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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)

ehe man mit der Dressur beginnen kann. Außerdem sind dieselben sehr nervenschwach und zu jeder Krankheit leicht geneigt. Sind dieselben groß, so sind sie ihrer fürchterlichen Zähne wegen sehr gefährlich, und gehören darum auch mit dem Rhesus und Hamadryas (Mantelaffen) zu den Bösartigsten.“

Bei den kleineren Affentheatern habe ich mich immer sehr über die auf Hunden reitenden Affen gefreut; ein deshalb von mir an Herrn Broekmann gerichteter Vorschlag blieb aber unberücksichtigt, da derselbe meinte, daß sich dergleichen eben nur für kleinere Theater schicke.

Möge mir zum Schlusse noch erlaubt sein, eine Geschichte, welche mir in dem Hamburger zoologischen Garten mit dem dort befindlich gewesenen Schimpanse-Affen passirt und in ihrer Art gewiß sehr eigenthümlich ist, hier zu erzählen.

Als ich 1865 in diesem Thiergarten war, lebte dort noch der Schimpanse Molly, welcher schon im Herbst 1863 dorthin gekommen war und also, das heißt als Schimpanse, seine Gefangenschaft sehr gut ertrug. Text und Bild ist ihm auch bereits in der Gartenlaube gewidmet worden. In der ersten Zeit seines Aufenthalts im Garten, als in demselben noch kein Affenhaus erbaut war, hatte das Thier einen besondern Wärter für sich, welcher mit demselben bei schönem Wetter im Garten spazieren ging, mit ihm gemeinschaftlich im Gebüsche sein Mittagsschläfchen hielt und nur die Trinkgelder allein einsteckte. Bei schlechtem Wetter aber hausten Beide in einem im Erdgeschoß befindlichen Stübchen des Inspectorhauses, von dessen Fenster aus man die Aussicht auf einen Theil des Gartens und des Thierhauses hatte. Wenn der Wärter draußen Besucher vorübergehen sah, säumte er nie, dieselben hereinzuwinken, wobei er freilich manchmal für den Affen gehalten wurde; aber das genirte ihn nicht, denn er hatte bereits seinen Schutzbefohlenen gelehrt, den Gästen das Geldtäschchen hinzuhalten, wobei er stets erläuterte, daß der Affe Geld wolle, ein Wunsch, der des Spaßes wegen oft erfüllt wurde. Das war einträglich und unterhaltend zugleich. Wenn nun aber das Wetter zu schlecht zum Besuche des Gartens überhaupt war, dann fiel natürlich diese hübsche Unterhaltung weg und der Affenwärter mußte sich die Langeweile auf andere Weise vertreiben. Er nahm zum Beispiel sein Notizbuch, welches in gewöhnlicher Weise durch einen Bleistift verschließbar war, zur Hand und versuchte wohl oder übel die von seinem Fenster aus sichtbaren Thierhäuser und Aehnliches abzuzeichnen, wobei ihm Molly natürlich zusah. Daß der Affe dadurch die Anwendung des Bleistifts bereits kennen gelernt hatte, sah ich später, als ihn der Wärter einmal dadurch zum Ruhigsitzen zu bringen suchte, daß er ihm sein Notizbuch gab, wobei das Thier in der That mit dem Bleistift in das Buch zu zeichnen versuchte, wenn auch mit sehr ungeschicktem Handgriff.

