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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

Blätter und Blüthen.


Unsere Landsleute in Frankreich. Unmittelbar aus einer in Paris stationirten Gesandtschaft erhalten wir folgende Zuschrift:

„Der Unterzeichnete beehrt sich, seinen verehrten Landsleuten Nachstehendes mitzutheilen:

Der Hutmacher Leo Grünebaum, genannt Léon, wohnhaft zu Paris, Rue Neuve St. Augustins 71, bairischer Staatsangehöriger, hatte vor Ausbruch des Krieges ein sehr bedeutendes Geschäft. Wie alle übrigen Deutschen aus Paris ausgewiesen, wurde ihm während des Waffenstillstandes im März 1871, unter der fälschlichen Angabe, er wäre während des Krieges Zahlmeister in der bairischen Armee gewesen, der Laden zerstört. Nach dem Friedensschlusse eröffnete er sein Geschäftslocal wieder und wenn er auch den größten Theil seiner französischen Kundschaft einbüßte, so wird er wenigstens durch einen desto größeren Zuspruch der hiesigen Deutschen entschädigt. Vor einigen Tagen ward Léon von einem seiner früheren Kunden, der im Grand Hôtel, Boulevard des Capucines, logirt, dorthin bestellt. Léon, der früher dort täglich ein- und ausging, wurde von dem Inspector des Grand Hôtel mit den Worten abgewiesen: ‚Deutschen Verkäufern ist und bleibt von nun an der Eintritt in’s Grand Hôtel untersagt.‘ Herrn Léon wurde darauf hin von competenter Seite gerathen, die Sache alsbald vor das Friedensgericht seines Arrondissements zu bringen. Der Inspector wurde vorgeladen, und lautete der Bescheid des Friedensrichters natürlicher Weise dahin, daß Ersterer kein Recht habe, einem deutschen Verkäufer den Eintritt in sein Hôtel zu verweigern, wenn derselbe von einem dort logirenden Fremden verlangt würde, und daß bei einem Wiederholungsfalle der Inspector für den erlittenen Schaden haftbar sei. Wüthend schrie hierauf der doch vor deutschen Gästen katzenbuckelnde Inspector: ‚Wohlan, ich lasse dann, wenn Léon wieder in’s Grand Hôtel kömmt, ihn von zwei Aufwärtern begleiten, wie einen deutschen Dieb.‘

Der Unterzeichnete, dem dieser Vorfall mitgetheilt wurde, glaubte, daß der Herr Inspector auf eigene Faust handle; er hat aber inzwischen vernommen, daß die beiden Inspectoren zu ihrer deutschfeindlichen Haltung angewiesen seien, daß die Verwaltung des Hôtels keinen deutschen Kellner mehr anstellt, ja, daß dieses Hôtel das erste in Paris war, das noch vor der allgemeinen Ausweisung der Deutschen seine deutschen Angestellten alle auf die Straße setzte. Unter diesen Umständen glaubt der Unterzeichnete, daß es der Würde aller deutschen Reisenden angemessen sei, dieses Hôtel wie ein von der Pest angestecktes zu meiden, und mögen vor Allem unsere deutschen Fürsten bei allenfallsigem Besuch in Paris hier mit gutem Beispiel vorangehen. Solche deutschfressende Geschäftsleute, deren es hier noch andere giebt, werden nur dadurch zur Einsicht ihres thörichten Gebahrens gebracht, daß man sie mit gleicher Münze bezahlt.

Paris, 4. Mai 1872.

Dn.“

Daß natürlich nicht alle Franzosen von solchem fanatischen Hasse gegen Deutschland erfüllt sind, bedarf kaum der Versicherung. Trotzdem sind hierüber auch diesseits des Rheins da und dort die irrigsten Anschauungen verbreitet und darum theilen wir im Anschluß an den vorausgegangenen Fall gerne noch ein Vorkommniß aus Lyon mit, welches – gerade weil es aus der Stadt gemeldet wird, die am meisten in dem Geruche des widersinnigsten Deutschenhasses steht – auch am meisten unsere Beachtung verdient.

Die Leser der Gartenlaube erinnern sich vielleicht noch, daß im September und October vorigen Jahres die deutschen Journale Genugthuung verlangten für einen Act brutaler Rohheit, welcher gegen einen Landsmann, gegen den in Lyon ansässigen Kaufmann Jahr, vom Pöbel verübt worden war. Man hatte in Folge der Aufreizungen des berüchtigten Schandblattes „Anti-Prussien“ die Spiegelscheiben seines Schaufensters eingeschlagen und erst den eindringlichen Reclamationen des in Glauchau lebenden Vaters des Beschädigten beim Bundeskanzleramt, sowie Vorstellungen des Betroffenen selbst beim deutschen Gesandten in Paris gelang es, ein Verbot des Blattes herbeizuführen.

