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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

während der Tageshelle gefallen lassen würde, war ich gleichfalls neugierig zu erfahren. Zu diesem Zwecke wurde dafür gesorgt, daß kein Hanfsamen zur Erde fiel, außerdem aber hatte ich in meiner Zimmerthüre eine kleine Oeffnung angebracht, welche mich in den Stand setzte, außerhalb meiner Stube die Vorgänge in derselben zu beobachten. In einem Augenblicke nun, als die Maus in der Mauerspalte sichtbar wurde, verließ ich das Zimmer und begab mich auf meinen Posten. Das Thier lief mehrmals unter dem Fenster hin und her, und als es nichts finden konnte, kletterte es zwischen der Mauer und einem etwa einen Fuß hohen Fenstertritt auf den letztern, von welchem es vermittelst der Rückenlehne eines aus Weidenruthen geflochtenen Lehnsessels an die Fenstervorhänge gelangte. An diese hinan breitete sich die Krone einer Myrthe, deren Zweige bis zum Vogelbauer emporragten und als letzte Station ebenfalls von der Maus benutzt wurden.

Der Canarienvogel hatte seinen Gast bereits in der Myrthenkrone bemerkt, verließ seinen Sprossensitz und eilte demselben bis an das Drahtgitter entgegen. Gleichwohl bestieg die Maus den Rand des Vogelbauers, aber dem muthigen und kühnen Wächter seines Hauses gegenüber blieben alle Versuche ihrerseits fruchtlos, in den Käfig zu gelangen, da der Vogel mit ausgespreizten Flügeln und zum Loshacken bereit gehaltenem Schnabel bald von der obern Sprosse die Decke, bald unten die Seiten seiner Wohnung gegen den frechen Eindringling zu vertheidigen wußte. Der Maus blieb zuletzt nichts Anderes übrig, als auf dem angegebenen Wege die Rückkehr anzutreten. Nach Verlauf einer Viertelstunde bemerkte ich indeß die Maus wiederum in der Mauerspalte. Das Thier mußte, wie ich glaubte, stark vom Hunger gequält werden, weshalb ich mich anschickte, einige Hanfkörner auf den Fußboden zu streuen. Dabei fiel mir jedoch ein, es könnte von demselben der Versuch, in das Vogelbauer zu gelangen, noch einmal gemacht werden, weshalb ich wiederum das Zimmer verließ. Auf meinem Beobachtungsposten angelangt, erstaunte ich indessen nicht wenig, als ich jetzt zwei Mäuse im Zimmer erblickte. Beide suchten auf dem bestimmten Wege das Vogelbauer zu erreichen, bei welcher Gelegenheit die eine freilich einige Secunden früher am Rande des Vogelbauers erschien. Der Canarienvogel beeilte sich, seine frühere Position einzunehmen, und rückte ebenso kampfbereit wie vorher an das Gitter. Die Maus schien es aber für dieses Mal weniger auf ein Eindringen abgesehen zu haben, und eilte vielmehr bald oben, bald an der Seite hin und her, um den Vogel in beständiger Aufmerksamkeit zu erhalten.

Dabei wurde ich gewahr, daß die später Eingetroffene sich, ohne daß es der Vogel merkte, durchs Gitter an den Futterbehälter geschlichen hatte und hier unbekümmert um das, was um sie her vorging, am Hanfsamen zehrte. Erst nach einiger Zeit wurden beide Vierfüßler sichtbar, doch verschwand sehr bald wieder einer derselben vom Schauplatze. In Folge dieses Wechsels, der sich zu verschiedenen Malen wiederholte, so daß bald eine, bald beide Mäuse zum Vorschein kamen, läßt es sich wohl mit Bestimmtheit annehmen, daß sowohl eine, als die andere den Käfig nicht ungesättigt verlassen, und den Canarienvogel in schlauer Art und Weise um seine Hanfkörner gebracht haben. Etwa fünf bis sechs Minuten lang beobachtete ich dieselbe Erscheinung, dabei fürchtete ich indeß, daß die lange Aufregung dem kleinen Sänger, meinem Lieblinge, Schaden bringen könne, weshalb ich die Thür öffnete und dadurch die frechen Näscher zu eiliger Flucht nöthigte.

     Rhein in Ostpreußen.

