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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)


Buchhändler und Schriftsteller in Italien. Wer in Italien lebt, wird beständig zu der Wahrnehmung aufgefordert, daß dieses an ursprünglichen Kräften so reiche Land durch die unheilvollen Bedingungen seiner Vergangenheit nach vielen Richtungen in seiner Entwickelung zurückgehalten worden ist. Die Reisenden, die flüchtig die Kunstschätze und die Naturschönheiten anstaunen und dann wieder nach Hause eilen, können sich schwerlich eine Vorstellung von der Seltsamkeit mancher hiesigen Zustände machen.

Gewiß werden auch deutsche Blätter die Nachricht mitgetheilt haben, daß vor einigen Monaten im Saale der Handelskammer von Mailand sich ein buchhändlerischer Congreß versammelte, dem die namhaftesten Buchhändler und Buchdrucker Italiens beiwohnten, und wo der Beschluß gefaßt wurde, eine italienische Buchhändlerassociation zu gründen, um sowohl in materieller als in geistiger Hinsicht den Buchhandel zu verbessern und die gegenseitigen commerziellen Beziehungen der Mitglieder der Association zu entwickeln, zu welchem Zwecke mit Beginn des künftigen Jahres ein Journal und ein Katalog zum Gebrauch der Buchhändler herausgegeben werden soll. Die ganze Tragweite dieser Thatsache wird man jedoch schwerlich jenseits der Alpen einsehen, weil man nicht leicht einen Begriff haben kann von dem wunderlichen Zigeunerleben, welches hier die Bücher führen.

Was man bei uns unter Buchhandel versteht, giebt es nämlich in Italien bis jetzt durchaus nicht. Es ist nicht die geringste Organisation in diesem Betracht vorhanden; die Buchhändler sind in gar keiner Geschäftsbeziehung miteinander, ja, wollen es nicht einmal sein, sondern, oft sogar neidisch aufeinander, leugnen sie ein Buch auch nur zu kennen, das bei einem ihrer Collegen erschienen ist, oder kennen es vielleicht auch wirklich nicht. Wenig kümmert man sich in Florenz um das, was in Neapel herausgekommen ist, und in Mailand weiß man kaum, was in Genua gedruckt wird. Jeder Buchhändler zeigt seine Sachen an wie ein Modehändler seine Waaren, und damit giebt er sich zufrieden. Dazu kauft man hier ein Buch wie ein Paar Handschuhe, das heißt: man muß um den Preis handeln, auch dann sogar, wenn derselbe mit deutlichen Zahlen, wie dies oft geschieht, auf den Titel gedruckt ist, denn dieser gedruckte Preis, den man nur die unkundigen Käufer bezahlen läßt, ist oft nicht der prezzo ristretto, der geringere Preis, für den der Buchhändler es bereitwillig weggiebt. Oft giebt es kein anderes Mittel, wenn man ein Buch haben will, als sich an den Verfasser selbst zu wenden, wenn kein Buchhändler es zu verschaffen weiß oder es verschaffen will.

Ein großer Theil dieser Mängel und Schwierigkeiten liegt an der ehemaligen Zerstückelung Italiens. Damals waren wirklich die verschiedenen kleinen Reiche wie durch hohe, undurchdringliche Mauern geschieden, die jeden commerciellen und geistigen Verkehr außerordentlich erschwerten oder oft ganz unmöglich machten. Nun sind seit zehn Jahren diese Schranken gefallen, aber sie sind noch nicht geistig überwunden. Ein genialer und thätiger Buchhändler, der hier gute Anknüpfungen und Verbindungen hätte, könnte sich ein wahres Verdienst erwerben, wenn er nach deutscher Weise den hiesigen Buchhandel organisirte und auch unsere Buchhändlermesse einzuführen suchte. Der Mailänder Congreß zeigt, daß man das Bedürfniß nach einer solchen Umwandlung lebhaft zu fühlen anfängt.

Auch die wunderlichen Verhältnisse der italienischen Schriftsteller stechen eigenthümlich gegen die der unsrigen ab. Nur die beliebtesten Autoren, wie etwa Guerrazzi, dessen Romane einen großen Leserkreis anziehen, verkaufen wie bei uns ihre Manuskripte an einen Verleger; aber die große Masse der Schriftsteller läßt sie auf eigene Kosten drucken und giebt dann ihr Buch den Buchhändlern in Commission, die gewöhnlich fünfundzwanzig Prozent und zu jedem verkauften Dutzend ein Freiexemplar bekommen. Um das Buch anzukündigen, werden große, oft farbige Zettel gedruckt, auf denen Titel und Preis steht, und diese Zettel läßt man an die Straßenecken anschlagen oder bei den Buchhändlern aushängen, welche das Werk in Commission genommen haben. Für alle diese Dinge muß der arme Schriftsteller selbst sorgen, und wenn er sich endlich bei seinen Commissionären nach seinen verkauften Exemplaren erkundigt, hat er noch allerlei Schwierigkeiten und Verdruß, bis er sein Geld bekommt. Daß er unter solchen Umständen nicht reich wird, läßt sich denken, und mir scheint, daß es in Italien für einen Mann von Talent weit leichter ist, ein Buch zu schreiben, als es zu verwerthen und bekannt zu machen.