Das war also 1863. Im Jahre 1864 war das neue Affenhaus bereits fertig und der Schimpanse dort untergebracht, daher längst von seinem frühern Wärter getrennt. Als ich nun 1865 mich einmal im Affenhause befand, lehnte ich das eine meiner Studienbücher, in welchem sich bis dahin blos auf den ersten Blättern einige Studien aus Helgoland befanden, unten an den Schimpanse-Käfig, doch, wie ich glaubte, so, daß der Affe das Buch nicht sehen konnte, obgleich er mich offenbar beobachtet hatte. Das Buch war durch einen wie gewöhnlich in die Lederhülsen gesteckten Bleistift geschlossen. Als ich es nach einiger Zeit an mich nehmen wollte, war es verschwunden. Von den Wenigen, die anwesend waren, hatte es offenbar Niemand, und der Wärter fiel zuerst auf den Gedanken, daß Molly der Dieb sein könne. Als er dies aussprach, gab ich das Buch verloren, denn der Affe hatte sich in seinen innern Verschlag, wo er schlief, zurückgezogen und bewies schon dadurch, daß der Wärter Recht haben mochte. Richtig nahm dieser auch nach Oeffnung des Käfigs dem Affen das Buch ab, das derselbe nebst dem herausgenommenen Bleistift willig hergab. Mein erster Blick fiel auf den obern, etwas verbogenen Deckel, beim Oeffnen des Buches war ich aber auch auf Alles gefaßt, aber was sah ich? Den einzelnen Blättern mit den Helgoländer Studien war gar nichts geschehen; auf das nächste leere Blatt aber hatte der Affe mit dem Bleistift, durch dessen Herausnehmen er erst das Buch geöffnet hatte, genau in die Mitte etwas gezeichnet, einen unverständlichen Krikel-Krakel allerdings, aber nicht mehr und weniger, als was eben ein Kind in seinem Alter und unter gleichen Umständen zu Stande gebracht hätte. Selbstverständlich hütete ich mich, das Blatt anzutasten, sondern ich habe nur einige den Fall erläuternde Worte dazu geschrieben, und Jeder, der es gesehen, hat sein großes Gaudium an der Sache gehabt. Ich enthalte mich aller Schlußfolgerungen aus dieser vollkommen wahren Geschichte; daß sie aber wenigstens von einer großen Gedächtnißkraft, oder nenne man es Erinnerungsvermögen, zeugt, ist unbestreitbar.

L.




Blätter und Blüthen.

Ungedrucktes Document aus dem Jahre 1815. Durch freundliche Vermittelung geht uns aus der Sammlung des Commandeurs der gesammten preußischen Artillerie, des Prinzen Kraft zu Hohenlohe, nachstehende Urkunde zu, die zu den interessantesten derartigen Funden auf dem reichen französischen Beutefelde gehört. Der General-Lieutenant Ribbentrop war bekanntlich 1815 General-Kriegscommissar in Paris.

„Paris, den 10. Julii 1815.

     Mein Herr Präfect des Departements der Seine!

Ihr gefälliges Schreiben vom 9ten dieses, welches ich heute Morgen zu empfangen die Ehre hatte, ist, wie Sie wünschen, dem Herrn Fürsten Blücher von Wahlstadt Durchlaucht urschriftlich vorgelegt.

Nach den wiederholten Befehlen, welche mir, wegen Einziehung der, der Stadt Paris durch jenen Fürsten abgeforderten Contribuzion, zugekommen sind, kann ich die durch Ablehnung meiner Anträge herbeygeführten, mir sehr bestimmt vorgeschriebenen Maaßregeln der Gewalt nicht aufhalten.

Bey dem Empfange dieses meines Schreibens sind Sie und mehrere Bewohner von Paris als Geißeln unter militärische Aufsicht gestellt, und wenn nicht noch heute ein Abkommen wegen Abführung jener Contribuzion getroffen wird, so erfolgt die Abführung Ihrer Person und der übrigen Geißeln nach der Citadelle Graudenz in Westpreußen.

Diese mir durch den commandirenden Herrn General en chef dictirte Maaßregel können Sie so wenig als Ihre Mitbürger mit dem Beynamen der Ungerechtigkeit belegen, wenn ich Ihnen hier kurz wiederhole, was ich Ihnen über die Veranlassung zu den Forderungen Sr. Durchlaucht des Fürsten von Blücher, seit vorgestern zu verschiedenen malen eröffnet habe.

