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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)


Ein Besuch auf der Insel Robinson Crusoe’s.
Von M. E. Plankenau.


An der Küste von Chili kreuzend, waren wir mit einem anderen Walfänger zusammengetroffen, welcher von einem Freunde unseres Capitains befehligt wurde. Denselben begleitete, ein keineswegs seltener Fall, seine junge Frau auf der mehrere Jahre dauernden Reise, und die Anwesenheit der liebenswürdigen Amerikanerin hatte einen ungewöhnlich regen Verkehr zwischen beiden Schiffen zur Folge. Es wurde endlich beschlossen, für einige Zeit in Gesellschaft zu segeln und zunächst Juan Fernandez anzulaufen, um von dem bekannten Fischreichthum der Insel unsere Speisekammer neu zu versorgen.

So wendeten wir uns denn nach Westen und steuerten bei überaus günstigem Wetter gemächlich entlang, bis nach mehrtägiger Fahrt eines Nachts der erwartete langgedehnte Ruf erscholl: „Land voraus!“

Juan Fernandez, die Insel des Robinson.
Nach der Natur aufgenommen von M. E. Plankenau.

Vor uns am Horizonte hing eine dunkle Masse in ungewissem Licht verschwimmend wie eine Wolkenbank, aber mit jeder Stunde höher und deutlicher hervortretend. Dort hatte der Schotte Alexander Selkirk, der Held unserer Robinsonaden, gelebt. Er war Matrose auf dem Schiffe „Cingue Ports“ und wurde, in Folge eines Streites, von seinem Capitain Stradling im September 1704 auf dieser Insel ausgesetzt, wo er einsam hauste bis zum Februar 1709, in welchem Jahre Capitain Wood Rogers ihn auffand und nach England zurückbrachte. Die Erzählungen von Selkirk’s Abenteuern veranlaßen den Engländer Daniel Defoe seinen berühmten Roman „Robinson Crusoe“ zu schreiben, welcher durch seinen großen Erfolg im Laufe der Zeit so zahlreiche Nachahmungen hervorgerufen hat.

Juan Fernandez, von den Chilenen auch Masatierra genannt, liegt im Stillen Ocean, unter dreiunddreißig Grad südlicher Breite und neunundsiebzig Grad westlicher Länge, ungefähr neunzig deutsche Meilen vom Festlande entfernt; die Insel ist über eine Meile breit und vier Meilen lang, sich in ihrer größten Ausdehnung von Osten nach Westen erstreckend. Ganz nahe dabei, im Süden, liegt das Eiland Santa Clara und zwanzig Meilen westlich die von einigen Chilenen bewohnte Insel Masafuera. Für uns hat Juan Fernandez neuerdings noch ein ganz besonderes Interesse gewonnen, da die Insel von einer Gesellschaft unserer Landsleute, unter Leitung des Ingenieurs Wehrhan, der Republik Chili zu Ende des Jahres 1868 abgekauft und besiedelt wurde[1] und von nun an ein neues Stückchen Deutschland im fernen Weltmeere repräsentirt.

Ein kurzer geschichtlicher Rückblick wird deswegen den Lesern der Gartenlaube nicht überflüssig erscheinen, um so weniger, als Selkirk weder der erste Europäer war, der diese Insel betrat, noch der erste Robinson, welcher sie bewohnte.

Die Insel Juan Fernandez wurde nach ihrem Entdecker benannt, einem Spanier, welcher, auf einer Fahrt von Lima nach Valdivia begriffen, im Jahre 1563 dort landete. Er fand sie unbewohnt und, von ihrer Schönheit angezogen, faßte er den Entschluß, sich auf ihr niederzulassen. Jedenfalls war er es, welcher die Ziegen aussetzte, die noch heute zahllos und scheu wie die Gemsen sich vorfinden. Die Flibustier, welche ihr Unwesen sehr bald auch an der Westküste Südamerika’s trieben, besuchten späterhin zuweilen diese Insel, erholten sich von ihren Strapazen und unternahmen von dort aus neue Raubzüge.

William Dampier, ein Engländer und der kühnste Seefahrer des siebzehnten Jahrhunderts, welcher selbst eine Zeit lang unter den Flibustiern lebte, erzählt, daß ein Mann von seinem Schiffe, ein Mosquito-Indianer, im Jahre, 1681 auf Juan Fernandez zurückgelassen wurde und daselbst blieb bis 1684, in welchem Jahre

  1. S. Gartenl., Jahrg. 1869.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 801. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_801.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)