Bezeichnend genug ist es, daß ich häufig über diesen oder jenen Schriftsteller sagen hörte: „Der muß ein reicher Mann sein: er läßt drucken!“ Bei Anhörung solcher Bemerkungen mußte ich lächelnd an manche meiner deutschen literarischen Freunde denken, die mir so oft über die deutschen Schriftstellerzustände klagten, die freilich den englischen und französischen gegenüber bescheiden genug, aber mit solchem literarischen Mittelalter verglichen denn doch noch als glänzend zu preisen sind! Ein deutscher Autor bekommt im schlimmsten Falle seine Arbeit schlecht oder gar nicht bezahlt, aber wenigstens gehen ihn doch gewöhnlich die Druckkosten nichts an, und er hat sich nicht selbst um den Vertrieb zu bekümmern.

Florenz.

Ludmilla Assing.

Beethoven in der Küche. Die Erinnerungszeit an den genialen Tonkünstler hat Veranlassung gegeben, daß so viele seiner Charakterzüge und Erlebnisse noch einmal erzählt wurden; aber nachfolgendes komische Geschichtchen wäre beinahe in Vergessenheit gerathen, wenn wir es nicht zufällig unter unseren Papieren wieder aufgefunden hätten, aus denen wir es hier mittheilen.

Der große Tonkünstler erstreckte seine Genialität auch auf seine Häuslichkeit, die er zu einem wahren Chaos gestaltete, denn er war auch in der Unordnung genial! Er verbot es streng, daß jemals bei ihm aufgeräumt wurde; sogar der Besen durfte nur gegen besondere Erlaubniß den Fußboden seines Zimmers berühren. Er behandelte denselben zugleich als Papierkorb und warf alle Couverts auf die Erde, zuweilen die zerrissenen Briefe dazu. Auf jedem Stuhle lagen Bücher oder Noten; die Geräthschaften der Mahlzeiten vom Frühstück an blieben meistens bis zum andern Morgen im Zimmer stehen. Wenn er etwas suchte, wurde das Chaos lebendig, Manuscripte stürzten entblättert auf die Erde, leere und volle Weinflaschen rollten aus den Ecken hervor, aber was er suchte, fand er natürlich nie, denn der Wirrwarr ward immer ärger durch sein ungeduldiges, unsystematisches Suchen. Verloren hatte er aber immerwährend etwas, das Suchen war also eine seiner gewöhnlichsten Beschäftigungen.

Er schalt dabei sehr heftig auf seine Haushälterin, die er seltsamer Weise Frau Schnaps nannte; sie sei an allem Verdruß, an aller Unordnung schuld, behauptete er, denn er selbst sei streng ordentlich und könne jede Stecknadel bei Nacht wiederfinden, wenn nicht eben stets Alles in seinem Zimmer auf eine andere Stelle von ihr gelegt würde.

Eine Hauptursache dieser Unordnung lag aber in dem häufigen Quartierwechsel des unzufriedenen, verdrießlichen Tondichters. Er wechselte die Wohnung so oft, wie man die Wäsche wechselt, und nahm sich nie die Zeit, sich wieder ordentlich einzurichten.

Einmal fehlte die Partitur seiner Lieblingssymphonie, völlig in’s Reine geschrieben, ein wahrhaft kostbares Manuscript. Ueber vierzehn Tage brachte der arme Beethoven mit Suchen und Fluchen zu. Er fand es endlich, aber ach, wo? – In der Küche, als Unterlage für Butter, Speck und andere Lebensmittel!

Ganz außer sich vor Wuth warf der Componist alle Eier, die vorhanden waren – er liebte frische Eier über Alles und aß täglich mehrere in rohem Zustande –, seiner Köchin an den Kopf und jagte sie dann aus dem Hause. Er war entschlossen, nie wieder eine solche Cannibalin in seine Küche zu lassen, das Essen war ohnehin längst nicht mehr nach seinem Geschmack gewesen. Selbst wollte er von nun an die Küche besorgen.

„Das Kochen kann nicht schwerer sein als das Componiren!“ rief er und ging vergnügt auf den Markt, um Einkäufe zu machen. Erfreut über die Auswahl und die Billigkeit der Lebensmittel, lud er einige Freunde zum Mittagessen ein und machte sich an’s Werk, selbst alle Gerichte zu bereiten.