Seitdem blieb Jahr allerdings unangefochten, aber mehr noch, gebildete Einwohner von Lyon selbst suchten, soweit es eben ihnen möglich war, das Geschehene wieder gut zu machen, und drückten rückhaltlos ihren Unwillen über das Gebahren und über die Brutalität des aufgeheizten Pöbels aus. Man hat uns den Brief, in welchem Jahr diese Thatsachen meldet, freundlich mitgetheilt und wir heben folgende Stelle aus ihm heraus:

„Noch immer wie früher kommen die Anständigen, die Gebildeten unter den Einwohnern, bei uns zu kaufen. Ja, neulich besuchten uns sogar drei Franzosen, welche noch nie bei uns gekauft hatten, und frugen, ob wir die Deutschen wären, welche man so schlecht behandelt hätte. Auf unser Bejahen sagte der Eine: ‚Wir kommen aus diesem Grunde, um bei Ihnen zu kaufen; Sie können versichert sein, daß Sie uns stets zu Kunden haben werden.‘ Damit kaufte er gleich für achtundsechszig Franken. Der Zweite kaufte eine Meerschaumpfeife für neunundzwanzig Franken und bezahlte, ohne ein Wort zu sagen, den ausmarkirten Preis. Doch bevor er hinausging, sagte er: ‚Sie kennen mich noch nicht. Doch daß mehrere meiner unverständigen Landsleute Sie so schlecht behandelt haben, führt mich hierher; ich werde zugleich mit meinen Bekannten mich stets Ihrer bedienen.‘ Ein Dritter endlich kaufte eine Pfeife und wünschte, daß wir selbst ihm eine aussuchten, die leicht anrauchbar wäre. ‚Denn,‘ meinte er, ‚ich verstehe nichts davon, da ich niemals rauche. Ich kaufe die Pfeife nur, um Ihnen etwas zuzuwenden. Sie können versichert sein, daß meine Freunde und Bekannte alle zu Ihnen kommen, damit Sie ein wenig entschädigt werden. Es hat uns Alles, was geschehen, sehr leid gethan; doch vermochten wir daran so wenig etwas zu ändern, als ich oder Sie für den Krieg verantwortlich gemacht werden können.‘“




Die Mutter Gottes unter dem Hammer. Freunde unseres Blattes in Bamberg schicken uns zur theilweisen Ergänzung unseres neulichen Artikels über das Muttergottesdorle den Abdruck einer vom 22. April datirten amtlichen Anzeige ein, aus welcher in der That hervorgeht, daß die wunderthätige Muttergottesstatue, wie jener Artikel in Aussicht stellte, unter den Hammer kommen, d. h. daß sie „Montag den 13. Mai“ von Amts- und Obrigkeitwegen zugleich mit dem gesammten „Mobiliarnachlaß der in Bamberg verlebten ledigen Dorothea Gabler (genannt Muttergottesdorle) gegen sofortige Baarzahlung öffentlich an den Meistbietenden versteigert werden soll“. Interessant ist nun das Verzeichniß aller der Dinge, die zu dem „besagten Nachlaß“ gehören, nämlich: eine Muttergottesstatuette mit Glasschrank, dreiundzwanzig Glasgehäuse mit Wachsfiguren, hundertfünfunddreißig Votiv- und Heiligenbilder, eine Partie Wachskerzen und Opferwachs, drei Colliers von Gold, vierundzwanzig goldene Brochen, ein Faussemontre mit goldener Kette, zwei silberne Ketten, ein silbernes Armband, fünf Paar goldene Ohrringe, vier goldene und drei silberne Fingerringe, fünf goldene Kreuzchen, ein Reliquienglas, siebenzehn Opfermünzen etc. – also der ganze Apparat, wie er an sogenannten „Gnadenorten“ und vor besonders wunderthätigen Marien- und Heiligenbildern, namentlich Süddeutschlands, zu finden und vor Allem aus den Taschen der ungebildeten und ärmeren Bevölkerung herausgeholt und angehäuft ist. „Auf besonderen Antrag der Erben“ wird von dem die Bekanntmachung erlassenden Notar „noch bemerkt, daß die obenerwähnte Muttergottesstatuette in weiten Kreisen als sogenanntes ‚Gnadenbild‘ bekannt ist. Dieselbe war notorisch seit vielen Jahren Gegenstand einer besonderen Verehrung nicht blos von Seite vieler Einwohner der Stadt Bamberg und Umgegend, sondern auch von Seite anderer Personen aus weiter Ferne.“

