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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

Balcone und Parks mit den entsprechenden Personen bevölkert hat. So viel steht fest, daß er schon in jungen Jahren eine ausgesprochene Neigung zur bildenden Kunst an den Tag legte, daß er mit siebenzehn Jahren die Kunstschule in Karlsruhe besuchte und sich drei Jahre später nach Düsseldorf begab, um unter Vautier seine Studien fortzusetzen. Sowohl in Baden wie am Niederrhein galt er sofort als ein vielversprechendes Talent, welches in Zeichnung wie in Farbe mit leichter Mühe alle Schwierigkeiten überwand.

Im Beginne seiner Laufbahn sehen wir den Künstler indeß noch nicht mit den Gegenständen beschäftigt, denen er sich später mit so glücklichem Erfolge gewidmet hat. Das Beispiel des Meisters war damals noch stärker als die ihm angeborene Begabung. Er malte zunächst „Zigeuner vor dem Ortsvogt“ und eine Scene „Beim Winkeladvocaten“ mit dem Hintergrunde des heimathlichen Schwarzwaldes. Wir haben hier also Dorfgeschichten vor uns. Trotz aller Anerkennung – denn er wurde Mitglied der Akademie in Rotterdam und Graf Morny bestellte bei ihm eine Wiederholung des letzten Bildes – wandte er sich nunmehr dem Rococo und der Renaissance zu, um auf diesem Gebiete mit jedem neuen Gemälde einen wesentlichen Fortschritt in Composition und Technik zu machen.

Die Gegenstände seiner Bilder sind meist schalkhafter, theils ernster Natur; hier haben wir es zunächst mit einem Bilde zu thun, das „Die Heimkehr“ darstellend in einen aus drei Gemälden bestehenden Cyclus gehört und dessen Darstellung wir in Holzschnitt bringen. Das Motiv entwickelt sich in dem reich ausgestatteten Eßzimmer eines alten Schlosses. Die hohe aristokratische Familie sitzt bei dem Dessert. Links am Ende des Tisches erblicken wir den Schloßherrn; an ihn reiht sich ein junges Ehepaar, wahrscheinlich Tochter und Schwiegersohn. Diese drei Gestalten haben ihre Stühle nicht verlassen; dagegen ist die alte Mutter, welche hinter der Tafel sichtbar wird, aufgesprungen, ebenso ein junges Mädchen, das uns vor dem Tische sein liebliches Antlitz zuwendet. Außerdem befindet sich noch der Schloßcaplan in der Gesellschaft. Auf allen Gesichtern ist das freudigste Erstaunen ausgeprägt, denn rechts in der Thür erscheint der Sohn des Hauses, der glücklich nach den überstandenen Gefahren heimkehrt. Ihm entgegen aber stürzt die Braut. Beide liegen Brust an Brust und küssen sich in überseliger Freude, während der Begleiter des jungen Mannes im Dunkel der Thür stehen bleibt. Welch ein schönes rührendes Familienbild! Welche Innigkeit der Empfindung in allen Personen, welche der Scene beiwohnen! Und welche gelungene, abgerundete, in der Gruppirung und den einzelnen Gestalten vollendete Composition!

Dennoch haben wir nur eine Seite von der Vorzüglichkeit des Bildes vor Augen Die andere Seite liegt in dem wunderbaren Zauber des Colorits. Hoff entwickelt aber gerade in dieser Beziehung ein fast unvergleichliches Talent. Man muß eigentlich seine Farbenharmonien sehen, um sich einen richtigen Begriff von ihnen zu machen, denn seine Farben entziehen sich, wie die Klangfarben der Musik, jeder Beschreibung. So lebhaft und frisch er auch seine Töne wählt, so ist ihre Wirkung doch niemals schreiend und verletzend, im Gegentheil, sie stimmen stets zu dem Gegenstand und sind im Ganzen und Einzelnen ineinander klingend gewählt. Es ist wahrhaft überraschend, wie fein und zart er colorirt. Dabei geht seine Hand in der Zeichnung außerordentlich treu und charakteristisch zu Werke. Außerdem aber verleiht er seinen Gestalten auch die hinreichende Eigenschaft der Schönheit. Wir glauben nicht, daß er im Stande ist, einen garstigen Menschen darzustellen. So dürfen wir ihn denn wohl als den elegantesten Darsteller des Salons aus dem siebenzehnten und achtzehnten Jahrhundert bezeichnen, den er nicht allein in seiner äußeren Erscheinung, sondern auch in seinen seelischen Beziehungen mit dem feinsten Geschmack wiederzugeben weiß.

