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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)


ist, weiß, wie ihm dabei zu Muthe ist. Wenn nun auch die Mehrzahl kühn und vertrauend wäre, wenn auch der glückliche Versuch die Leute beruhigte: eine nicht geringe Minderzahl würde die Seefahrt vorziehen und sicherlich Alle, die seefest sind.

Dies ist gegen die Rentabilität zu sagen. Eine Gefahr für das ganze Werk bleibt ferner unter allen Umständen die Möglichkeit eines ausbrechenden Krieges. Man soll für den Tunnel die europäische Neutralität verbürgen! Und wenn nun der Feind den Tunnel in der Hand hätte? ‚Dann müßte man ihn freilich unter Wasser setzen!‘ Und was würde dann aus der ‚Canal-Tunnel-Compagnie‘ und ihren zwanzig Millionen? Freilich können unsere Nachbarn, die Franzosen, so friedlich werden, wie wir nur wünschen, aber wer will behaupten, daß sie es schon sind, und was würde aus ‚unserm besten Bollwerk, dem Silberstreifen der See‘, das wir jetzt gegen sie haben?

Alle diese Schwierigkeiten, die möglichen geologischen, die gewissen finanziellen und die immer drohenden politischen, haben denn auch die Ingenieure in’s Feld gerufen, die ihren Glauben auf Ueberbrückung setzen. Die Verwegenheit ist groß; aber mit der größten Ruhe tragen sie dem Publicum ihre Pläne vor. Nur ein Beispiel aus der ‚Times‘ vom 10. October. Die Brücke soll gerade hoch genug sein, um über die höchsten Springfluthen wegzugehen, und etwa von Meile zu Meile sich öffnen können und selbst die größten Schiffe durchzulassen im Stande sein etc. Aber der ingeniöse Urheber dieses Riesenplanes giebt uns nicht einmal sein Verfahren zur Errichtung der Brückenpfeiler an, und von den Kosten schweigt er ebenfalls. Auch wie die Brücke gegen das Anprallen von Schiffen im Sturme und in dunkeln Nächten zu sichern sei, sagt er nicht.

Von diesen beiden Arten der Verbindung zwischen Dover und Grisnez, den gegenüberstehenden Kalkfelsen, die man von beiden Küsten mit bloßem Auge sieht, ist offenbar der Tunnel noch am wenigsten chimärisch.

Ich komme aber jetzt auf den praktischen Ausweg, der auch schon im Vorschlage gewesen ist.

Die Uebelstände der Ueberfahrt von Dover nach Calais sind groß und ernsthafter Art; aber für den zwanzigsten Theil des Geldes, das der Tunnel kosten soll, lassen sie sich auch für den empfindlichsten Reisenden heben. Eine halbe Million, verwendet auf die Anlegung eines Hafens und Hafendammes zwischen Dünkirchen und Boulogne oder auf den Vorstoß der Landungsdämme von Calais und Boulogne unter dem Schutze von Hafendämmen im Halbcirkel, würde es möglich machen, bei jedem Wetter in hinlänglich tiefem Wasser anzufahren. Es wäre dann nur nöthig, große schnellfahrende Boote zu bauen, um ohne merkliches Schwanken und in achtzig Minuten die Fahrt selbst beim rauhesten Wetter zurückzulegen.

Ich empfehle diese Auskunft, die großartig genug, aber weder abenteuerlich noch unmöglich ist und sich daher mehr an den Verstand als an die Phantasie wendet.“

Arn. Ruge.




Streifzüge eines Feldmalers. Nr. 4. (Mit Abbildung) Unsere Leser werden die vortrefflichen Bilder und Berichte unseres Feldmalers W. Heine noch in gutem Gedächtnisse haben.[WS 1] Heute bringen wir auch aus seinen „Streifzügen“ noch einen Nachtrag, den der Maler selbst mit folgenden wenigen Worten der Erklärung begleitet hat:

„Es war nach den blutigen Tagen von Metz; Bazaine’s Armee war nach dreitägigem Ringen in die Festung zurückgeworfen, eingeschlossen von dem ehernen Ring der deutschen Armee, und unsere nach so heißem Tagewerk nunmehr hier entbehrlich gewordene vierundzwanzigste Division hatte den Befehl zum Aufbruch nach Paris erhalten, wo sie sich wiederum als wackeres Glied in der unzerreißbaren Kette der deutschen Cernirungsarmee einzufügen hatte und wo ihrer für den November und December so ehrenvolle, aber auch so blut- und opferreiche Kämpfe harrten, aus denen gar mancher wackere Sachsensohn nicht mehr zurückkehren sollte. Daran dachte heute natürlich Niemand, und froh und heiter, St. Privat und St. Marie aux Chênes glücklich bestanden zu haben, marschirte die vierundzwanzigste Division dem neuen Ziele zu – freilich langsam und unter tausend Hindernissen; denn oft wälzten sich wohl drei Colonnen auf der gegen Paris führenden Heerstraße nebeneinander her, wobei es denn häufig genug kommen mußte, daß sich unter den Massen Verwicklungen und Wirrnisse ergaben, die im Marsche wiederholt einen Aufschub von ein und mehr Stunden veranlaßten – ein Aufschub, der von den ermatteten, in den letzten Tagen Unglaubliches geleistet habenden Soldaten sofort zum Schlafen im nächsten Chausseegraben benutzt wurde.

