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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)


Der Platte mit Ragout, um wieder zu unserem Dejeuner zurückzukehren, folgte meistentheils ein gebratener Vogel mit Salat, dann gab es apart ein Gemüse, meistentheils Rosenkohl oder Spinat, Sauerampfer, sehr häufig kamen auch weiße Bohnen, darauf eine Patisserie, irgend ein Kuchen, Aepfel und Nüsse, Mandeln, Traubenrosinen, Confitüren, Butter und Käse, und den Beschluß machte Kaffee.

Das Diner, das gewöhnlich um halbsieben Uhr eingenommen wurde, unterschied sich von dem Dejeuner durch das Auflegen eines Tischtuches, und den Inhalt des Pot au feu, durch die Suppe. In diesem durch den bekannten Ausspruch Heinrich’s des Vierten historisch gewordenen Gefäße wird ein großes Stück Rindfleisch mit einem Kohlkopf, allen Sorten Rüben, unter anderen auch Rettigen gekocht; in eine Suppenterrine wird Brod eingeschnitten und die Bouillon aus dem Topfe darauf gegossen, dazu werden der Kohl und die Rüben umhergereicht; eine andere Suppe bekommt man fast nie. Erst als ich den Wunsch nach einer Abwechselung äußerte, ließ man anstatt Brod das ABC in Nudelteig gedrückt in der Bouillon herumschwimmen. Hie und da wurde die Zahl der Platten noch durch eine Seezunge vermehrt, nach derselben und nach dem Rindfleisch gab man ein Ragout, dann Braten, und darauf ein Gemüse. Das Dessert blieb dasselbe wie beim Frühstück. Obst und Confitüren fehlen bei keiner französischen Mahlzeit; unter letzteren verstehen die Franzosen eine Marmelade aus Himbeeren oder Erdbeeren, Aprikosen, Pfirsichen oder Quitten, an die wir uns bald gewöhnt hatten, da sie, trotz der Versetzung mit Zucker, doch den lieblichsten Fruchtgeschmack bewahrten. Ein größerer Genuß war für uns das wunderschöne Obst. Wir saßen so mitten im Lande der Hesperiden drinnen; die Gegenden von Orleans bis Tours exportiren jährlich für Millionen von Franken an Obst nach England. Die Reben, die zuerst nach Deutschland unter Karl dem Großen kamen, waren Orleansreben. Wir hatten im Winter noch Trauben, Birnen von mehreren Pfunden an Gewicht, vornehmlich aber ausgezeichnete Aepfel.

Mehrmals wurde ich von ganz gebildeten Leuten gefragt, ob wir in Deutschland auch Aepfel hätten. Wenn man ihnen dann antwortete, daß wir Aepfel, Birnen, Trauben und sogar Feigen in Fülle hätten, daß die Gärtner um Berlin einen Exporthandel mit Ananassen, die im Sande der Mark gezogen seien, trieben, dann wollte ihr Erstaunen kein Ende finden. Darin waren sie merkwürdig naiv; sie betrachteten sich wie das auserwählte Volk Gottes, berechtigt zum alleinigen Besitz aller Erdengenüsse. Wir Deutschen gingen nach ihrer Meinung noch in Thierhäuten umher und nährten uns von Wurzeln und Eicheln.

In Tours servirte man mir eines Tages einen Hummer. Mit etwas verlegener Miene frug der Herr des Hauses, ob ich das Gericht auch kenne und zu essen verstände. Ohne ein Wort zu sprechen, zerlegte ich den Hummer ganz kunstgerecht und fing dann an in einem Grade zu essen, daß für die Uebrigen fast nichts mehr übrig blieb, worauf der Herr des Hauses seiner Madame ganz verwundert zurief: „Il est connaisseur!“ (Er versteht sich darauf!) Dies zu zeigen war auch meine Absicht gewesen. Ebenso verhielt es sich mit den Weinen. Kam man in das Quartier, so sprachen die Wirthe ihr Bedauern aus, kein Bier zu haben; denn sie wußten, daß die Deutschen doch nur Bier tränken. Wenn aber eine Mahlzeit vorüber war, und sie die leeren Weinflaschen sahen, dann mußten sie sich auch sagen: Il est connaisseur! Nicht allein von meiner Wenigkeit, von uns Allen. An das Gute gewöhnt sich der Mensch leicht; unsere Soldaten haben nie so gut gelebt und werden es vielleicht auch nicht mehr, als in den Gegenden der Loire. Den saueren Rothwein der Mosel um Metz mochten sie schon nicht mehr, desto mehr mundeten ihnen die milden Weine der Loire und die von Burgund. Wie hätten sie ohne den Wein auch die furchtbaren Strapazen des Winterfeldzuges aushalten können!

Nach diesen Bemerkungen über das französische Haus werde ich in einem nächsten Artikel mit meinen Erlebnissen und Beobachtungen in französischen Quartieren auf unserm Vormarsch nach dem Süden fortfahren.

