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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)

mit ihrem blödsinnigen Kinderlallen unsere würdige Sprache verderben und lediglich an eine mittelalterlich rohe Anschauungsweise appelliren!“

Diese ganze zerschmetternde Verurtheilung wurde in nichts weniger als leidenschaftlichem Ton gesprochen – kaum, daß eine erhöhte Röthe in die Wangen des Sprechenden trat und er hie und da einmal ruhig zurückweisend die Hand gegen seinen Buchhalter ausstreckte.

Charlotte war wie festgewurzelt stehen geblieben – sie schien vergessen zu haben, daß sie mich geholt, um der Sache sofort ein Ende zu machen. „Er spricht gut,“ murmelte sie. „Ich hätte ihm das nicht zugetraut – er ist sonst so indolent und kargt mit jedem Worte. … Wahrhaftig, Eckhof ist einfältig genug, den Handschuh abermals aufzunehmen und sich eine neue Schlappe zu holen!“ stieß sie zornig heraus und heftete ihre flammenden Augen so durchbohrend auf den Buchhalter, als wolle sie die Glaswand sprengen. Er hatte seinen bisherigen Platz verlassen und war Herrn Claudius um einige Schritte näher getreten.

„Verachten Sie immerhin das blödsinnige Kinderlallen, Herr Claudius,“ sagte er – die volltönende Stimme konnte Messerschärfe annehmen – „mich und tausend andere echt christliche Gemüther erquickt und stärkt es. … Der Herr will ja, daß wir in Einfalt wandeln sollen, in kindlicher Einfalt, und deshalb finden wird doch wohl eher Gnade vor seinen Augen, als wenn wir die Werke der ‚unsterblichen‘ Herren Schiller und Goethe lesen, die die würdige Sprache natürlicherweise nicht verderben. … Wenn Sie meine redlichen Bestrebungen zur Ehre meines Herrn und Gottes in Ihrem Hause nicht dulden wollen, so muß ich mich selbstverständlich in Demuth fügen. … Ich habe nur gemeint, es könne dem Hause in der Mauerstraße nicht schaden, wenn recht, recht viel in ihm gebetet würde – es ist so Manches geschehen, was zu Gott im Himmel schreit und gesühnt sein will –“

„Sie machen mir diesen indirecten Vorwurf in Zeit von wenig Tagen bereits zum zweiten Male,“ unterbrach ihn Herr Claudius ruhig. „Ich respectire Ihre Jahre und Ihre Verdienste um das Geschäft und will deshalb eine Handlungsweise nicht näher bezeichnen, die es nicht verschmäht, alte Wunden aufzureißen und sie im Kampfe um die entschwindende Macht als Verbündete heraufzubeschwören – ich überlasse das Ihrem eigenen Urtheil, ob das edel ist. … Was ich in meiner Jugendthorheit und Leidenschaft verübt, nehme ich allein auf meine Schultern – ich habe leider eine neue Schuld dazu gelegt, sofern ich Sie in dem Bedürfniß, Ihnen einigermaßen den Sohn zu ersetzen, allzu unumschränkt in Haus und Geschäft und mit mir selbst habe schalten und walten lassen. … Es wäre ein schreiendes Unrecht, wollte ich alle die Menschen, die von mir abhängig sind, auch nur um einen Tag länger mein Vergehen mitbüßen lassen – ich will ihre Gebete nicht, die doch nur erpreßte, völlig wirkungslose sind!“

„Was hat er denn gethan?“ flüsterte ich Charlotte zu.

„Er hat den einzigen Sohn Eckhof’s erschossen.“

Ich riß mich entsetzt von ihr los und unterdrückte mit Mühe einen Aufschrei.

(Fortsetzung folgt.)




Purpurhühner und ihre Küchlein.
Von Brehm.

Ein glückliches Zuchtergebniß, welches ich bisher nur in einer streng wissenschaftlichen, in den engsten Kreisen gelesenen Zeitschrift besprochen habe, ist es, welches mich zu nachstehenden Mittheilungen veranlaßt. Die Purpurhühner des Berliner Aquariums und bezüglich Vivariums gewährten mir und allen regelmäßigen Besuchern der von mir geleiteten Anstalt die Freude, über das Fortpflanzungsgeschäft der schönen Vögel Beobachtungen anstellen zu können. Ich spreche nicht von dem ersten bekannten Falle der Vermehrung gedachter Hühner oder richtiger Rallen im Zustande der Gefangenschaft; denn sie haben bereits einige Male in den Thiergärten zu London und Antwerpen gebrütet; aber immerhin gehört ein solches Vorkommniß zu den seltneren und hat meines Wissens noch in keinem deutschen Thiergarten stattgefunden, sowie auch eine ausführliche Schilderung desselben noch gänzlich mangelt.

