlangt wird, ist ein Prediger, dessen Stil an Glätte und Ebenmäßigkeit mit der Glätte seiner Cravatte zu wetteifern im Stande ist, der niemals seine Predigt über zwanzig Minuten ausdehnt und ebensowenig an dieser vorgeschriebenen Zeit etwas fehlen läßt, sich niemals durch seinen Stoff so weit hinreißen läßt, daß er seine Zuhörer, denen jede außergewöhnliche Erregung ein Gräuel ist, mit sich hinrisse, und der es außerdem zu vermeiden versteht, allzu unsanft gegen die fashionablen Sünden des Tages zu Felde zu ziehen, obwohl hin und wieder eine kräftige Verwarnung gegen die Sünde im Allgemeinen erwünscht ist. So sind die fashionablen Kirchen New-Yorks beschaffen, und so muß der Prediger beschaffen sein, der an denselben eine Anstellung mit einem Gehalte von sechs- bis zwölftausend Dollars erlangen will.

E. Frederich.




Den „echten Trauring Luther’s“ besitze auch ich, aber nicht in natura, sondern in figura, in einer Abbildung; Alle jedoch, welche sich schmeicheln, ihn „in natura“ zu haben, weilen, mit Ausnahme des Originalbesitzers, in Täuschung, denn ihr Exemplar ist eben auch nur ein figürliches. Und die Sache hängt so zusammen: Das Jubeljahr der Reformation, 1817, war selbstredend geeignet, mit den Erinnerungen an den befreienden Aufschwung deutschen Geistes auch alle Luther-Erinnerungen wieder wachzurufen und ihnen nachzuspüren, um so mehr, als die Gemüther noch unter der erwärmenden Nachwirkung von 1813 bis 1815 standen und eine Flamme deutsch-patriotischen Bewußtseins (man denke an das „Wartburgfest“!) durch die Seelen loderte, wie in unseren heutigen Tagen, und jeder Beziehung auf unsere geschichtliche Vergangenheit in dem nationalen Farbenscheine einen erhöhten Reiz gab. So konnte es nicht fehlen, daß eine liebevolle Aufmerksamkeit selbst kleinen Aeußerlichkeiten sich zuwandte, gleichwie wir ja jederzeit an irgend einem Gedenkstück, sei’s Bild, Denkmünze, oder auch nur ein Kiesel, ein getrocknetes Blatt, die Erinnerung an eine Begebenheit, einen Ort symbolisch festhalten und beim Anblick der Haarlocke eines theuren Verstorbenen seine Gegenwart empfinden.

So geschah es auch mit zwei verschiedenen Ringen, dem sogenannten Verlobungs- und dem Trauringe Luther’s – beide wohl Beides gleichzeitig, da Verlobung und Trauung auf einen Tag zusammenfielen; der eine von der Braut dem Gatten, der andere von diesem jener gegeben. Als nun Kayser’s „Reformations-Almanach“ – ein verdienstliches und inhaltreiches Jahrbuch, von welchem leider nur drei Jahrgänge herausgekommen sind – nebst anderen Stücken aus Luther’s Verlassenschaft auch die beiden Ringe beschrieb und in Abbildung brachte[1], war es ein naheliegender Gedanke, dieselben in getreuer Nachbildung als ein Andenken an das Reformations-Jubeljahr unter die Leute zu bringen. Der Silberwaaren-Fabrikant Bruckmann zu Heilbronn, dessen Firma P. Bruckmann u. Söhne wohl heute noch besteht, führte ihn aus, mindestens bezüglich des einen der Ringe, dessen nämlich, den Luther seiner getreuen Katharina gegeben hat und der von dieser die ganze Zeit ihres Lebens getragen worden ist; und so kommt es, daß noch heute von Zeit zu Zeit da und dort ein „Trau-“ oder „Verlobungsring“ Dr. Luther’s auftaucht und bewundert wird, bis – die Freude zerstört wird, wie wir sie hier zerstören mußten. Nichtsdestoweniger hält doch der Besitzer ein interessevolles und beredsames, doppeltes Denkstück in der Hand: seien wir Luther’s Geiste und dem seines Jahrhunderts so treu, wie Käthchen ihrem Gatten war, und schließen ihnen so warm und liebevoll uns an, wie das Jahr 1817 es that! – So spricht der Ring.