Am 21. August kamen wir in Puxe, einem kleinen, unscheinbaren, ärmlichen Dorfe an, wo das Bataillon, bei welchem ich mich befand, einquartiert wurde, um drei Tage Rast zu halten. War schon der Anblick, den die niedrigen Dorfhütten von außen boten, kein erfreulicher, so war dies noch weniger im Innern der Fall. Man lag ungeheuer gedrängt: in der Stube, welche meine Zeichnung darstellt, hatten allein zehn Jäger Quartier genommen, denen anschließen zu dürfen ich mich noch glücklich pries. Als Schlafgemach diente der Heu- und Strohboden, zu welchem eine alte, schmale, steile Treppe führte und durch dessen zerlöchertes, baufälliges Dach der Wind kalt und abscheulich blies.

Eigenthümlich bleibt so eine arme französische Bauernwohnung immer. Wohnzimmer, Schlafgemach und Küche sind in einem einzigen Raume vereint. Ein hoher schwarzer Kamin steht an der Wand, auf seinem Gesimse Flaschen, Töpfe und anderes Hausgeschirr tragend, zwischen welchem auch in keiner Stube das überall sichtbare Crucifix vergessen ist. Auf der Seite des verhältnißmäßig geräumigen Gemachs steht, immer mit großen, faltigen Gardinen versehen, ein ebenso breites als langes Bett, auf dem fast während der ganzen Dauer unserer unfreiwilligen Anwesenheit die arme, in Lumpen gehüllte Bauernfrau kauerte, voll Angst und voll Hunger – denn sie hatte schon lange keinen kräftigen Bissen mehr zu sehen bekommen, und das kleine Kind in ihren Armen zeigte ein gar trauriges hohläugiges Aussehen. Schließlich war es eben wieder der verhaßte ‚Prussien‘, der auch hier aushelfen mußte und der auch gerne aushalf, sobald sich nur das ältere der Kinder barfuß und im Hemde, zutraulich und neugierig zugleich näher geschlichen hatte, dem bärtigen Landwehrmanne zuzuschauen, der so eifrig die Kaffeemühle drehte. Hühner und Katzen liefen allüberall ungenirt in den Stuben herum; die letzteren ließ man laufen, von den ersteren kann ich nur sagen, daß sie kurze Zeit nach ihrem Auftreten immer rasch genug wieder verschwunden waren. Glücklicherweise dauerte unser Aufenthalt in dem gottverlassenen Neste nicht lange und nach drei Tagen, die theils zum Monturausbessern, theils zum Exerciren auf’s Eifrigste benutzt worden waren, nahmen wir unsern Marsch nach Paris wieder auf, der freilich durch die Tage von Beaumont und Sedan noch eine gewaltige Unterbrechung erfahren sollte.“




Bock’s Briefkasten.

An die Dummen, welche nicht alle werden. (Fortsetzung.) 3) Dr. von Farini’s ärztlicher Rathgeber, welcher bis jetzt in einer Stärke von vierundzwanzigtausend Exemplaren erschienen sein soll, wird von einem in Leipzig wohnenden Industriellen kleineren Maßstabs gegen Einsendung von nur siebenzehn Groschen zum Wohle der Menschheit ausgeliefert. Man erhält ein gedrucktes Blättchen Papier mit den gewichtigen Worten: „Man esse weiche Eier, trinke mäßig Bier und Wein, nehme jeden Tag früh und Abends ein Bad, vermeide aber jede Medicin, die nur schaden kann, dann wird die gewünschte Wirkung sich einstellen.“ Und es stellt sich auch wirklich die Wirkung, aber nicht die gewünschte, insofern ein, als man für siebenzehn Groschen eine ganz nette Leimung am Einsender bewirkt sieht.

4) Wenn Aerzte, ohne den Kranken genau untersucht zu haben, diesem unter Garantie durch briefliche Behandlung gründliche Heilung, natürlich gegen Einschickung von einigen Harten, versprechen, so sind diese Heilkünstler ganz gewissenlose Geldmacher, denen die Gesundheit ihrer Mitmenschen nichts gilt. Schmach und Schande über diese, den ärztlichen Stand schändenden Quacksalber!

