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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)

Ganz in der Nähe der Uhren steht eine dorische Säule von Sandstein, welche ebenfalls ein besonderes Fundament hat, und vom Fußboden isolirt ist. Sie trägt ein äußerst zartgebautes Instrument, dessen Bestimmung ist, zur Messung der Sternenwärme zu dienen. Ein Beginnen, welches vielleicht mancher der Leser für unausführbar halten dürfte, dessen Ausführbarkeit jedoch von dem um die Spectral-Analyse der Himmelskörper so hoch verdienten Engländer W. Huggins dargethan worden ist.

Die Begrenzung der Rotunde nach außen bilden sieben gleich große Zimmer und die bereits erwähnte Vorhalle. Zwei dieser genannten Zimmer dienen als Arbeitsräume für den Director und seinen Assistenten, in einem andern befindet sich das photographisch-chemische Laboratorium, und wieder andere dienen zur Aufstellung kleiner Hülfsinstrumente und Apparate. Die innere Einrichtung dieser Räume ist ebenso gediegen wie geschmackvoll ausgeführt, und die mit gothischer Malerei gezierten Wände, sowie das in Eichenholz ausgeführte Mobiliar verleihen denselben ein äußerst freundliches Aussehen.

Um in den eigentlichen Beobachtungsraum der Sternwarte zu gelangen, ersteigen wir eine kunstvoll gearbeitete Treppe, die an der innern Mauerseite der Rotunde angebracht ist. Wir stehen nun vor dem Refractor,* der, getragen von einer mächtigen gußeisernen Säule, sowohl durch seine Größe, als auch durch eine dem Laien unverständliche Masse von Beiwerk einen außerordentlich imponirenden Eindruck hervorbringt. Aber auch für den Fachmann, der die Bestimmung der einzelnen Theile des Instrumentes kennt und deren Ausführung zu beurtheilen versteht, ist es ein Meisterstück deutschen Fleißes.

Ehe wir zur nähern Beschreibung des Fernrohrs übergehen, betrachten wir den Raum, in welchem dasselbe aufgestellt ist. Dieser zeichnet sich durch seine Geräumigkeit vortheilhaft vor anderen derartigen Räumen aus. Er wird bedeckt von einem drehbaren kegelförmigen Dach, welches große Stabilität und das enorme Gewicht von vierzigtausend Pfund besitzt. Trotzdem ist dasselbe mit Hülfe einer Zahnräderübertragung leicht mit einer Hand in Bewegung zu versetzen, eine Arbeit, die beim Beobachten öfter verrichtet werden muß, um die Lukenöffnung nach dem zu beobachtenden Gestirn hinzudrehen. Mit diesem Dach in fester Verbindung steht eine Galerie, welche gestattet, auch in der Nähe des Horizontes Sterne zu beobachten.

Wenn wir den Beobachtungsraum durch eine im Osten befindliche Thür verlassen, so treten wir hinaus in’s Freie, auf die Plattform, die sich direct über den oben beschriebenen sieben Zimmern befindet. Hier genießen wir nach sämmtlichen Himmelsgegenden eine weithinreichende Aussicht. Wir sehen im Norden, dicht am Ufer des Bothkamper Sees gelegen, das Dörfchen Kirchbarkau, weiter nach Westen eine weite Wasserfläche, deren Begrenzung ein bewaldeter Höhenzug bildet. Im Westen und Südwesten bemerken wir das herrschaftliche Wohnhaus, die landwirthschaftlichen Gebäude und die Parkanlagen. Im Osten eröffnet sich uns die Aussicht auf einen zweiten See, welcher mit dem ersten durch einen Canal in Verbindung sieht. Diese gedrängte Schilderung wird vielleicht schon genügen zu zeigen, daß diese Sternwarte eine ganz reizende Lage besitzt, die mit einer freien Aussicht nach allen Himmelsrichtungen hin verbunden ist.

Doch kehren wir wieder zurück in den Beobachtungsraum, um das große Fernrohr einer kurzen Betrachtung zu unterwerfen.

Dasselbe ist hervorgegangen aus der optischen Werkstatt von Hugo Schröder in Hamburg, dessen Name vielleicht noch nicht so allgemein bekannt ist, wie er es in der That verdient. Nach dem Urtheile von Sachverständigen muß die Ausführung des Bothkamper Refractors sowohl in optischer als mechanischer Beziehung als etwas ganz Vorzügliches hingestellt werden, und dürfte dieses Instrument in Deutschand seines Gleichen suchen.

Schröder legt vor Allem großen Werth darauf, daß die Gläser, welche zu einem Fernrohr Verwendung finden sollen, ihrer Form und Oberflächenbeschaffenheit nach genau mit der vorher zu diesem Zwecke angestellten Rechnung stimmen – ein Verfahren, welches sich dadurch reichlich belohnt, daß die durch das Fernrohr erzeugten Bilder an Schärfe und Klarheit gewinnen. Um zu ergründen, ob eine Linse obigen Bedingungen genügt, wendet er sogenannte Fühlhebel an, die so empfindlich sind, daß sie Unterschiede von einem Milliontel Zoll anzeigen. Man ist im Stande, mit Hülfe eines solchen Fühlhebels diejenige Durchbiegung einer Glasplatte zu messen, welche durch ihr eigenes Gewicht entsteht, wenn sie nur an beiden Enden unterstützt ist.