J. A. D.




Der Stellvertreter des Dover-Calais-Tunnels. Eine Dampffähre zwischen England und Frankreich. In einem frühern Bericht habe ich Ihnen mitgetheilt, daß eine bedeutende Autorität dafür sei, eine große Dampffähre zwischen England und Frankreich zu erbauen, und dadurch allen Uebelständen der Seefahrt abzuhelfen. Dies ist jetzt im Werke, und die Daily News von heute bringt folgenden Bericht über den gegenwärtigen Stand des Unternehmens, offenbar aus der Feder eines Sachverständigen, der mit zu dem Unternehmen gehört:

„Heute Morgen soll eine Conferenz sein zwischen den Vorstehern der Eisenbahnlinien, die es angeht, und den Vertretern der projectirten Dampffähre zwischen England und Frankreich, und so verdient der Plan, die Uebelstände der Canalfahrt zu beseitigen, bei Annäherung zu seiner Ausführung um so mehr eine Besprechung, als über den Umfang, die Tragfähigkeit und den Zweck der vorgeschlagenen Dampffähre die irrigsten Anschauungen herrschen. Man hat kürzlich angenommen, einen Zug voll Reisender an Bord eines Fährbootes zu nehmen, würde seine Tragkraft übersteigen, und hat in der Presse den Wink fallen lassen, man möge sich doch auf die Bequemlichkeit der Reisenden und die Unterbringung ihres Gepäckes beschränken und den Wagenzug auf dem Trocknen lassen. Nichts könnte absurder sein, als dieser Rath, wenn die projectirte Dampffähre überhaupt angenommen werden soll. Das Wesentliche ist, die Ueberfahrt über den Canal zu erleichtern; und dies ist unmöglich (wenn man nicht zu den Plänen eines Tunnels oder einer Brücke zurückkommen will), außer durch die Construirung von so großen Booten, daß die Wellen mit ihrer Bewegung sich wenig oder gar nicht mehr fühlbar machen können. Der Vorschlag ist also, daß die Fährboote fünftausend Tonnen Gehalt haben sollen, daß sie vierhundertfünfzig Fuß lang, fünfundsiebenzig von Bord zu Bord breit und fünfundachtzig Fuß über die Kasten der Schaufelräder hoch sein sollen. Ein Eisenbahnzug von gewöhnlichem Umfang wiegt hundert bis hundertfünfzig Tonnen, also nicht mehr, als der nothwendige Ballast für das vorgeschlagene Fährboot; und die Frage, ob er mitzunehmen sei, ist zu beseitigen durch die Bemerkung, daß, wenn ein allgemeiner Aufbruch gemacht, Passagiere und Güter ausgeladen, eingeschifft, gelandet und wieder in den Zug gesetzt werden sollen, dies ein gänzliches Mißverstehen oder vielmehr nichts Geringeres, als eine höfliche Ablehnung des ganzen Planes ist.

Der Plan zu der Canaleisenbahnfähre ist von Herrn John Fowler entworfen worden, der den Gegenstand seit 1864 unter Händen hat. Im Vergleich mit dem oben angegebenen Umfang der beabsichtigten Fähre ist zu erwähnen, daß die Dampfer zwischen Dover und Calais gegenwärtig nur hundertneunzig Fuß lang und fünfundzwanzig Fuß breit sind. Die zwischen Folkestone und Boulogne sind zweihundertelf Fuß lang und vierundzwanzig Fuß breit. Die Reise währt jetzt zwischen Dover und Calais etwa ein und drei Viertel Stunde, und zwischen Folkestone und Boulogne etwa zwei Stunden. Herr Fowler schlägt vor, die Reise in weniger als einer Stunde zu machen, und den Bahnzug vermittelst hydraulischer Hebewerke unmittelbar auf das Boot laufen zu lassen. Die Reisenden werden diese Einschiffung des Zuges gar nicht gewahr werden, so leicht wird sie vor sich gehen; und die Zeichnungen, welche dem Unterhause vorgelegt wurden, zeigen sehr deutlich, wie diese mechanische Operation in’s Werk zu setzen ist. Die Bahnzüge der South-Eastern- und der London-Chatham-Dover-Bahn werden vereinigt werden, ehe sie auf das Boot kommen, und es ist berechnet worden, daß zwölf Wagen auf dem obern Verdeck und zwölf Güterwagen mit acht weiteren Passagierwagen auf dem zweitem Deck – dies giebt im Ganzen Raum für zweihundertachtundachtzig Reisende – Alles sein wird, was erforderlich ist. Herr Fowler und Sir William Armstrong haben die Zeit genau berechnet, die mit der Einschiffung des Zuges hingehen wird, und sind im Stande, in fünf Minuten Alles auf das obere Verdeck zu bringen, und wenn das untere Deck für einen Güterzug nothwendig ist, diesen ebenfalls in fünf Minuten an Bord zu bringen.

Das Fährboot wird aber auf den Zug unter Dach warten; denn ein mächtiges Glasdach soll über dem Wasser errichtet werden, sowohl für das Boot, als für den Zug. Sobald der Zug an Bord ist, kann der Reisende seine Wagenthür öffnen und sich entweder in eine Privatkajüte zu seiner Seite begeben, oder in einen glänzenden Erfrischungssaal gehen, oder auch auf das Verdeck steigen. Jeder, der ein amerikanisches Dampfboot gesehen hat, weiß, wie die vorgeschlagene Fähre sich ausnehmen wird. Der Wagenzug steht im Centrum eines Decksalons, gerade wie der Eßtisch in gewöhnlichen Dampfbooten, und zu beiden Seiten desselben sind Kajüten. Ueber der langen Kajüte, in welcher der Dampfzug hält, ist ein Oberverdeck, wo man bei gutem Wetter spazieren geht.