5) Wem alle Hoffnung auf Genesung und Kräftigung geschwunden ist, der esse Revalescière und trinke Hoff’sches Malzextract-Gesundheitsbier dazu. Die erstere (die verschollene Revalenta arabica und nichts als Bohnen- und Linsenmehl) macht nicht nur gesund, sondern verjüngt auch, läßt alle Beschwerlichkeiten des Alters nicht mehr fühlen, erfrischt das Gedächtniß und klärt den Verstand auf. Der Papst lebt nur von Revalescière. Das Malzextract-Gesundheitsbier von Hoff ist die Krone aller Heilnahrungsmittel und wird deshalb auch von gekrönten Häuptern gepriesen. „Wenn das Mark und Bein durchschütternde Typhusfieber die kräftigen Gestalten unserer braven Krieger darniederbeugt, so richtet das Extractum Malthi Hoff sie wieder auf“ etc. Schaden kann das eine wie das andere dieser erbärmlichen Nahrungsmittel allerdings nicht, höchstens dem Geldbeutel, aber in Milch und Ei steckt doch ganz anderer Nahrungsstoff, als in obigem Mehl und Braunbier.

(Wird fortgesetzt.)




Lulustein. Zu unserem großen Bedauern haben wir, nachdem die Nr. 45 der Gartenlaube schon längst in der Presse war, aus einem Stuttgarter Blatte ersehen, daß der Zeichner des Bildes „der Lulustein“ dasselbe zwei Mal verkauft hat. Wir theilen diese Thatsache einfach mit und enthalten uns über sie jeder weitern Bemerkung.



Kleiner Briefkasten.

O. D. in Brschwg., A. P. in Weimar und Seydlitz in Berlin. Senden Sie Ihre milden Gaben nur an uns, wir werden sie gern und portofrei weiterbefördern.

R. R. in H. Ihr Brief mit zehn Gulden für Ueberschwemmte ist angekommen und der Betrag nach Tachau abgegangen.

L. in L. Wir freuen uns, Ihnen die Mittheilung machen zu können, daß die in Nr. 41 unter dem Titel „Schwarzes Brett“ abgedruckte Schilderung einer Lehrer-Noth so viele mitleidige Herzen und Börsen geöffnet hat, daß wir der armen Familie wieder eine Unterstützung zugehen lassen konnten.




Für Chicago

gingen ein:

C. Gendry in Breslau 1 Thlr.;
aus Eßlingen 1 Thlr.;
Sammlung durch Höhme in Zwönitz 8 Thlr.;
Unbekannter in Berlin 1 Thlr.;
beim Abendessen im Bürgerverein in Bochum 5 Thlr.;
Adolph Ruschpler in Leipzig 10 Thlr.;
F. St. in München 5 fl.;
ein junger Alt-Katholik 1 Thlr.;
X. in Berlin 1 Thlr.;
Schlimpert in Dresden 5 Thlr.;
aus Labiau in Ostpreußen 4 Thlr.;
durch Schneidermeister Graßhoff in Zerbst 20 Ngr.;
aus Berlin 1 Thlr.;
beim Pflanzen der Friedenslinde in Lehnstans 15 Thlr.;
C. A. B. in Langensalza 1 Thlr.;
G. S. in L. 3 Thlr.;
Sabine Schachenmayer in Isny 3 Thlr.;
aus Rochlitz 1 Thlr.;
M. K. in Erfurt 2 Thlr.;
Oscar Schildt in Düren 15 Thlr.;
J. M. in Eger 1 Thlr.;
Barth. Senff 5 Thlr.;
Gebr. Just und Comp. in Sebnitz 10 Thlr.;
E. R. in B. 2 Thlr.;
Julius Gräser in Wolkenstein 1 Thlr.;
W. in Torgau 1 Thlr.;
Eckelmann in Pausitz 2 Thlr.;
aus Torgau 5 Thlr.;
G. Schrödter in Seifhennersdorf 1 Thlr.;
E. in R. 1 Thlr.;
eine Null in A. 1 fl. österr.;
Al. Wiede 20 Thlr.;
H. Kumm in Wengerin 1 Thlr.;
Justizr. Riem in Greiffenberg 5 Thlr.;
von den Schülern der 1. und 2. Schule in Lang-Goens 5 Thlr. 18 Ngr.;
Turnerfeuerwehr in Oberstein 5 Thlr.;
E. G. P. S. u. K. in Kreuznach 10 Thlr.;
Agnes K. in Brünn 1 Thlr.;
M. in Gadebusch 1 Thlr.;
P. K. in Dresden 1 Thlr.;
Ertrag eines Vortrages in der Aula der Realschule zu Gera 37 Thlr. 5 Ngr.;
Concert des Mausefallenquartetts in der Mausefalle zu Essen 55 Thlr. 10 Ngr.;
E. Oe. 2 Thlr.;
ein Lehrer mit 200 Thlrn. Gehalt nach 22jähriger-Dienstzeit 1 Thlr.;
Gesammelt in der Gesellschaft „Erholung“ in Treuen 12 Thlr. 2½ Ngr.
Ernst Keil.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. siehe Meine erste Schleichpatrouille (Heft 6) und In den Batterien vor Paris (Heft 7), beide Band 1871 der Gartenlaube
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