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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

aufsteigen sah und an der Berglehne Grummet zum Trocknen ausgebreitet hatte, rief verwundert aus: „Wen treibt’s denn heut’ noch zu mir ’rauf? Meiner Six, die schwarzauget’ Wirths-Resei ist’s!“ setzte er bei, als sie später zwischen den Bäumen auftauchte.

„Ja, die ist’s, Alter,“ rief ihm das Mädchen zu, „das glücklichste Diendl in den ganzen Bergen. Mich hat’s nimmer gelitten drunten, bis ich Dir nicht Alles haarklein gesagt hab’,“ und sie zerrte den überraschten Wildheuer über den Rasenfleck vor seinem Häuschen in die Stube.

Mit der ganzen Lebendigkeit ihres Wesens erzählte sie die Vorgänge des gestrigen Abends und des heutigen Morgens, und der Alte hörte höchlich ergötzt zu. Als sie aber am Schlusse des Berichtes unter der Schürze ein Fläschchen hervorzog mit den Worten: „Da heroben bei Dir ist’s in der Früh’ schon bald kalt, hab’ Dir was mitgebracht, das Dir warm macht, was Extrafein’s, trink’s auf unsere Gesundheit,“ da lächelte der Alte wohlbehaglich, und das Mädchen von der Seite anblickend, erwiderte er: „War doch so ungeschickt nicht, daß ich den Franzl so gut versteckt hab’. Wenn der Jäger Dein’ Buben gefangen hätt’, bevor er den Brief in der Joppen gefunden hat, wär’s so gut wohl nicht abgegangen.“

„Anderl, das vergeß’ ich Dir nie, und wenn Dir der Winter da heroben einmal gar zu grob wird, findest Du bei mir alleweil eine Stube drunten, und Deinen Glaasei will ich auch recht sauber ’rausputzen.“

„Laß es gut sein, Diendl, das grobe Wetter, die rauhen Felsen und der Anderl passen am besten zusamm’, – ich verlass’ meine Berg’ nicht! Willst aber dem Glaasei einmal eine Hosen schenken – wird ihm nicht z’wider sein. Die Wilddecken dazu besorg’ ich schon selber, und auf der Hochzeit bitt’ ich mir einen Hopfer aus mit der Jungfer Hochzeiterin.“

„Ja, Alter, da hast meine Hand d’rauf, und am Ehrentisch mußt auch sitzen, das setz’ ich bei der Godl auch noch durch.“ Damit schlug sie fröhlich in die Hand des Alten.

„Einen schönen Gruß an Franzl!“ rief er der Davoneilenden noch nach und ging dann, mit wonniglichem Vergnügen nach seinem Fläschchen schielend, in die Stube zurück.

Die Kunde von der Verlobung der schönen Resei mit dem Flößer-Franzl hatte sich seit dem gemeinsamen Kirchgange blitzschnell im Orte verbreitet, und man begrüßte in dem jungen Paare schon die künftigen Wirthsleute von Brannenburg. Schüttelte auch Mancher den Kopf dazu, daß ein armer Häuslerssohn auf das schöne Anwesen kam, die Meisten gönnten es dem braven Burschen doch, und die jungen Dirnen, denen der schmucke lustige Flößer-Franzl wohl schon lange in die Augen gestochen, fanden Resei’s Wahl gar nicht so übel.

In den beglückenden Vorbereitungen für den künftigen Hausstand verging den jungen Leuten Woche um Woche, und als ein wichtiges Ereigniß wurde es betrachtet, wenn ein Brief von dem ehemaligen Forstgehülfen ankam. Dann führte der Abend jedes Mal die beiden Mädchen zusammen, da wurde Zeile um Zeile gelesen und wieder gelesen, die Antwort mit Franzl berathen und von der Resei glücklich auf’s Papier gebracht. Der Hagen-Lene zitterten, wie sie sagte, Hand und Herz so stark, daß sie unmöglich selber schreiben konnte. Die Nachrichten ihres Karl, den sie am liebsten noch immer Maxl nannte, lauteten nur günstig – der Vater, der ihm jetzt schon das ganze ausgedehnte Geschäft übergeben, hatte ihn mit liebevoller Herzlichkeit aufgenommen und suchte sein Unrecht auf alle Weise gut zu machen, die Schwester war nach schwerer Krankheit wieder genesen und seine Sehnsucht nach dem lieben Bergkinde wuchs mit jedem Tage. Die Rosen blühten wieder auf den feinen blassen Wangen des stillen Mädchens, und als nun der letzte Brief kam, der die Einwilligung seines Vaters zu ihrer Verbindung brachte und den Tag der Rückkehr des Geliebten bestimmte, da klopfte es stürmisch in der seligen jungen Brust, ein liebliches Lächeln erhellte die sanften Züge, als sie das kostbare Schreiben in’s Mieder steckte, und von dem Tage an zählte sie die Stunden bis zu seiner Ankunft.

Im Wirthshause herrschte indessen das regste Treiben, die Zurüstungen zur Hochzeit wurden lebhaft betrieben, und der Flößer-Franzl ordnete und wirthschaftete schon seit der ganzen Erntezeit in den Oekonomiegebäuden. Die von Karl Steiner festgesetzte Frist bis zu seinem Eintreffen war noch nicht verstrichen, da rollte eines Tages unter der Gluth der Mittagssonne der Postwagen schwerfällig die Straße herauf.