Capitain Paton, der eine Zeitlang den ‚Great Eastern‘ commandirte, hat bezeugt, das Gewicht eines Bahnzuges von zwölf Wagen würde nach seinem Dafürhalten im Vergleich mit der Tragkraft der Dampffähre so unbedeutend sein, daß es weder auf dem Ober-, noch auf dem Unterdeck irgend einen fühlbaren Eindruck machen würde; und der verstorbene Sir Luke Smithett, der den Dienst zwischen Dover und Calais dreißig Jahre versehen hat, hat sich in einer Weise ausgesprochen, welche dem Herzen jedes Reisenden wohlthun wird: ‚Die Boote würden sich viel weniger bewegen, die Seekrankheit also sehr abnehmen. Selbst stürmisches Wetter könne solchen Booten nichts anhaben, sie könnten nicht stauchen und bei der vorgeschlagenen Schnelligkeit auch nicht hin- und herrollen.‘ Diese Zeugnisse werden viele Zweifel über Thunlichkeit und Tüchtigkeit des Dampffährplanes beseitigen.

Der zweite Hafendamm oder Molo zu Dover, der ein Theil dieses Planes ist, wird einen mächtigen Ankerplatz für Schiffe hergeben; denn in Verbindung mit dem Admiralitätsdamme, der verlängert werden soll, wird er eine große ruhige Wasserfläche einschließen, wo die Dampffährboote bei jedem Wetter und jedem Fluthstande einen Hafen finden werden. Der Einschiffungspunkt an der französischen Küste soll zwischen Boulogne und Calais sein und ist nach langer Ueberlegung und Erörterung festgesetzt worden.

Der Anschlag für die Veränderungen in Dover und die Dampffähren ist eine Million Pfund Sterling, mit Ausschluß der Kosten des Hafenbaues, der an der französischen Küste zu errichten ist und wofür, wie wir hören, die Regierung von Frankreich eintreten wird.

Die Zeit zur Vollendung der Werke und bis zur Segelfertigkeit der Fährboote wird auf drei Jahre, vom Beginn der Arbeiten ab, angeschlagen. So scheint also die Canalfähre die meiste Aussicht zu haben, uns zur Ueberwindung der Unbequemlichkeiten hinweg zu helfen, welche der ‚Wassergraben‘ zwischen England und Frankreich uns jetzt verursacht; es handelt sich darum, sich in London einzusetzen, acht Stunden darauf in Paris zu sein und Bahnzüge mit Reisenden und Gütern direct und ohne Umladung von London nach Berlin oder Wien etc. schicken zu können.

Brighton, 4. Januar 1872.

A. Ruge.




Für Ludwig Feuerbach.


gingen wieder ein: W. B. in Pettau (Steiermark) 1 Thlr. 10 Ngr.; J. R. in Weimar 5 Thlr.; aus Minden 1 Thlr.; C. D. Vogt 10 Thlr.; Dr. Schulz in Pritzwalk 5 Thlr.; Lorenz Bauer in Zwickau 1 Thlr.; A. H. Allenstein 1 Thlr.; Bardey in Stuer 1 Thlr.; C. S. in Karlsruhe 5 Thlr. 21 Ngr. 4 Pf.; Th. Grieben in Berlin 5 Thlr.; Frau Dehoff in Baden-Baden 1 Thlr.; Andreas Z. in N. 3 Thlr.; Schulte-Heuthau in Rosenau 5 Thlr.; Wiedemann in St. 3 Thlr.; C. Wild in Baden-Baden 3 Thlr.; Guhrauer 10 Ngr.; J. M. in T. 8 Thlr.; durch Dr. Oelschläger in Danzig gesammelt 15 Thlr. 10 Ngr.; H. L. in Eschweiler 2 Thlr.; durch A. M. Fuchs in Magdeburg gesammelt 2 Thlr.; Conrad Doubler in Dorf Geisern 1 Thlr.; Busoldt u. Frau 5 Thlr.; J. Z. in Tonna 2 Thlr.; aus Wittstock 5 Thlr.; H. L. 2 Thlr.; L. Th. 1 Thlr.; Justizr. Siemens in Wendisch-E. 10 Thlr.; J. N. in Arcs-Zercel (Lothringen) 2 Thlr. 20 Ngr.; J. Heinrich in Prag 5 fl.; K. W. in Wien 5 fl.; K. S. in Dauborn 15 Ngr.; auf dem Antrittscommers der freien studentischen Vereinigung zu Leipzig 6 Thlr. 23 Ngr. 3 Pf.; Ungenannt 1 Thlr.; aus Glatz 2 Thlr.

Redaction der Gartenlaube.


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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