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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

Im Streite messen die Parteien
Die Kräfte, Jeder kämpft und ringt;
Doch Keiner soll uns je entzweien,
Sobald die Losung „Deutschland!“ klingt!
Dann soll, was uns getrennt, verschwinden,
Vergessen sei’s und abgestreift,
Und Keinen soll der Gegner finden,
Der frech des Fremdlings Weise pfeift!
Vereint um dies Erinn’rungszeichen –
Wer spräch’ nicht laut und freudig Ja!
Soll Jeder treu dem Andern reichen
Die Hand beim Ruf „Germania!“

So sei’s! Zum Werke frisch geschritten! –
Umrankt von deutscher Reben Kranz,
Da steh’ das Denkmal, stolz, inmitten
Des Prunkgemachs des Vaterlands.
Das wird ein Fest! Die schönen Stunden,
Mich dünkt, ich schau’ sie schon im Traum:
Vor lauter Schiffen, kranzumwunden,
Sieht man des Rheines Spiegel kaum!
Ringsum beglückter Menschen Fülle,
Von Flaggen bunt ist Mast und Raa!
Kanonen donnern! Seht, die Hülle
Des Denkmals fällt! Hurrah, Hurrah! –

Rüdesheim, Ende April 1872 Emil Rittershaus.


Während unsere tapferen Heere noch auf feindlichem Boden, im Angesicht der fränkischen Hauptstadt standen, um die Früchte ihrer glorreichen Siege zu ernten und die Erfolge der deutschen Waffen sicher zu stellen, regte sich schon im ganzen Vaterlande, in der Heimath jener heldenmüthigen Krieger, die Idee, einen sichtbaren Markstein zu errichten zur Erinnerung an diesen gewaltigsten und in seinen Folgen bedeutsamsten aller neueren nationalen Kämpfe des deutschen Volkes. Ganz abgesehen von den wohlverdienten Denksteinen, welche jedes Land, jede Stadt, jedes Dörfchen seinen Heldensöhnen errichten wollte, lag doch auch der Gedanke nahe, am Rheine, dem vielumworbenen, endlich in Wahrheit freien deutschen Strome, ein Erinnerungszeichen aufzupflanzen, allen deutschen Stämmen ein gemeinsames Zeichen, eine Dankesstätte für die Erfolge der deutschen Siege, ein Wahrzeichen für die Wiedererrichtung des deutschen Reiches.

Dieser Gedanke brach sich überall, und nicht am Rheine allein, er brach sich auch im tiefen Norden Bahn. Sahen doch in Folge des Krieges viele jener Hunderttausende unserer streitbaren Männer auf ihrem Zuge zur französischen Grenze den herrlichen Fluß zum ersten Male, galt es doch um ihn, war doch er der Preis, als die Würfel gefallen und der Ruf unseres Heldenkaisers durch die deutschen Lande erscholl.

Als die ersten Vorschläge zur Errichtung eines gemeinsamen nationalen Denkmals in die Presse ihren Weg fanden, schien ein Grundplan noch nicht überall reiflich erwogen. Nur daß der Rhein im Allgemeinen als Standort ersehen war, ging aus den veröffentlichten Vorschlägen hervor. Am Niederrhein brach man manche Lanze für den Drachenfels, in der Pfalz wurde eine der Höhen der Vogesen für ein nationales Denkmal ausersehen.

Dem Verfasser dieses war es vergönnt, ein neutrales Terrain zuerst in der Presse zu bezeichnen, dem nunmehr in wahrhaft überraschender und, man darf sagen, bewundernswürdiger Eintracht alle Stimmen, auch am Rheine, zugefallen sind. Es ist dies der Höhenzug des Niederwaldes, der Rüdesheimer Berg. Am Ostersonntag des vorigen Jahres veröffentlichte der „Rheinische Courier“ diesen Vorschlag, und das Urtheil über denselben ward von Tausenden zu seinen Gunsten gefällt.

Die „Gartenlaube“ legt heute ihrem großen, weitumfassenden Leserkreis eine Ansicht des Aussicht genommenen Platzes für jenes Denkmal vor, und sie glaubte dieses echt deutsche Nationalunternehmen zugleich mit erläuternden Worten stützen und fördern zu sollen. Dem deutschen Volke und unseren germanischen Brüdern jenseits der Meere geben wir deshalb gern die entsprechenden Aufklärungen, aus welchen Gründen die Anwohner des Rheines sich über die gewählte Stelle freundnachbarlich geeinigt haben.

Am Mittelrheine, und gerade hier am Niederwalde, reichen sich der Ober- und Niederrhein in Bezug auf Sprache und Sitte die Bruderhand, und wenn auch der Niederwald selbst eine historische Stelle nicht genannt zu werden verdient, von seiner Höhe herab überschaut der Blick alle historischen Wandlungen der Entwickelung des deutschen Volkes.

