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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

noch, aber nicht offen; um sie niederzuschlagen und den Schuldigen zu fassen, ist die bereiteste Wachsamkeit nöthig.“ Man sieht allerdings, daß sie nicht ausgerottet worden sein kann, denn sonst wäre eine Steigerung von 80 auf 974 Verurtheilungen nach einer mehr als dreißigjährigen Wirksamkeit der Gesellschaft nicht möglich gewesen.

Welche Thiere wurden nun gequält und wie? 552 Pferde, davon kommen 483 auf die Kärrner, die ihre Karren überladen, Eins, das man hatte verhungern lassen, 2, die man verbrannt, und Eins, das durch Schlagen verstümmelt worden. 47 Esel wurden schlecht behandelt und gepeinigt, ebenso 25 Ochsen, 10 Schafe und Schweine, 3 Kühe ließ man verhungern, 22 Hunde wurden schlecht behandelt und gepeinigt, Einer in einem Backofen verbrannt, 6 auf Dächse, Einer gegen einen andern Hund gehetzt; 88 Hahnengefechte wurden bestraft; gegen das Halten einer Arena zum Hahnengefecht wurde eine Bestrafung erzielt, ebenso gegen das Rupfen eines lebendigen Huhns und gegen das Jagen zweier lahmen Füchse (das Jagen der nicht lahmen Füchse hat sich die Aristokratie noch nicht verbieten lassen).

Die Constabler allein bewiesen 635 Fälle vor Gericht; mit Beistand von Privaten 114; in 105 Fällen hatte die Gesellschaft die Gerichtskosten zu tragen, wo die Verurtheilten in Ermangelung der Geldstrafe eingesperrt wurden; in 644 Fällen konnten diese zahlen und zahlten wirklich 985 Pfund Sterling 2 Schillinge 3 Pence an die Gerichte.

In der Zeit ihrer Existenz bis 1865 hat die Gesellschaft über vierzig Broschüren publicirt, darunter eine „gegen Kirchthurmrennen und Hundekämpfe“, eine andere „gegen das Nesterausnehmen“, eine „gegen den Kappzaum“ und eine „Anweisung, ein Pferd zu behandeln und zu halten: Das Pferdebuch“. Broschüren gegen Hasen- und Fuchshetzen fehlen noch aus naheliegenden Gründen, da die Gesellschaft so hohe Fuchsjäger zu ihren Patronen zählt. In Holland hat sich eine Zweiggesellschaft gebildet, in Spanien hingegen ist man auf Schwierigkeiten gestoßen, und suchte dieselben durch Beistand der Franzosen zu beseitigen, weil die Spanier religiöse Vorurtheile gegen die Engländer hegen. Der Verein hat einen Preis für eine Schrift gegen Vivisection ausgesetzt und hofft, letztere werde sich unterdrücken lassen.

Einhundertundfünfzig Mause- und Maulwurfsfallen wurden vorgelegt, welche diese Thierchen am wenigsten oder gar nicht quälten; der ganze Preis von 50 Pfund Sterling konnte nicht bewilligt werden, sondern nur 10 Pfund Sterling. Zu weiterer Vervollkommnung solcher Fallen hatte Herr John Laurie dem Verein 100 Pfund Sterling angewiesen. Leichter ließ sich für Saufstände der Droschkenpferde sorgen; dagegen hatte es Schwierigkeiten, den Londoner Magistrat zu Maßregeln zu bewegen, das Fallen der Pferde bei Frost in den Straßen der Hauptstadt zu verhindern. 1865 hatte Herr Colam in seinem Jahresbericht zu bedauern, daß die Viscounteß D’Alte der Gesellschaft „gegen die Grausamkeit in den Schlachthäusern“ 10,000 Pfund Sterling hinterlassen, daß aber der Lord-Kanzler das Legat für nichtig erklärt hatte wegen des Gesetzes über die „todte Hand“. „Und das Geld wäre so willkommen gewesen,“ sagt er, „da die Gesellschaft sich gerade damit beschäftigt hat, Methoden zu prüfen, wie man das Schlachtvieh ohne Schmerz tödten könne.“ Dagegen waren 1865 ungehindert eingegangen an kleineren Legaten 1100 Pfund Sterling und an Geschenken 520 Pfund Sterling, die der Secretär auszeichnet.

Im Ganzen betrug die Einnahme 1865 an Beiträgen der Mitglieder und an Schenkungen 2712 Pfd. St. 17 Sch. 7 Pence, eine hübsche Summe außer den kleinen Vermächtnissen, gegen die kein Einspruch beim Lord-Kanzler erhoben werden konnte oder wurde.

Mit sorgfältiger Beobachtung aller bei Vermächtnissen einzuhaltenden Vorschriften hat denn auch die Gesellschaft, wenn nicht größere Vermächtnisse als das der Viscounteß D’Alte, doch recht ansehnliche, meist von Damen erhalten, darunter einzelne von 10,000 Thaler und noch höher.