Die „Erben“ des Muttergottesdorle scheinen also mit der „Muttergottesstatue“ noch ein besonderes Geschäft machen zu wollen, das ihnen die bisherigen Verehrer des Bildes schon darum nicht gönnen werden, weil doch ihre Absicht, das ganze Wunderwerk unter den gemeinen Hammer eines Auctionators zu bringen, auf wenig genug religiösen Sinn schließen läßt. Wir sind nun begierig, wer sich das Gnadenbild ersteigert und zu welchem Preise es zugeschlagen werden wird. Ob es auch unter anderen Händen, als denen des Muttergottesdorle noch Wunder thun wird? Am meisten hat übrigens die Geistlichkeit der fränkischen Bischofsstadt den Tod des Muttergottesdorle zu beklagen. Denn dieses hat sparsam und dürftig gelebt, dafür aber, wie man uns jetzt positiv schreibt, sechs Kirchen der Umgegend reich geschmückt und schließlich dem Domcapitel nicht mehr und nicht weniger als vierzigtausend Gulden vermacht. Nun, die Kirche hat einen guten Magen und um solchen Preis kann auch der Herr Erzbischof in Bamberg ein Auge zudrücken, wenn sich in einer bisher ganz obscuren Dachkammer plötzlich Wunder ereignen, die so staunenswerth sind, daß sie – das Unglück haben, von Vielen für Schwindel gehalten zu werden.




Noch einmal der Ordensschwindel. Aus Anlaß unserer neulichen Notiz in Nr. 16 der Gartenlaube hat sich ein Leser unseres Blattes in Oesterreich Scherzes halber an die damals mitgetheilte Adresse gewandt und hat darauf von dem löblichen Ordensvermittler folgenden Brief erhalten. Derselbe lautet wörtlich:

„Ew. Wohlgeboren! In aller Kürze wegen des ungeheuern (!) Andranges die Mittheilung, daß Sie erhalten können Commandeurkreuze (Stern auf der Brust, und Commandeurkreuz um den Hals zu tragen) zusammen für sechstausend Thaler von den Staaten (Spanien, Portugal, Tunis). Ritterkreuze für viertausend Thaler der obigen Staaten. – Ritterkreuze vom König von Italien, und die ‚Italienische Krone‘ für fünftausend Thaler. – Wenn Ew. Wohlgeboren auf diese Decorationen reflectiren sollten, bin ich bereit, es zu veranlassen. Das Geld wird bei Abschluß bei einem hiesigen ersten Banquier der Art deponirt, daß es mir bei Uebergabe des Diploms ausgezahlt wird.

Antwort erbitte R. B. Berlin. Postexpedition Nr. 35 restante.

Beigefügt mag noch werden, daß der industriöse Ordensvermittler am Kopfe seines Briefes einen Namensstempel führt, der in grüner Farbe die verschlungenen Lettern „R. B.“ zeigt und von einer siebenfachen Perlenkrone überragt ist. Der Briefschreiber giebt sich also für einen Freiherrn aus. Der Brief selbst bedarf nach unserer neulichen Notiz keiner weiteren Bemerkung; wissen möchten wir nur, ob Herr R. B., wenn er von den ihm zufallenden Spesen sechs- oder fünftausend Thaler beisammen hat, sich wohl auch einen tunesischen Orden kaufen oder ob er nur diejenigen Gimpel auslachen wird, welche ein so schönes Sümmchen aus Eitelkeit und Dummheit zum Fenster hinaus- und – wenigstens theilweise – ihm in den Schooß geworfen haben. Sollte es nicht möglich sein, diesem freiherrlichen Herrn R. B. auf die Spur zu kommen?




Thumann’s Luthertrauung. Aus dem Directorium der „Verbindung für historische Kunst“ empfangen wir bei Gelegenheit einer brieflichen Zuschrift auch folgende interessante Mittheilung: „In Beziehung auf das Thumann’sche Bild ‚die Trauung Luther‘s[WS 1] freut es mich, Ihnen mittheilen zu können, daß es einen wahrhaften Triumphzug durch Deutschland macht. Wo es nur ausgestellt wird, wallfahrtet man förmlich nach dem Bilde. Es ist das eine schöne Genugthuung für die Kränkungen, welche der Künstler in Weimar erfahren. Noch nie hat uns ein Bild so viel Noth gemacht, denn jeder Berechtigte will das Bild zuerst haben.“




Kleiner Briefkasten.


K. M. in L. Wir freuen uns, Ihnen mittheilen zu können, daß auf die Notiz in Nr. 16 unseres Blattes verschiedene theilnehmende Zuschriften eingingen, die uns rasch in den Stand setzten, dem blinden und tauben Lehrer Förster in Stendal an sechzig Thaler zu übersenden.

M. W. in W. Den Brief an Frau Adam erhalten und besorgt.

M. M. in Halberstadt. Sehr gern, aber nur unter Nennung Ihres Namens, der wenigstens der Redaction bekannt sein muß.

Ar. Deze in Lützen. Wir bitten um Ihre Adresse behufs Remmission der Photographien.


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Luthers‘
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 348. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_348.jpg&oldid=- (Version vom 27.8.2018)