Als die Gäste eintrafen, sahen sie mit einigem Erstaunen ihren Wirth in der Küche! Er trug eine weiße Zipfelmütze und eine nicht mehr weiße Schürze, wie ein Koch von Profession, sah aber aus wie ein Cyclop in rußiger Schmiede. Das Herdfeuer flammte in wilder Gluth, die Töpfe zischten und kochten über, die Butter kreischte (im Begriff zu verbrennen thut sie das immer); nichts schien zur bestimmten Zeit fertig werden zu können, Beethoven stand in zorniger Verzweiflung bald mit dem Kochlöffel, bald mit dem Messer drohend vor den ungefügigen Töpfen. Er warf sie um, er hob sie wieder auf, er verbrannte sich die Finger und den Braten noch mehr – die Gäste harrten mit Ungeduld und knurrendem Magen auf die Ergebnisse des Höllenlärms, den Beethoven in der Küche vollführte; ihre guten Aussichten mußten immer mehr schwinden, jemehr Töpfe zerbrachen und Gerichte verbrannten.

Endlich kam Beethoven aus der Küche, triumphirend gleich einem Krieger vom Schlachtfeld; aber seine Siege waren sehr kläglich! Die Suppe hatte ein trübes, kraftloses Ansehen, wie eine Bettelmannsbrühe; Beethoven wußte nicht, daß man sie abschäumen mußte, er hatte sie wie toll kochen lassen und fortwährend Wasser hinzugegossen. Das Gemüse war zu wenig mit diesem wohlthätigen Element in Berührung gekommen, es war voller Sand und schwamm in Fett, aber die schrecklichste Leistung war doch der Braten. Er sah aus, als hätte ihn der Höllenfürst in Person geröstet und dann dem Schornsteinfeger übergeben, damit er einen rußigen Glanz bekäme.

Niemand vermochte etwas zu genießen, nur Beethoven selbst machte seiner Kochkunst Ehre, er verschlang und lobte Alles. Die Gäste forderten Butter, Brod und Käse statt dieses Mittagsessens, sie hielten sich an dem guten Wein schadlos, der zum schlechten Diner bestellt worden war.

Anderen Tags hielt Frau Schnaps wieder ihren feierlichen Einzug in Beethoven’s Küche; er hatte eingesehen, daß die Kochkunst erlernt und geübt werden muß, wie jede andere Kunst, und hielt es darum für angezeigt, sich nicht mehr in dieselbe zu mischen.

F. v .H.

„Das Central-Bureau ‚Felicitas‘ in Bern“. In kürzester Zeit erhielten wir aus unserem Leserkreise ein halb Dutzend Zuschriften, sämmtlich begleitet von lithographirten Briefen des obigen „Bureau Felicitas“ und von Anfragen über den Charakter dieses Unternehmens. Die durch viele Zeitungen laufenden an „!Damen – Herren!“ gerichteten Aufrufe dieses Berner „Bureau“ versprachen „an allen Orten Europas sowohl schreibkundigen Damen als Herren jeden Standes unter guten Gehalts- und Provisions-Bedingungen Anstellungen, welche sich besonders für ein rentables Nebeneinkommen eignen, indem ein Verlassen des Wohnorts dabei nicht nöthig wird. Die Beschäftigung erfordert nicht einmal eine schöne Schrift und nimmt täglich nur einige Stunden in Anspruch.“ – Wer dieses seltenen Glückes theilhaftig werden will, hat sich brieflich, aber mit Einlage von „acht Neugroschen in landesüblichen Briefmarken für Rückantwort und Francatur“ zu melden und diesen Meldebrief „sub C. B. F. Nr. 2042 zur Weiterbeförderung an die Annoncen-Expedition der Herren Sachse u. Comp. in Bern (Schweiz) zu adressiren.“ – Die „Rückantwort“ ist eben der bezeichnete lithographirte Brief. Wir erfahren aus demselben noch immer nichts über das Wesentliche der darin angebotenen „Assistentenstelle“. Dagegen heißt es gleich im Eingange: „Da wir jedoch mit dieser Anstellung zugleich bemüßiget sind, Ihnen Ausarbeitungen übersenden zu müssen, welche uns einen Werth von (die folgende Zahl ist mit Tinte geschrieben) acht Thalern ausmachen, so erlauben wir uns vorher die ergebene Anfrage, ob Sie geneigt wären, uns zur Deckung dieses Risicos, welches sich durch die Anstellung von Beamten an allen Orten Europas enorm steigert, die Hälfte dieses, vier Thaler (ebenso geschrieben), einzusenden.“ … Später heißt es noch: „Ihre Bezüge an Gehalt, Provision und Pension sind aus den Anstellungsdocumenten ersichtlich, die Sie gleichzeitig mit den übrigen Papieren nach Eingang des Theilrisicos zugesandt erhalten, vor dessen Empfangnahme wir uns in keinerlei Verhandlungen einlassen können.“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 371. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_371.jpg&oldid=- (Version vom 1.10.2017)