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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)


Kunst geschwungen, denn sie sind voll Holdseligkeit und rührender Innigkeit nach geistigem Gehalt und Form gleich vortrefflich. Doch davon werdet Ihr lieben Freunde morgen früh, wo wir unsern Rundgang durch die Burg machen, durch den Augenschein Euch überzeugen. Für heute aber gilt endlich der Spruch:

Der Worte sind genug gewechselt,
Laßt uns nun endlich Thaten sehn
Und Töne hören!

Lied und Laute müssen neben dem Becher erklingen, so verlangt es diese geweihte Stätte.“

Nicht nur von Arnswaldt, sondern auch Bechstein und Maler Müller waren des Saitenspieles wohl kundig. Johann hatte indessen drei Schlagcithern herbeigebracht. Die drei Ebengenannten ergriffen dieselben und fingen gar lustiglich an zu spielen und dazu zu singen, die Uebrigen fielen fröhlich ein, indem sie kräftig Chorus machten, und bald klang es gar schön und lieblich hinaus in die dunkle Waldnacht.

Sie sangen von Lenz und Liebe, von sel’ger goldner Zeit,
Von Freiheit, Männerwürde, von Treu und Heiligkeit,
Sie sangen von allem Hohen, was Menschenherz erhebt,
Sie sangen von allem Süßen, was Menschenbrust durchbebt.

Dazwischen klangen die Humpen und Pokale, gefüllt mit goldnem Wein, dumpf aneinander und dann wieder die Cithern voll und klar in den Händen der tonkundigen Meister, von Gesang begleitet.

Indessen war die Zeit weit vorgerückt und Langenberg sprach: „Ehe wir heute scheiden, müssen wir unserm Schwind im Namen der ganzen deutschen Kunstwelt noch ein donnernd Hoch ausbringen. Ich wähle dazu den Trinkspruch, den Ernst Förster bei jenem Abschiedsfeste sprach, welches die Künstler Münchens im Jahr 1839 unserm Schwind gaben, als er nach Karlsruhe ging:

Mag immer er in seinen Bildern
Selbst wunderliche Heil’ge schildern,
Der Psyche Lieben, Leiden, Sieg,
Den weltberühmten Wartburgkrieg,
Und mag er weinen oder lachen,
Und weinen uns und lachen machen,
Ob Isar, Donau oder Rhein
Ihm volle Becher schenken ein! –
Wohin die Sterne ihn geleiten,
Der Freunde Gruß soll ihn begleiten!
Ein Hoch darauf! Stoßt alle Mann’
Die vollen Humpen klingend an,
Durch diese altberühmten Hallen
Soll ihm ein donnernd Hoch erschallen!“

Anfang dieses Jahres ging die Kunde von des Meisters allzufrühem Tod durch alle Gauen; er schläft seit dem 8. Februar in seinem Grabe auf dem Kirchhof zu München.




Heilige Erde.
Von J. Nötzli.


Etwa eine halbe Stunde unterhalb Rappersweil, noch im Schatten des waldigen Etzels, entsteigen den dunkeln Gewässern des lieblichen Zürichsees zwei kleine, freundliche Eilande, der schönen Landschaft noch einen erhöhtern Reiz verleihend.

Das kleinere, die Lützelau, umrahmt von einem breiten Kranze üppig sprießenden Uferschilfes, in dem die schlanke, muntere Möve ungestört ihr neckisches Spiel treibt, umspannt nur wenige Morgen Landes, die sich in ihren höchsten Punkten kaum zwanzig Fuß über die Spiegelfläche des Sees heben. Offenbar war die Insel einst größer, denn die Chronik erzählt, daß schon im achten Jahrhundert ein Frauenkloster darauf gestanden; bald aber verließen die frommen Frauen die einsame Stätte; die Mauern verwitterten, stürzten zusammen und keine Hand hat sie wieder aufgebaut. Dann sind sie herüber gekommen aus dem aufblühenden Rappersweil und haben für ihre Feste Steine geholt und so den muntern Wellen des Sees geholfen das kleine Eiland noch kleiner zu machen. Von da an blieb die Lützelau unbewahrt und unbebaut bis auf die heutigen Tage. Nur an schönen Sommersonntagen kommt die Bevölkerung der nahen Rosenstadt, Alt und Jung in bunter Schaar herüber und freut sich bei fideler „Suntigswirthschaft“ ihres Lebens.

In jeder Beziehung bedeutender als die Lützelau ist die davon südwestlich gelegene Ufnau, d. h. die obere Au, zum Unterschiede von der Au, einer bei Horgen liegenden Halbinsel, in deren reicher Waldung einst Klopstock mit seinen Freunden aus Zürich gewandelt und deren er in seiner schönen „Ode an den Zürichsee“ so dankbar gedenkt.

