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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)


Alison blieb unbeweglich. „Ich weiß es!“

„Und Mr. Fernow kommt ebenfalls,“ fuhr Jener mit bedeutsamem Nachdruck fort.

Henry blickte ihn ruhig an. Wissen Sie das so genau?“

„Nun, er wird doch nicht zurückbleiben bei einem Empfange, der hauptsächlich ihm gilt!“

„Er wird nicht kommen!“ sagte Henry kalt. „Nach dem, was zwischen uns vorgefallen ist, betritt er das Haus nicht, so lange meine Braut darin weilt, oder ich müßte das deutsche Ehrgefühl nicht kennen.“

Atkins sah ihn zweifelnd an. „Nun, ich war nicht Zeuge Ihrer Unterredung, Sie müssen wissen, was von ihm zu erwarten ist, aber wenn er wirklich fortbleibt – sind Sie Miß Forest’s ebenso sicher?“

Henry gab keine Antwort, er lächelte blos in seiner unheimlichen Weise.

„Sie haben ihr Versprechen, es ist wahr! Wenn sie Ihnen nun aber jetzt die Erfüllung verweigerte?“

„Sie wird sie nicht weigern.“

Atkins schien diese mit großer Bestimmtheit ausgesprochene Ueberzeugung nicht zu theilen. „Sie könnten sich doch im Irrthum befinden!“ sagte er. „Jane ist nicht mehr in der dumpfen Betäubung, wie bei unserer Ankunft in B. Sie schweigt, wie gewöhnlich, aber ich weiß es, daß alle ihre Seelenkräfte jetzt auf einen Entschluß hinarbeiten, und dieser Entschluß wird schwerlich blinde Unterwerfung unter Ihren Willen sein. Sehen Sie sich vor!“

Henry lächelte wieder, es war ein fast mitleidiger Blick, mit dem er auf den Warner herabsah.

„Und glauben Sie denn wirklich, ich wäre im Stande gewesen, abzureisen und ruhig ein halbes Jahr lang fern zu bleiben, wenn ich mich nicht vorher nach allen Seiten hin gesichert hätte? – Ich habe Mr. Fernow gefordert, er verweigerte es mir damals bis nach beendetem Kriege, jetzt bindet ihn sein Wort und mir steht als dem Beleidigten der erste Schuß zu. Miß Forest weiß das, und sie weiß auch, daß ich ihn niederschießen werde, wenn sie sich nicht bedingungslos dem fügt, was ich zu beschließen für gut finde. Die Wahl ward ihr schon damals gestellt, als der Tod meines Schwagers einen Aufschub der Heirath veranlaßte und sie so energisch von mir Zeit für ihre Trauer verlangte. Ich habe sie ihr hinreichend gelassen, denn ich wußte, daß keine Sinnesänderung zu befürchten stand. Es gilt sein Leben! an der Angst halte ich sie fester, als an einem zehnfachen Schwur; sie wird nicht wagen, nur auch nur mit einem Worte zu widerstreben, sie kennt den Preis seiner Rettung.“

Atkins sah ihn fast mit Entsetzen an. „Und Sie wollen wirklich ihre Hand so erzwingen? Nehmen Sie sich in Acht, Henry! Jane ist kein Wesen, das sich geduldig opfern läßt, sie wird das gestörte Lebensglück an Ihnen rächen; Sie erkaufen sich die ersehnte Million mit einer Hölle im Hause.“

Alison’s Lippen zuckten verächtlich. „Beruhigen Sie sich, Mr. Atkins, über unser zukünftiges Eheglück. Ich glaube denn doch, daß ich meiner Gattin einigermaßen gewachsen bin. – Doch es möchte jetzt wohl Zeit sein, daß wir uns zu Mr. Stephan begeben; darf ich Sie bitten, sich fertig zu machen?“

Atkins zögerte noch einen Augenblick. „Henry,“ sagte er bittend, „was auch zwischen Ihnen Beiden erörtert werden mag – schonen Sie Jane, sie hat furchtbar gelitten in dieser ganzen Zeit.“

„Hat sie mich geschont?“ fragte Henry eiskalt. „Die stolze Miß Forest hätte mich bei Seite geworfen, wie eine unnütze Last, ruhte nicht zufällig ein anderes Leben in meiner Hand. Jetzt habe ich die Macht und setzt werde ich sie brauchen, der Trotz soll mir zu Boden um jeden Preis!“

Atkins stieß einen Seufzer aus, als er in das Nebenzimmer ging, um Hut und Handschuhe zu holen. „Das wird eine Ehe! Gnade uns Gott, wenn die Beiden erst Mann und Weib sind!“ –

Der formelle Theil des Besuches im Stephan’schen Hause war vorüber. Alison hatte den Doctor und seine Frau begrüßt und die bei einer solchen Visite unvermeidlichen Redensarten, Fragen und Antworten über sich ergehen lassen, aber diesmal verrieth er keine brennende Ungeduld, die Unterhaltung abzubrechen, sondern wartete ruhig, bis Atkins sie beendete und ihn zu Jane führte, die, trotzdem sie von seiner Ankunft wußte, in ihrem Zimmer geblieben war.

Auch hier gab es eine höfliche kalte Begrüßung, einige Worte über die Reise, die Ankunft und die letzten Orte des Aufenthaltes, dann zog sich Atkins zurück, Henry und Jane blieben allein.