G. Horn.




Die Wiege des Königs.


In welcher wunderbaren Symbolik bewegen sich oft die Ereignisse! Wenige Tage sind es her, daß man in Paris die eherne Gestalt Napoleon des Ersten von ihrem hohen, stolzen Piedestale unter großem Jubel herabgestürzt, und wenige Tage sind erst dahin, daß man in Berlin unter Begeisterung des Volkes dem Könige Friedrich Wilhelm dem Dritten ein Denkmal der Ehren und Dankbarkeit aufgerichtet hat.

Jener hat die Nation, die ihn an ihre Spitze gestellt hatte, von jenem weltgeschichtlichen 18. Brumaire an verrathen und zum Opfer seines maßlosen Egoismus gemacht, und das ward sein Untergang. Unter Friedrich Wilhelm dem Dritten, der auf den Stufen des Thrones geboren ist, hat sich das Vaterland zu neuem, gesundem Leben emporgehoben, aus tiefem Fall und grenzenlosem Elend, und daß er dem großen Volkszuge die Bahn frei machte, das war seine Rettung, das war sein Verdienst und Ruhm, das wird sein Gedächtniß der Liebe und Ehren für alle Zeiten sein.

Wenn man durch die Straßen der Stadt Potsdam wandelt, die sich mit Vorliebe und mit Recht die zweite Residenz der preußischen Monarchie nennt, wenn man vom Bahnhofe aus die lange Brücke überschritten hat, wenn man das sich zu beiden Seiten derselben entfaltende Landschaftsbild in seiner reizenden Zusammenstimmung saftigen Baumgrüns mit dem klaren, frischen, blauen Wasserspiegel der Havel genossen, wenn man durch die an der Brückenseite gelegenen Colonnaden des Lustgartens, an der einstigen Wohnung Voltaire’s vorbei, um die Ecke des Stadtschlosses gebogen und durch die an der Stadtseite gelegenen Colonnaden das Gebiet des Schlosses verlassen und die eigentliche Stadt betreten hat, dann stößt man auf einen Asphaltweg, der vom Schlosse an durch die Stadt bis nach Sanssouci führte und für König Friedrich Wilhelm den Vierten gelegt worden war. Verfolgt man denselben etwa zweihundert Schritte weit, dann gewinnt man zu rechter Hand den Blick auf eine kurze breite Straße und von da auf einen kleinen Platz, der neue Markt genannt. Rechts in der ersteren, und zugleich die Ecke nach der Schloßstraße bildend, präsentirt sich ein stattliches im Aplombstyl des achtzehnten Jahrhunderts erbautes Haus. Es hat ein Erdgeschoß und eine Beletage, über derselben noch eine architektonisch reich verzierte Attika; fünf Fenster der Seitenfront gehen nach der Hauptstraße, die Façade liegt nach der Nebenstraße, sie hat zehn Fenster, über dem Eingange einen von zwei Bildsäulen getragenen Balcon, vor dem Hause stehen vier Lindenbäume. Es ist eins der vielen Häuser, welche Friedrich der Große aus eigenen Mitteln den Bewohnern Potsdams aufbaute; eigentlich ließ er den vorhandenen Gebäuden nur eine neue Façade geben. Die innere Einrichtung und die Rückseite aus Fachwerk blieben in dem Zustande, in welchem sie waren. Viele hatte er aber auch von Grund aus aufgebaut; er besaß zu diesem Zwecke eine große Sammlung von Kupferabbildungen der schönsten öffentlichen und Privatgebäude Europas; von diesen wurden die Copien oder Motive für die neu aufzuführenden genommen, und so kommt es, daß man in Potsdam steinerne Abbildungen von Whitehall, von Gebäuden des Palladio in Rom und von anderen hervorragenden Bauwerken in Paris, Venedig und Amsterdam sieht.

Der große König fand bei seinem Regierungsantritt eine Stadt von Häusern aus Fachwerk und Backsteinen und hinterließ eine solche von Palästen. Seine gewaltige schöpferische Kraft bethätigte er nach seinen Kriegsthaten in Werken des Friedens. Er ließ bauen im ganzen Lande, Canäle, Wege, Brücken und außerdem seinen lieben Potsdamern hübsche Häuser; unter die stattlichsten gehört das eben beschriebene. Daran stößt ein weniger hübsches; dasselbe sieht in seiner schmucklosen Einfachheit gegen die reiche Ornamentirung des Nachbarhauses wie der arme Mann neben dem reichen aus, die Fenster zeigen gar keinen künstlerischen Schmuck, es wendet mit vier Fenstern seine Seitenfront dem Markte zu, die Façade steht nach der Schwertfegerstraße, nach dieser Seite hin ist ein Fenster zugemauert. Und doch besitzt dieses Haus eine Bedeutung, welche das danebenstehende prächtigere nicht hat; dieselbe ist in einer Marmortafel ausgedrückt, welche

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 436. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_436.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)