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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

wenige Befreundete konnten hier und da Auskunft geben. Sintemalen man aber kein Licht anzündet, um es unter einen Scheffel zu stellen, sondern daß es leuchte, so wollen wir unseren Lesern einige Blätter aus Hendschel’s Skizzenbuch zum Abdrucke bringen und diejenigen Mittheilungen aus dem Lebens- und Entwicklungsgange des Malers hinzufügen, wie sie die Theilnahme und das Interesse an seinen Werken zu wissen erfordern.

Albert Hendschel ist im Jahre 1834 zu Frankfurt am Main geboren und entstammt einer Familie, deren Name wenigstens längst weithin bekannt geworden ist durch das von seinem Vater begründete und herausgegebene Eisenbahnbuch „Hendschel’s Telegraph“.

Schon die vielseitige Anregung im häuslichen Kreise weckte seinen offenen Sinn und sein scharfblickendes Auge. Er genoß eine sorgfältige Erziehung, die für harmonische Ausbildung und einen glücklichen Menschen angelegt war und deren gute Erfolge sich heute noch darin beweisen, daß Hendschel vor Allem ein ganzer Mensch und dann erst Künstler sein will. Wie Viele stellen überall und einseitig den Maler voran, der überdies leider oft nichts Höheres kennt als einige Zunftbestrebungen, und dessen ganzer Lebenszweck, dessen ganze künstlerische Thätigkeit sich darauf beschränkt, so und so viele Bilder in die Welt zu setzen, und im Uebrigen sich um die Herrlichkeit dieser Welt, um all das Schöne und Gute, das Wissenswerthe und Große ebensowenig kümmert wie um das süße innerliche Stillleben im kleinsten Raume. Nein, ein Kind aus der „ehemals freien Reichsstadt Frankfurt“, ein Sproß aus Goethe’s Frankfurt wandelt andere Wege und spricht:

„Dir gehöret mein Herz, du Leben voll göttlicher Schönheit,
 Das ich mit dankbarem Sinn nehm’ aus der Hand der Natur.“

Solche Gefühle bewegten den Knaben und entwickelten seine Lust Allem nachzugehen, was ihn interessirte, und dies kennzeichnet heute noch die künstlerische Thätigkeit des Mannes. Das Geschaute festzuhalten in Wort und Bild, übte nicht blos in früher Jugend schon seinen entschiedenen Formensinn, sondern brachte auch frühzeitig dessen technische Unterstützung durch ein bedeutendes Zeichentalent zum Vorschein. Die Vorträge seiner Lehrer wußte er sich bald durch humoristische Illustrationen zu würzen, und noch während des Besuchs des Gymnasiums trieb es ihn zur Theilnahme an dem Zeichenunterricht im Städel’schen Kunstinstitute. Dennoch war er bei seiner glücklichen Allseitigkeit unentschieden, welchem Berufe er sich zuwenden solle, bis eine von ihm entworfene frappant ähnliche Carricatur einer bekannten Persönlichkeit seine Eltern bestimmte, ihn sich der Kunst widmen zu lassen.

Im Jahre 1847 trat er sodann ganz als Schüler in das Städel’sche Kunstinstitut ein, besuchte zunächst den Elementarunterricht von Professor J. Becker und zeichnete nach der Antike bei Passavant und Steinle. Jetzt ging seine künstlerische Entwicklung rasch vorwärts und mit der täglich geübten technischen Fertigkeit wuchs zugleich die Leichtigkeit im Schaffen und die heitere Lust am Bilden überhaupt. Die ernsteren Studien nach dem lebenden Modell machte er unter dem Bildhauer Professor J. N. Zwerger, Kupferstecher Professor E. E. Schäfer und Historienmaler Professor Ed. Steinle, welche damals das Zeichnen nach dem Akt leiteten. In die Malschule trat er unter Professor J. Becker und blieb schließlich dessen Specialschüler bis zum Jahre 1865.