Mit den 29,918 Pfd. Sterl. 18 Sh. 6 P., welche die Gesellschaft auf solche Art im Jahre 1865 nur an Legaten und Geschenken erhielt, hätte sich auf dem Wege der Lehre, Predigt und Literatur und mit einer Jahreseinnahme von mehr denn 2000, ja von nahezu 3000 Pfd. Sterl. für die passende Circulation solcher Schriften mehr thun lassen, wäre nicht die Richtung auf die Entdeckung und Bestrafung der Uebelthäter vorherrschend gewesen. Diese Thätigkeit erfordert tüchtige und gut bezahlte Beamte, ist daher ziemlich kostspielig, namentlich bei einer so bedeutenden Steigerung der Verfolgungen, wie sie der Bericht angiebt. Dabei wird das Publicum aufgefordert, dem Secretär Anzeigen zu machen, und Verschwiegenheit versprochen, wenn sie gewünscht wird. Die Gesellschaft treibt damit etwas stark in die Gewohnheiten und Vorurtheile der Polizei hinein. Sie denkt: je weniger sie ausrichtet (denn sie sagt selbst, die Grausamkeit existire nach wie vor, sie verstecke sich nur), desto eifriger müsse sie verfolgen; und weil sich die Grausamkeit versteckt, so fordert sie „zur Anzeige“ auf, damit die Schuldigen sich vor dem ganzen Publicum fürchten sollen.

Das Beste in dieser Richtung ist noch, daß sie die gewöhnlichen Constabler belohnt, wenn sie schlimme Fälle vor Gericht bringen; daß sie hingegen sich ihre eigene Polizei mit ihrem eigenen Chef eingerichtet, ist dem eigentlichen Zweck, der Humanisirung des allgemeinen Geistes, nur im Wege, indem diese kostspielige Einrichtung das Geld der Propaganda wegnimmt.

Die Propaganda fällt daneben in das niedere Tractätchenwesen, während gute Vorlesungen, gute belehrende Bücher, Vorlesungen in Schulen und gute Zeitungsartikel in populären Journalen unendlich wichtiger wären. Warum? Weil sie sowohl der Sache, als auch dem Publicum auf den Grund kommen, eine Einsicht und eine öffentliche Meinung bilden, die, wenn erstarkt, das Unwiderstehlichste und Wirksamste ist. Auf diesem Wege würden sich in mehr als dreißig Jahren ohne Zweifel die Fälle der Verfolgung vermindert und die Grausamkeit sich nicht nur vorgesehen, sondern mehr und mehr aus den Sitten verloren haben.

Wenn es indessen wahr ist, daß vor der Parlamentsacte von 1822 die Hausthiere in England unmenschlich behandelt wurden, so muß denn doch seitdem und vielleicht durch die Thätigkeit der Gesellschaft eine große Besserung eingetreten sein. Die Pferde, die Hunde und die Katzen zeigen sich ungemein zutraulich und furchtlos, was sie bei schlechter Behandlung durchaus nicht thun. Jeder Droschkenkutscher läßt sein Pferd ohne Leine allein stehen, und öffnet den Schlag, jedes Pferd hört präcis auf den Ruf seines Herrn; diese Folgsamkeit und Gelehrigkeit ist kein Resultat der Furcht, sondern des Zutrauens. Die Katzen flüchten sich nicht, wie sie es in Gegenden thun, wo sie geneckt und gejagt werden; die Hunde gehen Erwachsenen kaum aus dem Wege, während sie vor den Straßenjungen, die ihnen mit Steinen auflauern, einen Heidenrespect haben. Man sollte daher wohl sagen: aus dem Betragen dieser Thiere sieht man, wie human sie im Ganzen behandelt werden, und daß denn doch seit 1822 eine wesentliche Besserung eingetreten sein müsse.

Die Parlamentsacte ist interessant. Ich führe einige Sätze daraus an:

Section II Act 12 und 13 Victoria c. 92 vom 1. August 1850: „Und es soll Gesetz sein: daß Jeder, der ein Thier grausam schlägt, mißhandelt, überarbeitet, mißbraucht, quält oder solche Mißhandlung anordnet, Jeder, der sich dies zu Schulden kommen läßt, soll eine Strafe von nicht mehr als 5 Pfd. Sterl. zahlen.“

Dieselbe Strafe wurde gesetzt auf das Halten und Gebrauchen von einer Arena für Stier-, Bär-, Dachs-, Hunde- und Hahngefechte, oder für Stier-, Bär-, Dachs- oder Hundehetzen. Auch die Beförderer alles Dessen werden so bestraft.

Die Acte geht auf’s Einzelne ein, kommt auf die Schlächter und Abdecker und bestimmt, daß gepfändetes Vieh gefüttert werden muß, daß bei Verurtheilungen in Ermangelung des Geldes mit Gefängniß gebüßt werden soll etc., und schließt zu mehrerer Deutlichkeit so: „Die Wörter im Singular sollen auch für mehrere Personen und Thiere gelten, die im männlichen Geschlecht auch auf weibliche Personen und Thiere Anwendung finden und ‚überarbeiten‘ soll heißen durch Reiten oder Fahren. Das Wort ‚Thier‘ soll bedeuten Pferd, Stute, Walach, Stier, Ochse, Kuh, Starke, Bulle, Kalb, Maulesel, Esel, Schaf, Lamm, Eber, Schwein, Sau, Ziege, Hund, Katze und jedes andere Hausthier.“

Ich habe die Aufzählung nicht verfälscht, was ein leichtsinniger Anhänger der Logik vermuthen möchte; vielmehr scheint mir der Fuchs, der Hase, der Dachs und der Bär noch zu fehlen. Wie erlangte die Gesellschaft unter diesen Umständen ihre Verurtheilung der Jäger der beiden lahmen Füchse?

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 308. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_308.jpg&oldid=- (Version vom 27.8.2018)