Th. Oelsner-Rübezahl.

  1. Nach Kayser’s Mittheilung befand sich der eine Ring damals in Privatbesitz zu Leipzig, der andere (auf der Bibliothek?) zu Wolfenbüttel.




Bitte um ein altes abgelegtes Clavier. Es ist wirklich so! Diese Bitte sollen wir aussprechen, und wir thun es gern, denn es geschieht für einen armen Lehrer. Derselbe besitzt eine liebe Frau; er hat sie nicht des Geldes wegen geheirathet, denn dieselbe besitzt so wenig wie er. Aber ihre Liebe war gesegnet, selbst als des Mannes Gehalt erst hundertfünfzig Gulden betrug. Jetzt leben von ihren dreizehn Kindern noch sieben, alle unversorgt; zusammen sitzen also dreimal täglich neun Hungrige am Tisch, und wenn auch die Einnahme der Schulstelle sich bis zu zweihundertachtundvierzig Thalern erhöht hat, so nahm doch in der sehr theuren Gegend, wo er wohnt, im Jahre 1871 das Brod allein hundertzwanzig Thaler davon in Anspruch, – und der Mensch lebt nicht von Brod allein, abgesehen von Kleidung und sonstiger Leibesnothdurft. Kurz, wenn das Jahr herum ist, ist die Lehrerfamilie auch mit herum, – und so ist’s in den vielen Jahren dem Lehrer unmöglich gewesen, seinen höchsten Wunsch zu stillen, sich ein Clavier anzuschaffen. Und doch spielt er es so trefflich und könnte sich manche Herzenserhebung und durch Unterweisung in der lieben Kunst seinen Kindern ein Empfehlungsmittel mehr für ihre Zukunft verschaffen. Muß nicht der Mann ein Clavier haben? Kann wirklich nicht geholfen werden? – Ja, es ist möglich, denn Das unterliegt gar keinem Zweifel, daß in Deutschland viele reiche Familien leben, die bei Seite gestellte Claviere besitzen, deren Entbehrung sie nicht im Geringsten oder nur als Wohlthat spüren würden. An solche reiche Leute wendet sich die obige Bitte. Warum sollte nicht unter den reichen Musikfreunden auch ein so Glücklicher sein, dem das Herz bei dem Gedanken lachte, mit seinem alten abgelegten Clavier eine solche Freude anzurichten? Die Gartenlaube verräth dann herzlich gern dem fröhlichen Geber die Adresse des Beglückten.




Luther in Rom. Wenn ein Autor von so hervorragender Erzählungsgabe, von so anmuthiger, geistreicher Gestaltungskraft und von nach allen Seiten so gründlicher umfassender Bildung wie Levin Schücking sich eines das Interesse und, fast dürfte man sagen, den wunden Nerv unserer Zeit so nahe berührenden Themas bemächtigt, so konnte nur ein Werk von ungewöhnlicher Anziehungskraft entstehen. Diese hat in der That sein „Luther in Rom“ (Hannover, C. Rümpler), von vielen kritischen Stimmen als sein bestes und gedankenreichstes Buch bezeichnet, ausgeübt; wir vernehmen zu unserer Genugthuung, daß die zweite Auflage desselben vorbereitet wird.

Der Held des Romans ist der „theure Gottesmann“, Bruder Martin, der als echt deutsche anima candida, als ein Schwärmer für die Größe seiner katholischen Kirche und um die Interessen seines Klosters zu vertheidigen, das Rom des Papstes Julius des Zweiten und der Renaissance betritt, und dieses wieder verläßt, in allen seinen Idealen betrogen und den zündenden Funken der Reformation im Herzen, um daheim der „Retter der Religion“ zu werden. Der sich allmählich und stufenweise in ihm vollziehende Abfall ist dabei vortrefflich entwickelt. Um ihn gruppiren sich zahlreiche Gestalten, theils historische, theils vom Dichter eingeführte, deren Schicksale in spannendster Darstellung an uns vorübergeführt werden und deren Leben und Treiben in Klöstern und Schlössern, im Vatican und Atelier ein mit solcher Meisterschaft entworfenes und mit so reichen Farben ausgeführtes Bild jener denkwürdigen Zeit uns giebt, daß wir mit dem Buche nicht allein eine Romandichtung von ungewöhnlicher Schönheit, sondern auch ein überaus fesselndes Gemälde der großen und hohen Zeit der Renaissance erhalten, in deren Verständniß Schücking tief genug eingedrungen ist, um uns den fast ganz gleichen Herzschlag, den diese Zeit mit der unsern hatte, fühlen zu lassen.