Die Purpur- oder Sultanshühner (Porphyrio) bilden eine über alle Erdtheile verbreitete Gruppe der Rallen im weiteren oder der Sumpfhühner im engeren Sinne, bewohnen Brüche, Sümpfe, Zuckerrohr- und Reisfelder Südeuropas (Spaniens und Süditaliens), Afrikas, Asiens, Amerikas und Australiens, führen nach Art ihrer Verwandtschaft ein ziemlich verstecktes Leben, schreiten mit ihren langzehigen Füßen leicht über schlammigen Boden dahin, klettern geschickt an Rohrstengeln und Zweigen in die Höhe, schwimmen recht gut, fliegen aber schwerfällig und schlecht. Wie alle Rallen Allesfresser, begnügen sie sich keineswegs mit den Pflanzen und dem Kleingethier, welches ihnen ihre Wohnorte bieten, fügen vielmehr den Reisfeldern oft beträchtlichen Schaden zu und plündern außerdem in rücksichtslosester Weise alle Nester der mit ihnen in demselben Gebiete brütenden Vögel, sei es, daß sie deren Eier zertrümmern, um sich des Inhalts zu bemächtigen, sei es, daß sie die bereits ausgeschlüpften Jungen mörderisch überfallen, durch einige Hiebe ihres kräftigen Keilschnabels tödten und sodann unbekümmert ob des Klagegeschreies der Alten zerstückeln und fressen. Tristram sah sie junge Enten verzehren; ich beobachtete sie in der Gefangenschaft wiederholt beim Fangen oder richtiger Erlegen der Sperlinge, welche sich erdreisteten, von ihrem Futternapfe zu schmaußen, und mußte auch im Berliner Aquarium erleben, daß sie wiederholt Mordthaten an dem mit ihnen zusammenwohnenden Geflügel verübten, dafür sich freilich auch durch Verminderung der so lästigen Mäuse Verdienste erwarben, so daß ich mich bewogen gesehen habe, ihnen einen ganzen und vollständigen Ablaß zu verleihen. Hierbei war freilich nicht blos die Schwere ihrer Unthaten maßgebend, vielmehr kam auch ihr Aussehen und Betragen wesentlich mit in Betracht. Nicht nur, daß sie vier bis sechs schöne weiße Eier legen: die ungeachtet einer gewissen Ungefügigkeit ansprechende Gestalt, das glatte, in lebhaften Farben, vorherrschend in Grün, Blau und Sammetschwarz prangende Gefieder, die stolze und selbstbewußte Haltung, die damit verbundene Eigenschaft, sich leicht zähmen zu lassen, machen sie zu einer wahren Zierde aller Sammlungen, Thiergärten, und in Indien oder Sicilien zu einem Schmucke der Hühnerhöfe, erwerben ihnen auch aller Orten Freunde, welche rücksichtlich ihrer Uebelthaten eben so nachsichtig denken mögen wie ich.

Die Art der Gruppe, welche man am häufigsten in unseren Höfen sieht, ist das Sultanshuhn aus Nordafrika; außerdem erhalten wir eine indische und eine australische Art ziemlich regelmäßig, ebenso zwei durch ihre geringe Größe etwas abweichende Sammethühnchen aus Afrika und Amerika, niemals oder doch nur äußerst selten das europäische Purpurhuhn, aus dem der Laienwelt vielleicht auffallenden, uns jedoch sehr erklärlichem Grunde, weil Südeuropa uns überhaupt äußerst wenig Käfigvögel liefert. Alle Arten zählen zu den ausdauerndsten Gefangenen, welche ihre Familie aufzuweisen hat, und geben sich, wenn man ihre Ansprüche einigermaßen befriedigt, als genügsame Vögel zu erkennen. Verschiedene Getreide- und Körnerarten als da sind: Mais, Weizen, Gerste, Hanf, Grünzeug (Kohl, Salat, Kraut, Teichlinsen), in genügender Menge, Rüben und Möhren, ein wenig Fleisch, am liebsten solches von Fischen oder Fröschen, decken ihnen den Tisch zur vollsten Genüge und verbannen in der Regel auch so ziemlich die ihnen natürlichen Mordgedanken. So leicht sie sich bei solchem Futter an die Gefangenschaft gewöhnen, so gut sie in ihr aushalten, so selten schreiten sie übrigens zur Fortpflanzung, ohne daß man dafür eine wirklich befriedigende Erklärung zu geben wüßte. Anscheinend mit dem ihnen Gebotenen vollständig zufrieden, lassen sie doch in der Regel den liebeweckenden Lenz an sich vorübergehen, ohne entsprechende Frühlingsgefühle zu äußern. Es kommt vielleicht zu etwas Kampf

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 734. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_734.jpg&oldid=- (Version vom 31.10.2020)