Ein reiches, schönes Leben war dem Künstler in dieser Periode aufgegangen. Feind alles akademischen Zopfes, wußte er sich die glückliche Natürlichkeit zu erhalten, welche mit dem Hauche der Poesie nicht nur Fühlen und Denken durchdringt, sondern auch die äußere Erscheinung des Künstlers mit der Liebenswürdigkeit kleidet, die ihn überall willkommen sein läßt. Ein gewählter Kreis kunstsinniger Freunde bot ihm mannigfaltige Gelegenheit, mit den schönsten Gaben seines Talentes zu erfreuen, und in liberalster Weise war er jederzeit dazu bereit, ohne eitel damit glänzen zu wollen, ja grundsätzlich jeglicher Anerkennung aus dem Wege gehend und zufrieden, wenn dem Kunstinteresse gedient war. Hendschel’s außerordentliche Fähigkeit, einmal Gesehenes aus der Erinnerung zu zeichnen, fand hier, unterstützt durch ein wunderbares Formengedächtniß, die vielseitigsten Motive, um daran zur vollen Ausbildung zu gelangen, und nicht blos einzelne Physiognomien, sondern auch ganze Gruppen in ihrer charakteristischen Erscheinung mit wenigen Strichen festzuhalten. Dieser Zeit verdanken vor Allem die Skizzenbücher ihre Entstehung, aus welchen wir probeweise „Kinder an der Schaukel“, „Mädchen mit Puppe“, „Bäckermagd im Sturm“, „Augenarzt“, „Kinder am Brunnen“ (Glück und Unglück), „Schusterjungen und Kesselflicker“ etc. abdrucken. Alles Scenen, welche wirklich aus dem Leben stammen, daher das Anheimeln derselben, das ungezwungen Heiterstimmende, als wären wir mit dabei. Einen solchen Humoristen, mit der Wahrheit und Frische, dürfen wir gewiß willkommen heißen, und Deutschland hat es gethan, denn sein „Skizzenbuch“ ist, wie schon gesagt, mit einem Enthusiasmus aufgenommen und hat in überaus kurzer Zeit, trotz des hohen Preises, eine Verbreitung gefunden, wie selten ein Kunstwerk vorher.

Günstige Verhältnisse gestatteten Hendschel nach allen Seiten hin eine planmäßige Abrundung seiner künstlerischen Bestrebungen; der häufige Besuch der bedeutendsten Galerien des In- und Auslandes bildete sein kritisches Urtheil und eine im Jahre 1869–1870 unternommene Reise nach Italien gab seiner vollendeten Entwicklung die höhere Weihe, die den Künstler frei und selbstständig in den Dienst der Musen und auf denjenigen Platz stellt, den er allein mit seinen eigenartigen Schöpfungen auszufüllen vermag.

Damit ist denn wohl auch der Zeitpunkt gekommen, der über die Grenzen der Vaterstadt hinaustreten heißt. Hinter den Bergen wohnen auch noch Leute, und ich meine, sie haben es bewiesen, welches große Interesse sie an den Leistungen eines echten Künstlers nehmen, durch die freudige Erregung und den Willkommen, den sie der ersten Publication „Aus A. Hendschel’s Skizzenbuch“ entgegenbrachten. Möge der junge Maler fortfahren, ein dankbares Publicum um sich zu sammeln; möge er nach und nach die nicht blos mehr oder weniger vollendeten Studien und Skizzen seiner Mappen, sondern auch die größeren Schöpfungen, wie sie ihm schon gelungen, und überhaupt den ganzen Reichthum seines künstlerischen Fühlens und Denkens entfalten.

Eine bloße Aufzählung der Compositionen, wie sie uns aus seinem Atelier bekannt geworden, würde wenig geeignet sein, einen Begriff davon zu geben, ohne die Anschauung; aber sagen wollen wir doch, daß aus den Gebieten der Märchenwelt, der Legende, des ländlichen und romantischen Genres, sowie der Geschichte, Bilder wie Aschenbrödel, Schneewittchen, – der Geiger von Gemünd, – die Kaffeegesellschaft, – der Wirthin Töchterlein, – Compositionen zu Götz von Berlichingen und Illustrationen zu Shakespeare, durch ihre Originalität, Unmittelbarkeit der Empfindung und Feinheit des technischen Vortrags uns mit einer Bedeutung angesprochen haben, wie selten etwas Aehnliches.

Wenn irgend ein moderner Maler unser Alltagsleben mit poetischen Augen anzuschauen, den natürlichen Humor desselben herauszufinden und mit forminniger, dabei eleganter Ausdrucksweise wiederzugeben weiß, so ist es Albert Hendschel. Darum wird mit der wachsenden Kenntniß seiner Werke auch die verdiente Anerkennung gleichen Schritt halten. Die Kunst hat leider im letzten Jahre so viele hervorragende Jünger verloren, daß wir uns herzlich freuen müssen, wenn eine so eminente, so glänzend begabte neue Kraft erscheint, um wenigstens eine Lücke wieder auszufüllen.

G. M.




Die Elbbrücken der Paris-Hamburger Eisenbahn.


Der den Menschenkindern zur Wohnung dienende Planet kann, so behaupteten dereinst die „Fliegenden Blätter“, dem von Zeit zu Zeit ihm in angenehme Aussicht gestellten Zusammenstoß mit irgend einem vagabondirenden Kometen ruhig entgegensehen, sintemal der alte Erdenball derart mit eisernen Reifen überzogen ist, daß er einen gelinden Puff ebenso gut zu ertragen vermag, wie ein irdener Kochtopf, den des Drahtflechters Hand mit stützendem Netze versehen hat.

Jungfrau Europa kann in dieser Beziehung nicht über Vernachlässigung klagen; an einigen Stellen, z. B. Großbritannien,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 274. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_274.jpg&oldid=- (Version vom 27.8.2018)