Interessant ist auch seine Art und Weise, die Gläser zu schleifen und zu poliren. Das Schleifmaterial wird nämlich hierbei nicht wie gewöhnlich in Kreisen auf der Glasfläche bewegt, sondern in Cycloiden-Linien.* Dadurch werden die oft vorhandenen Zonen in den Glaslinsen, welche der Schärfe der Bilder nachtheilig sind, vollständig vermieden.

Was die mechanische Ausführung des Bothkamper Refractors betrifft, so ist dabei äußerste Genauigkeit mit großer Stabilität und Dauerhaftigkeit verbunden. Die gußeiserne Säule A, welche das Instrument trägt, hat eine Höhe von 2,6 Meter und einen Durchmesser von 0,53 Meter. Direct auf derselben sitzt der Rectascensionskasten B, welcher die Lager für diejenige Axe des Fernrohrs trägt, die immer nach dem Polarstern gerichtet ist, also der Weltaxe parallel läuft. Die Drehung des Fernrohrs um diese Axe bewirkt, daß dasselbe Bogen beschreibt, welche gleichlaufend mit denjenigen Bogen sind, die die Sterne scheinbar am Himmel zurücklegen.

Mit dieser Axe in fester und zwar rechtwinkeliger Verbindung steht die Büchse für die Declinationsaxe C.** Letztere ist in dieser Büchse drehbar und trägt an dem einen Ende das eigentliche Fernrohr, während das andere Ende entsprechend mit Gewichten versehen ist, um das Ganze auszubalanciren.

Mit Hülfe dieser beiden Axen ist es möglich, das Rohr nach allen Stellen des Himmels mit Leichtigkeit zu richten und dem Laufe der Gestirne zu folgen. Letzteres kann auch durch ein Uhrwerk E geschehen, welches seine Arbeit mit außerordentlicher Sicherheit verrichtet. Dasselbe wurde von Eichens in Paris geliefert und ist ein wahres Meisterwerk der Uhrmacherkunst. Das Objectiv oder die große Glaslinse des Fernrohrs, der wichtigste Theil des ganzen Instruments, hat einen Durchmesser von 0,293 und eine Brennweite von 4,912 Meter; es ist somit für jetzt das größte Glas, welches in Deutschland zu astronomischen Beobachtungen Verwendung findet. Der Schliff und die Politur desselben ist meisterhaft ausgeführt. Die Vergrößerung der in seinem Brennpunkte entstehenden Bilder kann mit Hülfe der Oculargläser soweit gesteigert werden, daß uns die zu beobachtenden Objecte hundert[BER. 1] Mal näher gerückt erscheinen, als sie es in Wirklichkeit sind.

Einige wenige Manipulationen genügen, um die verschiedensten Apparate und Vorrichtungen, statt der Oculare, am Fernrohr zu befestigen. Wir erwähnen das Spectroskop, das Positionsmikrometer, das Sonnenprisma und eine photographische Camera, letztere der Leichtigkeit wegen von Cedernholz ausgeführt.

Die Verwendung des Spectroskops in der Astronomie ist eine sehr vielseitige. Wie schon Eingangs bemerkt wurde, kann es dienen, die Stoffe zu erkennen, aus welchen die Himmelskörper bestehen, wobei jedoch vorausgesetzt werden muß, daß letztere eigenes Licht aussenden und nicht, wie die Körper unseres Planetensystems, nur durch die von der Sonne reflectirten Lichtstrahlen hell erscheinen. Die Fixsterne entsprechen obiger Bedingung, und ihre spectroskopische Beobachtung hat sehr interessante Resultate ergeben,


um diese Zeit stand, ein Stückchen weiter nach Osten. Hätte also an der Stelle, wo sie sich gestern befand, gerade ein Fixstern gestanden, so würde derselbe heute um ein gewisses Stück der Sonne vorangehen und daher früher als jene den höchsten Stand im Meridian erreichen. Dieser Unterschied beträgt, wie bemerkt, durchschnittlich ungefähr vier Minuten und bedingt die Verschiedenheit der Sonnen- und Sternzeit. Man wählt am Fixsternhimmel für diese Rechnung nach Sternzeit (welche für astronomische Beobachtungen sehr bequem ist) einen Punkt, an welchem die Sonne zur Frühlingsnachtgleiche (21. März) steht.

* „Refractor“ wird ein großes Fernrohr genannt, bei welchem, wie bei den Opernguckern und gewöhnlichen Fernröhren, eine Glaslinse benutzt wird, im Gegensatz zu den „Reflectoren“, bei welchen Hohlspiegel angewandt werden. Fernröhre mit Hohlspiegeln nennt man gewöhnlich „Teleskope“.

* Cycloide ist diejenige krumme Linie, welche ein bestimmter Punkt auf dem Umfange eines Rades in Beziehung zu dem Wege beschreibt, auf welchem der Wagen sich fortbewegt.

** Unter Declination eines Gestirns versteht man denjenigen Winkel, um welchen dasselbe über oder unter dem Kreise am Himmel steht, welchen die Sonne zur Zeit der Nachtgleichen (21. März, 22. September) am Himmel beschreibt. Ein Fernrohr muß, um der täglichen Bewegung der Sterne folgen zu können, erstens um die sogenannte Stundenaxe beweglich sein, welche parallel der Weltaxe steht, zweitens aber auch um die Declinationsaxe, damit auf Sterne verschiedener Declination eingestellt werden kann.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 790. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_790.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)