Sie wissen, daß Preußen in den Jahren 1801, 1807 und 1808 unter Verwaltung des Herrn Grafen Darü nicht bloß seinen früheren Wohlstand völlig eingebüßt hat, sondern auch durch eine ungeheure Masse von Requisizionen verarmen mußte; Sie wissen, was in den Jahren 1809, 1810, 1811 geschah, um Preußen völlig auszupressen, und ich kann Ihnen nicht verhehlen, daß wir 1812, obgleich damals Bundesgenossen von Frankreich, Mißhandlungen einzelner unserer Provinzen erfuhren, welche nur ein grausamer Feind auszuüben sich erlauben konnte.

In dem Jahre 1813 schüttelten wir das schwere Joch der Tyrannei ab. Die Sieger der vereinigten Heere befreyten Frankreich von einer Dynastie, unter welcher dies schöne Land so viele Jahre geseufzt hatte.

Die großen Anstrengungen, welche Preußen für diesen großen Kampf unmittelbar nach einer sechsjährigen Duldung unbeschreiblicher Erpressungen und Mißhandlungen machen mußte, setzen uns außer Stand, die auf’s neue zur Bekämpfung von Napoleon Bonaparte und seine Anhänger ausgerückten Heere vollständig zu bekleiden, besolden etc. Die nicht allein durch ihre ausdauernde Tapferkeit, sondern auch durch ihre großen Entbehrungen in dem Laufe übermäßiger Anstrengungen dem gefühlvollen Herzen so ehrwürdigen Sieger über den allgemeinen Feind haben wohl die gerechtesten Ansprüche auf die Dankbarkeit des befreyten Frankreichs, und daß diese nicht, wie im Jahre 1814, in glatten Worten bestehen, vielmehr sich durch Thatsachen aussprechen muß, ist natürlich.

Sie, mein Herr Präfect, behaupten, die Forderung von 100 Millionen Franks Kriegssteuer sey unerschwinglich. – Fragen Sie den Herrn Grafen Darü, was die vierfach kleinere Stadt Berlin unter seiner Administration geleistet hat, und Sie werden erfahren, daß diese Leistungen bei weitem diejenigen Forderungen übertreffen, welche Seine Durchlaucht, der Fürst von Blücher-Wahlstadt an die Hauptstadt Frankreichs gemacht hat. Wollten wir die eroberten Gebiete Frankreichs mit demselben Maaße messen, nach welchem wir von 1806 bis 1812 gemessen sind, so würden die Forderungen vielleicht das Unerschwingliche erreichen, – aber weit entfernt, Gleiches mit Gleichem zu vergelten, haben wir bis jetzt nur die Kosten des Krieges gefordert, und die Budjets unser Finanzen haben noch keinen Titel für die Erpressungen im Auslande, wie sie vor dem Frieden von 1814 Frankreich in den seinigen aufnahm.

Durch die Eroberung von Paris wurde im vorigen Jahre der Krieg geendigt. – Diese Eroberung war also auch in dem jetzigen Kriege das Ziel unserer Anstrengungen. Um es schnell zu erreichen, wurden den Truppen Versprechungen gemacht, nicht wie sie der Chef der Franzosen seiner Armee durch die an der Katzbach, bei Culm und Dennewitz erlittenen Niederlagen unerfüllt lassen mußte – sondern wie sie großmüthige Sieger, welche das Wohl ihrer braven Mitstreiter berücksichtigen, den bescheidenen Ueberwindern zu geben gewohnt sind. Diese Versprechungen sollen und müssen aus der geforderten Contribuzion erfüllt werden, und es ist mir unbegreiflich, daß Sie, mein Herr Präfect, in den drey Tagen unserer Verhandlungen über diesen Gegenstand auch nicht einmal eine solche Abschlagssumme zusammen gebracht haben, daß Seine Durchlaucht, der Fürst von Blücher, wenigstens den guten Willen sieht, und ihm die Möglichkeit bleibt, den auf sein Wort bauenden Soldaten zu beruhigen.

Sie und alle diejenigen, welche jene Abschlags-Zahlungen nicht besorgt, vielmehr bis jetzt vereitelt haben, sind die Personen, denen die Stadt Paris alles das Unangenehme zurechnen muß, was aus einer so auffallenden und nachtheiligen Hinhaltung entstehen kann.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 759. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_759.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)