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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

No. 9.   1872.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich bis 2 Bogen.    Vierteljährlich 15 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.



Am Altar.


Von E. Werner, Verfasser des „Helden der Feder“.


(Fortsetzung.)


„Bruno hat Dich nie geliebt!“ fuhr der Prälat erbarmungslos fort, „all Deine Sorge, Deine Zärtlichkeit für ihn hat immer nur dies scheue Ausweichen, diese instinctmäßige Abneigung gefunden. Sprich das verhängnißvolle Wort aus, und sein Haß ist Dir gewiß!“

Der Prälat hatte das rechte Mittel ergriffen, den Ungestüm des Bruders zu zügeln, durch die Züge des Grafen ging ein schmerzliches Zucken.

„Ich weiß es!“ sagte er tonlos, „und das ist’s, was ich nicht ertragen kann. Du hast mir von jeher diese Liebe zum Vorwurf gemacht, es ist das Einzige, was ich mir aus jenem Jugendtraum gerettet habe, und, was Du auch sagen magst, es ist das Beste an mir. Aber noch einmal, Bruder,“ er richtete sich hoch und fest auf, hier ist die Grenze, wo ich Dir Trotz biete. Wenn Bruno gefehlt hat, so laß ihn sich verantworten, strafe ihn, so weit Deine Stellung als Abt und die weltliche Macht es erlaubt, aber hüte Dich, ihn dem Arme dieser Macht zu entziehen, der ihn vor dem Schlimmsten schützt. Euerer Mönchsrache werde ich ihn nie auf Gnade und Ungnade preisgeben! Hüte Dich, ihn aus meinen Augen verschwinden zu lassen; ich werde seine Spur finden und will dann nicht umsonst der mächtige einflußreiche Graf Rhaneck sein. Auch Deine Priestergewalt hat ein Ende, und ich schone nichts mehr, wenn Du mich zum Aeußersten treibst! Leb wohl!“

Er ging, er hatte ruhiger gesprochen als vorhin, ohne jenes wilde Aufbrausen, aber eben deshalb wirkte die Drohung diesmal mehr. Der Prälat blickte ihm finster nach, er sah die Macht, die er mit der Ueberlegenheit eines kalten unbewegten Charakters von jeher über den leidenschaftlichen Bruder ausgeübt, in Trümmer gehen, er wußte besser als der Graf selbst, daß hier ihre Grenze war. Er war noch ganz in dies finstere Nachdenken versunken, als der Pater Prior gemeldet ward, der gleich darauf eintrat und sich mit seinem gewöhnlichen schleichend demüthigen Wesen ihm näherte.

„Ich komme, die Befehle meines hochwürdigsten Abtes in Bezug auf Pater Benedict in Empfang zu nehmen,“ begann er feierlich. „Wir können ihn von morgen an jeden Tag erwarten. Reverendissimus wünschen wohl jedenfalls erst seine Verantwortung zu hören?“

„Verantwortung?“ fragte der Prälat scharf; „deren bedarf es hier nicht mehr! Wenn er sich, wie ich nicht zweifle, zu seinen Worten bekennt, so bleibt nur noch übrig, Gericht über ihn zu halten. Ich habe über den Fall bereits an den Erzbischof berichtet und erwarte stündlich seine Antwort. Indeß ich weiß im Voraus, was ich zu thun habe, und daß man mir vollkommen freie Hand lassen wird.“

„Auch ich bin überzeugt, daß man uns die unbeschränkteste Vollmacht ertheilt!“ bestätigte der Prior mit einem frommen Aufblick nach oben. „Es gilt, den Frechen zu strafen, und die schwer beleidigte Kirche durch Reue und Büßung wieder zu versöhnen, damit ihr Heil –“

Der Prälat machte eine ungeduldige Bewegung. „Lassen Sie den salbungsvollen Ton! Sie wissen, ich liebe das Frömmeln nicht, am wenigsten, wenn wir unter uns sind. Es handelt sich nicht darum, die Kirche zu versöhnen, sondern sie vor einer Gefahr zu schützen, hier wo das Beispiel des Einzelnen verhängnißvoll werden könnte für den ganzen Stand. Ich bin entschlossen, die vollste Strenge walten zu lassen!“

Ein triumphirender Blick schoß aus den Augen des Priors, aber er senkte sie sofort wieder demüthigst zu Boden. Man durfte heute dem Prälaten nur mit Vorsicht nahen, es geschah selten, daß er sich in so scharfen rücksichtslosen Worten gehen ließ, wie eben jetzt, irgend etwas mußte ihn furchtbar gereizt haben und es ward dem schlauen Mönche nicht schwer, diese Gereiztheit mit dem vorhergegangenen Besuch des Grafen und dem wahrscheinlichen Gegenstande der Erörterung zwischen den Brüdern in Verbindung zu bringen.

„Die vollste Strenge!“ wiederholte er langsam. „Ohne Zweifel! Wenn nur der Herr Graf Rhaneck nicht Einspruch thut! Ich meine,“ verbesserte er sich schnell, „er wird seinen ganzen Einfluß zu Gunsten seines Schützlings aufbieten.“

„Ich bin in solchen Dingen dem Einfluß meines Bruders nicht zugänglich!“ erklärte der Prälat hart und entschieden.

„Ich weiß, Hochwürdigster, ich weiß!“ stimmte der Prior bei. „Aber es könnte doch sein. Der Herr Graf hegt ein großes, ein ganz ungewöhnliches Interesse für Pater Benedict – wenn er es versuchte, gegen Ihren Willen –“

Weiter zu gehen in seinen Andeutungen wagte er nicht, ihm war es schon genug, daß der Prälat schwieg und ihn nicht vornehm zurückwies, was sonst unfehlbar geschehen wäre. Also, schloß der Prior weiter, es hatte bereits Streit deswegen zwischen den Brüdern gegeben, Rhaneck hatte vermuthlich gedroht, da galt es zu stacheln, der Prior kannte seinen Abt.

„Der Herr Graf weiß oder ahnt doch wenigstens, was

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_133.jpg&oldid=- (Version vom 30.5.2018)