Die Ufnau ist vielleicht dreimal so groß als die Lützelau aber immerhin ein unverhältnißmäßig kleiner Fleck Erde zu der reichen Geschichte, die sich an ihre Scholle knüpft. Die ganze Insel – kaum eine Juchart ist mit Reben und Maiskorn bebaut – deckt freundlich grünes Weideland, dem wenige Obstbäume die Einförmigkeit des Anblicks verschönern.

Jäh und schroff steigt am südlichen Rande der Insel der malerische Arnstein, ein mächtiger Nagelfluhfelsen, aus dem See, auf seinem Rücken ein kleines Lusthäuschen mit reizender Fernsicht. Auf der entgegengesetzten Seite, auf niedriger Anhöhe, „auf Felsen gebaut“ zwei alt-ehrwürdige Kirchlein, das eine mit einem Glockenthurm und beide reich bedacht mit all jenem Bilderschmuck, zu dem die fromme Andacht so gern ihre Augen aufschlägt. Mitten in der Insel steht die Wohnung des Pächters, der das ewige Lichtlein in den Kirchen zu unterhalten und das tägliche dreimalige Läuten zu besorgen hat. Bei ihm findet der Besucher der Insel eine treffliche Bewirthung, einen delicaten Fisch und einen köstlichen Tropfen Wein, den vielberühmten „Leutscher“, der vis-à-vis der Insel auf Schwyzerboden wächst.

Es war an einem regnerischen Julitage des Jahres 1523, als, von Schirmensee kommend, ein leichter Kahn auf die Ufnau zuruderte; weit aus holte der Fährmann, doppelt eilig, doppelt kräftig schlug das Ruder den Spiegel des Sees, als ob es ihm recht angelegen sei, den stummen Fremden, der blaß und sinnend im Vordertheile des Kahnes saß, bald an’s Land zu bringen. Am Ufer stand der Pfarrer der Insel, Hans Schnegg, ein Conventualer des Klosters Einsiedeln, und harrte des Kommenden. Der Kahn legte an, mühsam erhob sich der Fremde, doch das große, dunkle Auge leuchtete auf, über das fahle, edle Antlitz flog ein Strahl der Freude, als ihm der Harrende mit freundlichem Willkomm die Hand entgegenstreckte, und Ulrich von Hutten betrat die Erde seines Grabes.

Ein jäher Schmerz muß jedes fühlende Herz durchzucken bei dem Momente, da der große, edle Kämpe verfolgt, vertrieben, zum Tode krank, zerrissen von dem innern Drange noch weiter zu kämpfen, zu schaffen, getragen von der Hoffnung hier zu gesunden, seine Hand in diejenige des Freundes legt, die ihm schon nach wenig Wochen die Augen zudrückt.

Hutten kam von Zürich, wohin er vor wenigen Tagen aus dem Bad Pfäffers zurückgekehrt war. Freunde hatten ihm gerathen, für seine schwere Krankheit die warmen Bäder in Pfäffers zu gebrauchen; aber die Hoffnung auf baldige Genesung trog ihn und seine Freunde: kranker, als er gegangen, kehrte er wieder zurück. Ein strömender Regen fiel während der ganzen Dauer seines Dortseins; die damals noch nicht gefaßten warmen Quellen wurden von der hereindringenden Regenfluth abgekühlt und verloren ihre Heilkraft. Vergebens unterzog sich Hutten der Mühe, der Qual und Gefahr, der sich die Badenden aussetzen mußten; an Stricken wurden sie zu den Quellen hinuntergelassen und verweilten dann zehn bis zwölf Stunden hintereinander in dem dunkeln, unheimlichen Orte. Bald hatte Hutten dies satt, und er schrieb an Ulrich Zwingli, daß er fort, fort wolle in freie Luft. Vergebens lud ihn der Abt von Pfäffers, J. Jac. Russinger, ein warmer Freund der Reformation, ein, besseres Wetter abzuwarten, Hutten ließ sich nicht länger halten, und von dem gastlichen Abte auf’s Sorgfältigste zur Reise gerüstet, trat der kranke Dichter die Rückkehr nach Zürich an.

Aber dort konnte seines Bleibens um keinen Preis sein; wie bald hätten ihn die Argusaugen der ihn unerbittlich verfolgenden Geistlichkeit gefunden und was wäre dann aus ihm geworden! Doch stand Hutten nicht ohne Freunde da und deren vorzüglichsten einer war der Schweizerreformator Ulrich Zwingli: dessen milde Hand hielt ihn fest und sicher und sorgte in hochherziger Weise für den „letzten deutschen Ritter“. Nachdem er ihm das Asyl auf

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 383. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_383.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)