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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)


und gehen in das Drawing-Room, die Herrn bei der Weinflasche zurücklassend.

Ehe man zu essen anfängt, spricht der Hausherr, oder wenn ein Geistlicher bei Tisch ist, dieser ein oft sehr langes Tischgebet und dasselbe wiederholt sich vor dem Abnehmen des Tischtuches. „Gesegnete Mahlzeit“ zu sagen, oder nach Tisch seinem Nachbar eine Verbeugung zu machen, oder der Frau vom Hause die Hand zu küssen, ist nicht Sitte.

Die Damen haben es gar nicht gern, wenn irgend ein Herr, in der Meinung galant zu sein, ihre Gesellschaft der Flasche vorzieht. Sie haben Allerlei unter sich zu reden, was die Herren nicht zu hören brauchen, und schlafen wohl auch gern ein Viertelstündchen in einem bequemen Lehnsessel. Kommen die Herren endlich, mitunter ziemlich angeheitert, in das Drawing-Room, dann wird Thee herumgegeben und dazu ganz außerordentlich dünne zusammengelegte Butterbrode, die als Sandwiches bekannt sind. – Damit enden die regulären Mahlzeiten der Engländer.

An Weihnachten kollern alle Truthähne in England ihr de profundis und nehmen Abschied von ihren Puten. Welchen Zusammenhang die christliche Religion mit dem Geschlecht der Puten hat, ist mir eins der vielen in ihr enthaltenen Mysterien. Der Truthahn heißt bekanntlich auch in Deutschland der Consistorial-Vogel und scheint mit der Theologie in irgend welchem Zusammenhange zu stehen. In England ist es eine Art von religiöser Pflicht, zur Weihnachtszeit einen Truthahn zu essen. Wer dazu nicht im Stande ist, kommt sich wie excommunicirt vor. So fromm die Engländer sich zu sein rühmen, so denken doch um die Weihnachtszeit neunundneunzig von hundert gar nicht an die Geburt Christi, sondern einzig an Truthahn und Plumpudding. Das Weihnachtsfest ist in Deutschland ein Fest für Herz und Magen, in England für Magen und Herz.

Ich habe freilich viel über englische Weihnachtsfestlichkeiten gelesen, die besonders auf dem Lande gefeiert werden; allein da die Familien der Engländer und besonders für einen armen Exilirten schwer zugänglich sind, so kann ich leider aus eigner Erfahrung wenig davon sagen, und muß die Leser auf die Beschreibungen anderer Reisenden hinweisen, die England unter glücklicheren Verhältnissen besuchten.

Corvin.




Blätter und Blüthen.

Schlaumeier auf glücklicher Fährte. (Mit Abbildung.) Hoch lastet der seit etlichen Tagen vom bleigrauen Himmel in mächtiger Fülle entsandte Schnee auf dem unter solcher Bürde fast brechenden Nadelwalde. Kein Luftzug hat die ruhig niedergefallenen Flocken ungleich verweht und in gleichen Massen lagert die flaumige Decke allüberall auf dem darunter verhüllten todtenstillen Forst.

Da kommt früh am Morgen Buschklepper Füchslein, der rothpelzige Hallunke, bei seinem Umherschleichen im Revier unter anderen auch auf eine einzelne Fährte, die der jagdkundige Patron sofort als die eines kranken Wildes erkennt, obwohl kein Tröpflein Schweiß es ihm verräth, wenn auch ein paar winzige Spritzlein frischen Darminhaltes, die der Verletzung eines jedenfalls tief waidewund angeschossenen Rehes bei seiner Flucht entfallen sind, dafür zeugen. Dieses genügt aber natürlich dem buschschwänzigen Wilderer und gewiegten Kenner solcher Merkmale hinlänglich, die angenommene Fährte auch beharrlich zu verfolgen, und richtig! auf einer kleinen Blöße, umschlossen von alten Fichten, die mit ihren schneebelasteten und dadurch tief niedergedrückten Zweigen den Boden streifen, liegt, hingebettet auf weit gespanntem, blendendem Bahrtuche, ein verendeter Rehbock. Jedenfalls hat diesen Tags vorher ein Aasjäger, der es nicht der Mühe werth erachtet, nach seinem Schuß strenge Nachsuche zu halten, was ihm mit Hülfe des „weißen Leithundes“, des Schnees, ja so leicht geworden sein müßte, an- und zu Holze geschossen, und dadurch Meister Reinecken leichten Kaufs einen so überreichen Gewinn verschafft.