Sie saß ihm wieder gegenüber, wie einst, als er um ihre Hand warb, nur bleicher als damals, sie war um so vieles bleicher geworden während dieses Winters, aber auch sie hatte sich in der langen Zeit wiedergefunden. Das Haupt erschien wieder aufrecht, die Züge fest und kalt und das Auge begegnete mit dem alten Trotze dem seinigen. Das war nicht die Haltung der Ergebung oder Unterwerfung, Atkins hatte Recht, sie wollte noch einen letzten Kampf wagen. „Wozu das nutzlose Ringen! Ich lasse dich ja doch nicht los!“

Vielleicht las Jane diesen Gedanken auf seinem Gesicht, denn ihre Stirn verfinsterte sich und ihre Lippen preßten sich fester aufeinander! Diese beiden Wesen, die sich in Kurzem vereinigen sollten für immer, sie standen sich jetzt so feindlich gegenüber, als gelte es einen Kampf auf Leben und Tod. Beide wußten es, sie waren einander ebenbürtig an Energie, an Willenskraft und Unbeugsamkeit, nicht einen Fußbreit Raum wollte Einer dem Andern gönnen, jetzt galt es zu zeigen, wessen Wille der stärkere war.

Henry hatte bereits seine Stellung genommen, er hüllte sich gänzlich in jene kalte Höflichkeit, die er schon bei der Begrüßung zur Schau getragen.

„Ich komme, Miß Forest, ein Versprechen einzufordern, das ich bereits vor Jahresfrist erhielt, und das mir hier an dieser Stelle wiederholt ward. Ihrer Trauer um den jungen Mr. Forest, der auch ich mich aufrichtig anschloß, ist wohl jetzt genug geschehen, und ich darf Sie bitten, den Tag unserer Verbindung festzusetzen. Mr. Atkins wünscht die genaue Kenntniß desselben, all’ der Umständlichkeiten wegen, die hier zu einer Heirath nöthig sind, und auch ich habe noch verschiedene Vorbereitungen für die Abreise zu treffen. Wir hatten den Anfang des nächsten Monats dazu bestimmt; Tag und Stunde, sowie die Art der Ceremonie bleibt natürlich gänzlich Ihrer Entschließung überlassen; ich erwarte Ihre Befehle in Bezug darauf.“

Jane athmete schwer. Der Eingang war meisterhaft gewählt, er machte jede Einwendung von vornherein unmöglich, aber so leicht sollte ihm der Sieg denn doch nicht werden.

„Sie haben mein Wort, Mr. Alison, es ist wahr, und ich bin bereit, es einzulösen, wenn Sie nach dem, was zu Ihrer Kenntniß gelangt ist, noch wagen, es einzufordern.“

Worte und Blicke glitten gleich wirkungslos an der Eiseskälte ab, mit der sich Henry gewaffnet hatte, er blieb vollkommen gelassen.

„Und weshalb sollte ich es nicht wagen, eine Hand zu fordern, die mir freiwillig zugesagt ward und mir auch freiwillig zu Theil geworden wäre ohne jenen – Zwischenfall, der in meinen Augen nur von sehr untergeordneter Bedeutung ist? Miß Forest ist denn doch ein zu kostbarer Besitz, als daß man ihn einer romantischen Aufwallung wegen opfern sollte, ich wenigstens bin nicht gesonnen, es zu thun.“

„Sie vergessen Eins!“ Jane’s Stimme verrieth unwillkürlich die furchtbare Erregung, in welcher sie sich befand. „Bisher hatten Sie die Macht, mich zu quälen, und Sie haben es redlich gethan, von dem Augenblick unserer Vermählung an fällt sie mir zu. Ein Weib kann dem Manne zum Fluche werden, wenn er sie hassen lehrt, wo sie lieben sollte – zwingen Sie mich in jenes Band, und ich werde es Ihnen sein.“

Aber auch diese so energisch herausgeschleuderte Drohung blieb machtlos gegen Henry’s Ruhe, er lächelte dazu, wie er vorhin zu Atkins’ Worten gelächelt hatte.

„Ich glaube schwerlich, daß wir den Roman, in den uns die deutsche Sentimentalität wider Willen hineingezogen, auch auf amerikanischem Boden fortsetzen werden, die Luft ist dort nicht günstig für dergleichen Extravaganzen, wir lassen sie besser hier zurück. Ich bin überzeugt, Mrs. Alison wird mein Haus so glänzend repräsentiren und in den Cirkeln unserer Stadt so unbedingt die erste Rolle spielen, wie Miß Forest es einst that, sie wird dafür Umgebungen finden, die ihrer würdig sind, und einen Gatten, dessen Name und Stellung ihr Ehre macht. Zu einer Schäferidylle wäre unsere Ehe ohnehin nie geworden, tragisch braucht sie auch jetzt noch nicht zu werden, und sollten Sie die Absicht haben, Miß, sie in dieser Weise zu gestalten, so würde das eben nur auf Ihren Antheil fallen, denn ich meines Theils besitze auch nicht die geringste Empfänglichkeit dafür.“

(Fortsetzung folgt.)
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 424. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_424.jpg&oldid=- (Version vom 1.10.2017)