„Blas, Schwager, blas!“ rief der Passagier zum Kutschenschlag hinaus, als der Wagen schon vor dem Wirthshause stand und sich noch Niemand sehen ließ.

„Ja, Herr, die hören und sehen halt nichts vor lauter Hochzeitmachen,“ antwortete der Postillon und knallte dazu aus Leibeskräften.

„Herrschaft, das ist ja gar der Jäger schon!“ klang’s dem Reisenden jetzt in hellem Tone entgegen, indeß von einer Knabenhand der Wagenschlag aufgerissen wurde.

„Ei, Glaasei, bist Du’s?“ rief Karl Steiner – denn er war es wirklich – heiter aus und wollte dem ihn fröhlich anstarrenden Knaben das Gepäck übergeben. Doch der war schon wieder verschwunden.

Durch Wirthsstube, Stall und Scheune verkündete er jubelnd, daß der Jäger-Maxl wieder da sei, und als Resei auf diesen Ruf im Hausgange erschien und dem Ankömmling mit frohem Gruß entgegeneilte, hatte Glaasei schon über den Gartenzaun gesetzt und war in vollem Laufe auf das Hagengütchen zu.

Es dauerte nicht lange, so schaute Karl wieder in die schüchternen blauen Augen des lieblichen jungen Wesens, das ihm schon morgen in die alte Heimath folgen sollte, mit der er selber wieder völlig ausgesöhnt war, seit der alte Vater erklärt, das Mädchen, das er sich zur Lebensgefährtin erwählt, würde ihm eine liebe Tochter sein, und je eher er sie bringe, desto lieber segne er ihren Bund. Herzlich drückte er die Hände der Freunde, die er hier gewonnen, und ein Festschmaus, wie ihn das Wirthshaus in Brannenburg nie gesehen hatte, vereinigte Abends eine fröhliche Gesellschaft, in der mit Einschluß des Försters und Schulmeisters Niemand fehlte, der zu dem scheidenden Brautpaare in freundlicher Beziehung stand.

Im vertraulichsten Geflüster saßen die zwei alten Frauen, die Wirthin und die Hagenbäuerin, nebeneinander und hatten noch gar Wichtiges zu besprechen, denn Lene’s Mutter, seit Jahren Wittwe, wollte dem einzigen Kinde nach Passau folgen, und die alte Wirthin hatte das Hagengütchen angekauft, um sich später einmal darauf zurückzuziehen. Nicht minder beschäftigt war das junge Volk. Jungfräulich erröthend nahm Lene die Glückwünsche ihrer Freundinnen hin, und Karl sah sich von jungen Burschen umdrängt, die früher dem Jäger-Maxl nie die Hand entgegengestreckt hätten. Immer lebhafter wurde die Unterhaltung und manch’ treffendes Schnadahüpfel aus Franzl’s sangfertigem Munde erhöhte noch die Heiterkeit.

Da erschienen spät am Abend noch zwei Gäste in der offenen Thür, ein paar prächtige Gestalten, denen trotz der grauen Locken des Einen Frische und Frohsinn aus den hellen Augen lachten.

„Grüß Gott beisamm’!“ hatte der Alte kaum ausgerufen, als ihnen Alle entgegenschrieen: „Der Anderl! Der Glaasei!“

Vater und Sohn trugen heute ihre Joppen zusammengerollt auf der Schulter, denn nur so konnte man die weiten, blendend weißen Hemdärmel sehen, in denen sie prangten. Die Wirths-Resei, die ihren hohen Freunden rasch entgegengeeilt war, hatte sie Beide so stattlich herausgeputzt, und während sie den Alten zu der Frau Godl führte, blieb der Junge mit strahlendem Gesicht vor der Gesellschaft stehen und ließ sich von allen Seiten bewundern. Bald betastete er seine neue gemslederne Hose, bald schielte er hinab auf den schmucken grünen Hosenträger, der stattlich von dem weißen Hemde abstach, und indem er stolz den Kopf in den Nacken warf, steckte er den Daumen unter den breiten Querstreifen, denn dort stand ja in großen Buchstaben mit Seide gestickt: Nikolaus Flinsberger 1824.

„Schöne Geschichten gehen bei Euch droben vor am Sulzberg,“ sagte die alte Wirthin am oberen Ende der Festtafel zu Anderl, doch war ihr Lächeln zu wohlwollend, als daß es als ein Vorwurf hätte gelten können. „Hab’ geglaubt, bei Euch droben geben sich blos die Füchs’ und Hasen Gut’ Nacht.“

„Im Winter schon, Frau Mutter,“ lachte der Wildheuer und drehte die weißen Bartspitzen keck in die Höhe, „aber im Sommer auch die sauberen Buben und Diendl.“

Resei wies ihm und dem Glaasei ihre Plätze unter den Gästen an, und die Gegenwart des jovialen Alten, dem sie Alle gut waren, steigerte noch die allgemeine Lust.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 342. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_342.jpg&oldid=- (Version vom 27.8.2018)