Schon ist der glückliche Strolch bis auf kurze Entfernung an die ihm so mundrecht hingelegte Beute herangekommen, als er plötzlich von der Fährte des Verendeten abbiegt, um sich erst durch Umkreisen desselben genau zu versichern, ob dabei auch Alles geheuer. Dann erst, nachdem sich der Mißtrauische durch mehrmals eingeholten Wind und schärfste Beäugung des verlockenden Preises vollkommen überzeugt hat, daß hier sein Todfeind, der Mensch, ihm keine Falle gestellt, vielmehr ihm nur in die Hände, oder besser gesagt, in den Rachen gearbeitet habe, geht er, doch immer noch mit aller nur erdenklichen Vorsicht, endlich daran, den so mühelos errungenen Braten anzuschneiden. Höchst charakteristisch ist hierbei der Ausdruck seines hämisch verschmitzten Gesichtes, indem er im Vorgeschmack des seiner wartenden köstlichen Mahles die Lefzen schmunzelnd emporzieht, daß die scharfen Eckzähne seines stattlichen Gebisses glitzernd unter der aufgeworfenen Lippe hervorblinken. Hierauf gönnt er aber zuvörderst allein der spitzfindigen Nase den Hochgenuß, sich tief in den waidewunden Anschuß des Opfers zu versenken, um danach erst mit wahrhaft wollüstiger Gier den eigentlichen Schmaus zu beginnen. Und nicht eher, als bis sich der Schwelgende zum Uebermaß gesättigt, weicht er lichtscheu dem höher und höher aufsteigenden Tag, und verläßt endlich die kostbaren, noch so reichlich vorhandenen Reste seines Fundes, um nun aber schleunigst in seinem Bau, oder, da es schon spät geworden, vielleicht auch nur im Schlupfwinkel einer nahen Nothröhre einzufahren, und hier bis zu seiner jedenfalls schon am Abend erfolgenden Wiederkehr behäbig der Ruhe zu pflegen.

Guido Hammer.




Ein Märchenerzähler. Von den windigen Franzosen ist der halb scherz-, halb ernsthafte Einfall angebracht worden: „es giebt keine Kinder mehr“, und die wackeren Deutschen haben natürlich nichts Eiligeres zu thun gehabt, als diesen auf der Hohlheit und Unnatur der französischen oder vielmehr Pariser Erziehungszustände basirten Ausspruch auch in Deutschland gelten lassen und in Anwendung bringen zu wollen. Wie es scheint, mit Unrecht. Denn alljährlich noch flattert, wenn der Christbaum sich mit brennenden Kerzen zu schmücken beginnt, eine ganz stattliche Menge Märchen- und Bilderbücher hinaus in die Welt, und wo diese sind, da müssen ja doch auch noch Kinder sein, welche sich mit lachender Miene an den bunten Bildern vergnügen und an den anmuthigen Märchen erfreuen. Trifft es der Märchenerzähler ganz besonders gut, so lauschen über die Köpfe der Kleinen vorgebeugt auch die Erwachsenen im Kreise seinen abenteuerlichen, seltsamen Geschichten, und ein solcher Erzähler ist, wie ja allbekannt, H. C. Andersen, dessen reizende, phantastische „Sämmtliche Märchen“, in der deutschen Uebersetzung von Julius Reuscher und mit über hundert trefflichen Illustrationen ausgestattet, soeben bei E. J. Günther in Leipzig in neuer stattlicher Ausgabe erschienen sind.

Die Auflage ist die siebente und verdient schon darum auf’s Wärmste empfohlen zu werden, weil zur Illustrirung dieser humor- und gemüthvollen Erzählungen diesmal vom Verleger auch Oscar Pletsch herbeigezogen worden ist, der denn zu den schon vorhandenen Bildern Thumann’s, Hosemann’s, Pocci’s und Ludwig Richter’s noch eine Anzahl neuer Zeichnungen geliefert hat, die in ihrer Naivetät, kindlichen Auffassung und künstlerischen Durchführung sich den besten Leistungen des renommirten Künstlers an die Seite stellen. Eltern und Kinderfreunden sei darum Andersen’s Märchenbuch in dieser Ausgabe auf’s Wärmste empfohlen.