Gegenüber dem Niederwalde mündet die Nahe in den Rhein, an deren rechtem Ufer Bingen, das römische Bingium, ausgebreitet liegt. Ueber diesen Ort und einerseits über die in Ueberresten noch stehende römische Drususbrücke hin und am Ufer der Nahe hinauf, andererseits dem Laufe des Rheines folgend, zogen die bedeutendsten römischen Heerstraßen nach Trier und Coblenz, dem Treveris und Confluentes jener Tage. „Auf diesem Felsen stand Deutschlands Fuß fest, von der Römer Zeiten her bis auf den heutigen Tag.“

Karl der Große, der heldenhafte erste Gründer des deutschen Reiches, er residirte dort drüben im Palaste zu Ingelheim, von wo er der Sage nach zuerst den Schnee auf den Abhängen des Niederwaldes schmelzen sah und so den Grund zu dem nun so blühenden Weinbau der Gegend legte, indem er die Berge zum Rebbau anroden und die Orleanstrauben einführen und anpflanzen ließ. Der Reichsversammlungen zu Ingelheim unter Karl und Ludwig dem Frommen gedenken die Geschichte und unsere Poeten.

Hier vorüber zog sich des römischen Reiches Pfaffengasse, herauf – hinab den Rhein, aber dort – dem Laufe der Nahe folgend, grüßt auch die Kuppe der Ebernburg, jene „Herberge der Gerechtigkeit“, auf der Ulrich von Hutten und Franz von Sickingen hausten, das Werk der Reformation beginnend und fördernd. Hier sprach Ulrich sein berühmtes Jacta est alea! Und während dichter heran, auf dem gegenüberliegenden Rupertsberge, die in der Mönchsgeschichte so häufig genannte heilige Hildegard „mit eignen Fingern den Brunnen des Rupertsburger (Benedictinerinnen-) Klosters grub“, saß in späterer Zeit unten in dem durch seine rothen, hübschen Sandsteinthürme weithin kenntlichen Geisenheim Leibniz mit dem Mainzer Kurfürsten Johann Philipp von Schönborn und arbeitete an dem Werke einer „Vereinigung der katholischen mit der evangelischen Kirche“. Hier auch ward das Instrumentum pacis, der Entwurf zum westphälischen Frieden, berathen. Tief unten, umschäumt von den Wogen und Wellenstrudeln des Binger Lochs, steht der Mäusethurm, als Wachtthurm und Zollstätte des Mittelalters ebenso bedeutsam für jene Zeit geistlicher und weltlicher Bedrückung, als der gegenüberliegende Ehrenfels, der nicht allein durch die Sage vom Bischof Hatto und den verfolgenden Mäusen seine Rolle in der mittelalterlichen Geschichte spielt. Auf ihm wurden auch eine Zeitlang, in den Tagen der Noth, die Mainzer Domkleinodien, die bei den Krönungen einzelner deutscher Herrscher dienten, in den Hafen geflüchtet. Und drüben wieder, fast mitten im Städtchen Bingen, liegt die Burg Klopp, auf welcher der Sage nach Heinrich der Vierte zuerst die vom eigenen Sohne über ihn verhängte Haft erduldete. Hier vorüber wallten die deutschen Kaiser Philipp und Rudolph von Schwaben, um im fernhergrüßenden Mainz die erste Weihe der Kaiserkrönung zu empfangen; hier vorüber zogen sie Alle, des Reiches Führer, „wenn sie neu gekrönt ihren Umritt hielten durch das deutsche Land“, und rheinwärts zogen die Kurfürsten zum Königsstuhl, zur vorhergehenden Königswahl am Stuhl zu Rhense.

Und die neuere Zeit! Sah nicht gerade der Niederwald Lust und Leid des Krieges an sich vorüberziehen? Die ersten jubelnden siegesfreudigen Heeressäulen, sie folgten dem Laufe der Nahe, die dort drüben aus düsteren Felsen und lachenden Fluren so hell und anmuthig heraufschimmert. Dort liegt Saarbrücken, wo der erste Schlag gegen das deutsche Heer geführt werden sollte und ein kleines Häuflein Tapferer ein ganzes Heer aufhielt, während die lächerliche Komödie mit dem Kinde von Frankreich in Scene gesetzt wurde. Dort bluteten die tapferen Vierziger, dort stürmten unsere wackeren Brüder den von Feuerschlünden umsäumten Weg auf die Berge von Spichern. Die blauen Linien aber, die sich gegen den Horizont, seitwärts des Donnersberges abziehen, es sind die Höhenzüge der Vogesen, des neuen nun wiedergewonnenen Reichslandes. Hier aber auch kamen sie vorüber, alle die tapferen Mannen, denen der Schlachtengott die ehrenvollen Wunden geschlagen. Hier in Bingerbrück, dem vielgenannten Eisenbahnknotenpunkt, war der Sammelplatz all’ jenes Elends, welches der Krieg nun einmal im Gefolge hat. Hier zeigte sich im glänzendsten Lichte die Samariterliebe des ganzen deutschen Volkes, hier lagen verbrüdert die Angehörigen aller deutschen Stämme und harrten und genossen Angesichts des Rheins der ersten werkthätigen Hülfe nach ihrer Rückkehr in’s theure Vaterland. Und oben auf dem Berge, neben

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 314. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_314.jpg&oldid=- (Version vom 27.8.2018)