Da der Künstler verhältnißmäßig noch in sehr jungen Jahren steht, und da er ferner von Bild zu Bild die unverkennbarsten Fortschritte gemacht hat, so dürfen wir in der Folge noch eine Menge ausgezeichnete Arbeiten von ihm erwarten. Schon heute wird er neben Knaus, Vautier und Wilhelm Sohn genannt.

Wir fügen noch hinzu, daß er eine Tochter des trefflichen Portraitmalers Professor Karl Sohn geheirathet hat und in den glücklichsten Verhältnissen lebt. Auch in gesellschaftlichen Beziehungen nimmt er eine hervorragende Stellung ein, man kennt ihn als gewandten und witzigen Redner, der im „Malkasten“ seit Jahren eine Führerrolle übernommen hat und die Künstlerschaft häufig bei verschiedenen Gelegenheiten und Repräsentationen vertritt.

Müller von Königswinter.




Ueber den Kreislauf des Stoffes durch die drei Reiche der Natur.


Vortrag, gehalten den 19. März l. J. im Amphitheater seines physiologischen Privat-Laboratoriums zu Leipzig


von Prof. Joh. N. Czermak.


Verehrte Anwesende!

Daß die exacte Naturwissenschaft alle die täuschenden Illusionen, mit denen sich die Menschheit seit Jahrtausenden trägt, zerstört, kann und soll nicht in Abrede gestellt werden; wenn man ihr aber den Vorwurf macht, daß sie aller Poesie baar sei, daß sie jedweder Bethätigung der Einbildungskraft feindlich gegenüberstehe, so ist dies einfach ein Vorurtheil, welches gehegt und als Abschreckungsmittel aufrecht erhalten wird nur im Interesse jener eigenthümlichen Geistesrichtung, die in dem freien und unbeschränkten Gebrauch der gesunden menschlichen Verstandeskräfte – allerdings mit vollem Rechte – die größte Gefahr sieht für die Fortdauer ihrer Alleinherrschaft über die Gemüther.

Mein heutiger Vortrag soll nun dieses Vorurtheil bekämpfen und erschüttern helfen, denn ich beabsichtige Ihnen einen tieferen Einblick in die thatsächlich weltbewegenden Vorgänge des Stoffkreislaufs in der Natur zu eröffnen – einen Einblick, der zwar nur eine nüchterne Wahrheit erkennen läßt, eine Wahrheit aber, die an überwältigender Großartigkeit, ja an phantastischem Reiz jeden Vergleich mit den am höchsten und heiligsten gehaltenen Producten der mythenbildenden Einbildungskraft auszuhalten im Stande ist.

Der Weg nach dem Standpunkt, von dem aus der Einblick in jene Wahrheit gestattet ist, führt freilich durch etwas trockenes, steiniges Land – aber lassen Sie sich die etwaigen Beschwerlichkeiten unserer Wanderung nicht verdrießen; „es führt kein anderer Weg – nach Küßnacht!“

Die pflanzlichen und thierischen Organismen – die menschlichen natürlich mit eingerechnet –, welche man als die lebenden Wesen den leblosen Gebilden und Massen gegenüberstellt, sind aus Substanzen aufgebaut, die sich sowohl hinsichtlich ihres Aussehens, als hinsichtlich ihrer feineren Structur und ihrer Eigenschaften sehr auffallend von jenen Substanzen unterscheiden, welche der übrigen unorganischen Welt, dem Mineralreich, angehören. Vergleichen Sie ein Stück Fleisch oder Brod, ein Blumenblatt, ein Weizenkorn mit einem Stein, einem Krystall oder einer Marmorstatue – und Sie werden zwischen diesen materiellen Körpern der auffallenden Unterschiede mehr, als der Uebereinstimmungen finden!

Diesen auffallenden Unterschieden entsprechend, ergab sich denn auch schon längst bei der chemischen Zerlegung der Thier- und Pflanzenkörper, daß sie zwar der Hauptmasse nach aus bekannten unorganischen Stoffen, – nämlich überwiegend aus Wasser und gewissen Mengen von Mineralsalzen – bestehen, daß sie aber stets auch noch einen Antheil ganz eigenthümlicher, sonst nirgendwo in der Natur vorkommender, sogenannter organischer Stoffe enthalten; und es gewann den Anschein, als ob diese letzteren Stoffe, ohne welche das Leben thatsächlich niemals zur Erscheinung kommt, in ihrer innersten elementaren Natur und Wesenheit von den Stoffelementen der unorganischen Welt völlig verschieden wären.

Es ist darum als ein epochemachender Fortschritt für die Wissenschaft vom Leben zu bezeichnen, daß es den Chemikern endlich gelungen ist, eine Methode zu finden, vermittelst welcher auch diese eigentlich sogenannten organischen Stoffe in ihre einfachen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 338. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_338.jpg&oldid=- (Version vom 27.8.2018)