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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)


aus dem zunächst zur Versteigerung kommenden Fasse zu versehen. „Die Proben sind herum,“ ruft Herr Victor freundlich schmunzelnd sein Publicum überschauend. „Wer bietet auf dieses Faß von dreihundertdrei Maß inclusive Faß?“ Sofort beginnt das Bieten mit fünfzig Thaler, um mit hundertdreißig zu enden, und in dieser Weise werden acht Sorten 1869er schnell hintereinander verkauft, die beste dreihundertein Maß enthaltend, für dreihundertzweiundsechszig Thaler. Ihnen folgen sechs Sorten 1870er zu weit niedrigeren Preisen, wogegen die nächsten neun Sorten 1868er wieder besser fortgehen, namentlich ein Faß Aßmannshäuser Traminer von zweihundertneunundneunzig Maß für vierhundertzwölf Thaler.

Sobald die Probe vorüber, das heißt der nur auf die Zunge gelegte Schluck den unterirdischen Göttern geopfert ist, gießt Jedermann den Rest des Weines in den Trichter, um sofort aus den Händen der Küferjungen die nächstfolgende Probe eingeschenkt zu erhalten. Die Käufer der einzelnen Fässer werden von der ganzen Gesellschaft sorgfältig notirt, auch werden die Namen nachher durch alle Localblätter bekannt gemacht, damit Jedermann weiß, wo Barthel vorkommenden Falles seinen Most zu holen hat. Nach einer gewissen Anzahl von Proben spült man das Glas mit Wasser aus und genießt ein Stück wohlschmeckendes Schwarzbrod, welches die Kellerverwaltung in großen Körben reichlich vertheilt, und so sieht man denn die ganze Versammlung vor sich schlürfend, kauend, schreibend, spuckend und bietend, letzteres aber nicht etwa mit lautschallender Stimme, wie bei gewöhnlichen Auctionen, sondern meistens nur durch stumme Winke mit den Armen oder Fingern, eine Zeichensprache, welche der Auctionator mit einer erstaunenswerthen Virtuosität versteht.

Nach den weißen Weinen gelangten achtzehn Sorten rothe Aßmannshäuser, Jahrgang 1870, zur Versteigerung; sie wurden nicht sehr gelobt, auch nicht hoch bezahlt, denn die geringste Sorte von hunderteinundsechszig Maß kostete nur neunundsiebenzig Thaler, die beste von hundertvierundsechszig Maß hundertzwölf Thaler. Nun aber folgten zweiundzwanzig Sorten des rothen Aßmannshäusers aus dem köstlichen Jahrgang 1869, und aus der allgemeinen Bewegung, welche plötzlich in der Versammlung entstand, konnte man schließen, daß etwas Ungewöhnliches bevorstehe. Die Versteigerung begann und „zweihundert Thaler für hundertzweiundsechszig Maß“ lautete das Angebot. Das Faß ging für zweihundertvierundfünfzig Thaler fort, aber die Preise steigerten sich bei jeder besseren Sorte, bis endlich die beste von hunderteinundsechszig Maß für fünfhundertelf Thaler verkauft wurde. Dabei sei für die Leser der Gartenlaube, welche sich etwa die Preise auf Flaschen berechnen wollen, in Parenthese bemerkt, daß die nassauische Maß zwei Liter, das heißt etwa drei gewöhnliche Flaschen, enthält. Das edle Naß wurde also diesmal theuer genug losgeschlagen, die 1869er Sorten waren aber auch ganz vorzüglich und unser Vis-à-vis, die alte Weinautorität, versicherte laut und freudig, daß ein solcher Aßmannshäuser in diesem Jahrhundert noch nicht gewachsen sei. „Sind Sie,“ so ergänzte ihn einer seiner Nachbarn, „sind Sie ein Freund von leichtem Getränk, so kaufen Sie sich Burgunder oder Bordeauxweine, wollen Sie aber lieber etwas Herzhaftes trinken, so greifen Sie zu dieser Sorte,“ und dabei schlürfte er stolz auf sein schönes rheinisches Heimathland und mit der tiefsten Verachtung gegen Frankreich erfüllt die schwarzen schweren Tropfen, von denen auch wir kosten und empfinden mußten, daß sie in Wahrheit wie Feuer durch die Adern rollen. – Die Versteigerung war vorüber, die Käufer legten ihre Siegel an die erkauften Fässer, nahmen die Probeflaschen in Empfang und die Gesellschaft zerstreute sich.

Schon während der Auction stand Einer draußen am Brunnen, er hatte mit Hülfe des eitlen Quellwassers aus einem halben Glase Aßmannshäuser ein volles gemacht und prüfte nun Farbe und Geschmack. Was beabsichtigte dieser Künstler? wollte er nach


Ein deutscher Denkstein für französische Prinzenthaten.
Nach der Natur aufgenommen von G. Arnould.


XIX. Nr. 45.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 753. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_753.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)