Australischer Schlangenhandel. Der Curator und Secretär des Australischen Museums zu Sidney, Herr Gerard Krafft, hat in einer ausführlichen Zuschrift, für die wir ihm auf diesem Wege besten Dank sagen (die Photographien wurden an Dr. Brehm abgeschickt), eine Bitte an uns gerichtet, von deren Gewährung er bei der weiten Verbreitung der Gartenlaube sich besondern Erfolg zu versprechen scheint. Er bittet nämlich, an die Liebhaber von lebenden Schlangen das dringende Ersuchen richten zu dürfen, ihn nicht weiter mit ihren Aufträgen belästigen zu wollen. „Seit geraumer Zeit,“ schreibt uns Herr Krafft, „habe ich viele freundliche Briefe erhalten, in welchen man um allerhand kriechendes Gewürm bittet; man hat sich selbst die Zeit genommen, genaue Verhaltungsmaßregeln in Betreff der Versendung u. dergl. beizulegen; man hat versprochen, alle wirklichen Unkosten zu bestreiten, und man hat gewöhnlich mit den Worten geschlossen, daß man der nächsten Sammlung mit Ungeduld entgegensieht. Da jeder Brief etwa zwölf Silbergroschen kostet und da ich die Herren Schlangenliebhaber in den meisten Fällen nicht einmal dem Namen nach kenne, so hoffe ich, daß sie es nicht ungütig aufnehmen, wenn sie von mir auf ihre Briefe keine Antwort erhalten haben. – Wer australische Pflanzen haben und bezahlen will, der kann solche von Herrn C. L. Salmin in Hamburg erhalten. Dieser Herr handelt mit dem genannten Artikel, hat hier in Australien große Verbindungen und ist in jeder Hinsicht zuverlässig. An ihn wird sich Jedermann mit dem gewünschten Erfolge wenden; mich aber bitte ich dringend für die Zukunft mit ähnlichen Aufträgen zu verschonen.“




Zum Kartenspiel unserer Soldaten im Felde. Christian Sell hat in einem seiner letzten Artikel, wie die Leser der Gartenlaube sich wohl noch erinnern werden, es als auffallend erwähnt, daß er deutsche Soldaten im Felde nur ein einziges Mal habe Karten spielen sehen, und hat daran die Frage geknüpft, woher diese eigenthümliche Erscheinung wohl rühren möge. Ein Freund unseres Blattes, der den Feldzug mitgemacht hat, schreibt uns nun:

„Schon zu Anfang des Krieges betrachtete man die Karten, die man daheim scherzend das ‚Teufelsgebetbuch‘ genannt hatte, als etwas Gefahrbringendes für denjenigen, der sie trägt. Natürlich gab es auch Einzelne, die diesen an Rasttagen so begehrten Artikel nicht allzu leicht im Stiche ließen und eine Karte bei sich führten. Als aber zufällig gerade von diesen Mehrere in den ersten Schlachten fielen, so ward die Furcht vor den Karten von nun an ziemlich allgemein – namentlich wollte Niemand, sobald es in’s Gefecht ging, von einer Karte in seinem Tornister oder in seiner Hosentasche wissen. War dann die Schlacht vorüber oder kam ein Ruhetag, so wären freilich die Karten hochwillkommen gewesen; aber sie waren nun einmal fortgeworfen und da blieb denn unseren Braven im Felde nichts Anderes übrig, als sich die Zeit ohne sie zu vertreiben. Und das ging auch.“




Kleiner Briefkasten.

Ferd. M. in Regensburg. Ihr Wunsch ist rasch in Erfüllung gegangen. Soeben ist von den in Nr. 46 der „Deutschen Blätter“ besprochenen „Fröhlichen Heldengedichten von Fr. Hofmann“ Nr. I.Die Eselsjagd“ erschienen und bei Ed. Wartig in Leipzig zu beziehen. Wir empfehlen das flott illustrirte Heftchen unsern Lesern als eine erheiternde Beigabe zu jedem Weihnachtsgeschenk.


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 824. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_824.jpg&oldid=- (Version vom 13.12.2020)