Wer kann Auskunft geben? 1) Am 6. März 1857 wollte ein deutscher Goldarbeiter, Heinrich Oswald Engel aus Nossen an der Mulde in Sachsen, von Harderwyk nach der Insel Curaçao gehen; er war damals 21¼ Jahr alt und hat nie wieder etwas von sich hören lassen.

2) Am 10. Januar 1871 wollte Herz Behrend, der einundzwanzigjährige Sohn eines schleswigschen Beamten in Friedrichstadt, von Mainz nach Frankfurt am Main reisen. Er schrieb dies seinen Eltern von Mainz aus und bat sie, ihm erst Antwort zu geben, wenn er selbst wisse, wo er bleibe. Mit dieser Nachricht ist der junge Mann spurlos verschwunden. Es ist jetzt über Jahr und Tag, und keine obrigkeitliche Nachforschung hat zum geringsten Wink geführt – ein furchtbares Schicksal für die armen Eltern!

3) Der Buchhalter Albert Treitschke in der Maschinenfabrik Horstmann in Pr. Stargardt fuhr am 1. November 1871 von da nach Danzig, feierte dort am 2. den Geburtstag seines Bruders Karl mit und reiste am 3. November, von seiner Schwester zum Bahnhof begleitet, mit dem Zuge Danzig–Dirschau ab – und ist seitdem nicht wieder zum Vorschein gekommen!

4) Eine Wittwe in Sachsen gestattete vor neun Jahren einem Panoramen-Besitzer Namens Kaufmann, ihren damals dreiundzwanzig Jahre alten, aber sehr klein gebliebenen Sohn Paul Dietze zu sich zu nehmen, um ihn als Zwerg für Geld sehen zu lassen. Der junge Mensch schrieb seiner Mutter regelmäßig und schickte ihr von seinen Einnahmen, bis vor einem Jahr, wo aus Odessa der letzte Brief kam, der seine baldige Heimkehr meldete. Seitdem blieb auf die Briefe der Mutter jede Antwort aus. „Ich werde jeden Tag älter und komme bald um vor Gram,“ schreibt die arme Frau.




Haideprinzeßchen. Mit Bezug auf unsere Uebersetzungsnotiz in Nr. 14 unseres Blattes werden wir von Ungarn aus darauf aufmerksam gemacht, daß dort bereits zwei verschiedene Uebersetzungen dieses Marlitt’schen Romans erschienen sind, die im Lande der Magyaren reichen Absatz finden.




Kleiner Briefkasten.


Sch–fr. in Rochlitz. Auf Ihre Anfrage: „Kann der Ausbruch des Vesuv wohl Einfluß auf die Witterungsverhältnisse (in Sachsen) bei uns in Deutschland haben, eventuell bis auf welchen Umkreis?“ diene Ihnen Folgendes: „Der Ausbruch eines Vulcans kann als eine ganz locale Erscheinung nach dem gegenwärtigen Stande unserer Naturerkenntniß nicht den geringsten Einfluß auf die Witterung ausüben. Es wäre dies nur dann denkbar, wenn die durch den Ausbruch erzeugten Gleichgewichtsstörungen der Atmosphäre solche Dimensionen annähmen, daß die hierdurch bewegten Luftmassen einen beträchtlichen Theil, z. B. der über Europa ausgebreiteten Luftmasse, betrügen. Dies ist aber bei allen gegenwärtigen vulcanischen Eruptionen und der relativen Kleinheit der feuerspeienden Berge – wie dies ein Blick auf die Landkarte sofort lehrt – auch nicht im Entferntesten der Fall.“

Kr. in Solingen. Wenden Sie sich an den Blutfinken- (Dompfaffen-) Züchter Kowell II. in Strebendorf bei Alsfeld (Hessen), der stets gute Vögel zieht.


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 366. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_366.jpg&oldid=- (Version vom 7.11.2016)