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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)

Des Vaters Sehnsucht all’ die Zeit,
Der Mutter Trost der Einsamkeit,
Hast Du in Deines Lebens Nacht
Und Dämm’rung schon so viel vollbracht.

Und Deine Händchen, drall und rund,
Das kecke Näschen und der Mund,
Und Deine Aeuglein, weißt Du, Kind,
Daß es der Mutter Augen sind?

Der Mutter Abbild ganz und gar
In Näschen, Mund und Augenpaar
O Doppelglück, Hurrah, Hurrah
Geliebte, komm’! Ich bin ja da!

Da eilen Schritte rasch heran,
Wo vor der Wiege kniet der Mann.
Glückselig, wer mit einem Blick
So sehen kann sein ganzes Glück!

2. Heil Dir, Du treue Mutterhand!

Heil dir, du treue Mutterhand !
Dich fühlte ich im Feindesland
Auf meinem Herzen früh und spät,
Im Schlachtensturm und im Gebet.

Wenn ich von Kampfnoth und Gefahr
Des wilden Kriegs umrungen war,
Drückt’ ich die Mutterhand im Geist
Und ward getrost und stark und dreist.

Die in der Wiege uns gepflegt,
Uns an die Mutterbrust gelegt,
Die uns belohnte und bezwang
Und führte jeden guten Gang –

Die tausend starre Nacken bog
Und tausend starke Männer zog,
Der treuen deutschen Mutterhand
Dankt seinen Sieg das Vaterland!

Da glänzt ihr Aug’ vom Mutterglück:
Ihr kehrt’ im Sohn ein Held zurück!
Sie fasset seine Hände beid’
Und ruft, in heller Seligkeit:

„Die durch den Sieg die Mutter ehrt,
Die tapfre Hand ist goldeswerth
Wo solche Söhne kämpfend stehn,
Das Reich kann nimmer untergehn!“

Friedrich Hofmann.

Deutschland auf der andern Hälfte der Erdkugel.

San Francisco, Ende März 1871.

Gewiß wird es Manchem in der alten Heimath eine Freude sein, zu erfahren, wie die Deutschen auf der anderen Seite der Erdkugel ein Fest zu Stande gebracht haben, das den herrlichen, ruhmreichen Friedensschluß dieses Jahres feiern sollte, und so sei denn hier der Versuch gemacht, eine gedrängte und doch anschauliche Beschreibung desselben zu geben. Begangen wurde die Feier in San Francisco am 22. März, und die Hiesigen Deutschen hatten zum würdigen Verlauf des Festes – es sollte etwas Großartiges, in Califorien nie Dagewesenes werden – wochenlang umfassende Vorbereitungen getroffen.

Wie bekannt, haben die in Californien und namentlich die in San Francisco ansässigen Deutschen schon während der Dauer des Krieges einen wahren Feuereifer für die deutsche Sache gezeigt und sind allen Städten des Auslands im Verhältniß zur Einwohnerzahl mit Geldsammlungen zum Besten der Verwundeten, der Wittwen und Waisen unserer gefallenen Krieger weit vorangegangen. Diesmal sollte es aber nicht nur ein Fest als Mittel zum Herbeischaffen von Beiträgen für den genannten schönen Zweck werden, man wollte bei der Feier des wieder hergestellten, schon lange ersehnten, glorreichen Friedens zugleich den Amerikanern zeigen, was das vereinigte Deutschthum in diesem Lande zu bedeuten habe. Seit mehreren Wochen waren denn auch die Deutschen San Francisco’s in fieberhafter Aufregung erhalten. General-Versammlungen, Comité-Sitzungen und dergl. gab es fast an jedem Tage; begeisterte Aufrufe in den Zeitungen entflammten die Gemüther und es wurde fast von Nichts gesprochen, als von dem bevorstehenden großen Friedensfeste.

Am Abende des 21. März ward denn dasselbe durch eine allgemeine Illumination aller deutschen Geschäfts- und Privathäuser sowie aller deutschen Clublocale etc. eingeleitet, an vielen Straßenecken brannten Freudenfeuer, die Amerikaner aber wurden gleichzeitig durch einen von sämmtlichen Tambours und Pfeifern der Stadt veranstalteten gewaltigen Zapfenstreich – hier etwas ganz Neues – nicht wenig in Erstaunen gesetzt. Bereits seit mehreren Tagen hatten die Zeitungen auf den großen bevorstehenden „Zapfenstreich“ aufmerksam gemacht, und die Amerikaner, die sich keinen rechten Begriff davon machen konnten, was das für sie unaussprechbare Wort zu bedeuten habe, waren massenweise in den Straßen versammelt, um ihre Neugierde zu befriedigen. Nie, seit San Francisco steht, war eine solche Trommelei hier vernommen worden. Von Marschällen geleitet, bewegte sich der riesige rasselnde Tambourzug bei Fackelbeleuchtung durch, die Hauptstraßen, gefolgt von einem starken Musikchor, dem wie die Wogen eines schwellenden Flusses eine sich militärisch ordnende Menschenmenge nachbrauste, aus deren tausend und abertausend Kehlen die „Wacht am Rhein“ in der stillen Sternennacht zum Himmel emporstieg. Die Erwartung auf die Hauptfeier ward durch diesen famosen Zapfenstreich und durch die großartige Illumination bei allen Bewohnern der großen Goldstadt unendlich gesteigert.

Am Morgen des 22. März war die ganze Stadt auf den Beinen. Schon bei Tagesanbruch sprengten berittene Trompeter durch die Straßen und bliesen in schmetternden Fanfaren Reveille, um alle Langschläfer aufzuwecken. Von Geschäften war an diesem Tage in der Stadt keine Rede; alle deutschen Kaufleute hatten sich bereits vorher schriftlich verpflichtet, am Tage der Friedensfeier ihre Geschäftslocale zu schließen, und viele der bedeutendsten amerikanischen Häuser kamen unaufgefordert diesem Beispiele nach; sogar mehrere Banken, die Gerichtssäle und die meisten Schulen waren geschlossen.

Das herrlichste Wetter begünstigte das schöne Fest. Jeder Deutsche hatte es als einen Ehrenpunkt angesehen, das Seinige zur Verherrlichung des Tages beizutragen, und nach den Landstädten Californiens waren Masseneinladungen an die dort wohnenden Landsleute ergangen, sich uns anzuschließen. Excursionszüge brachten viele Hunderte auf allen Eisenbahnen nach der Stadt; Wagen und Pferde waren dermaßen in Bedarf, daß für erstere zwanzig, fünfzig und gar hundert Dollars, und für Pferde zehn, fünfzehn bis zu fünfundzwanzig Dollars für den Festtag gezahlt wurden. Es wurden sogar Carossen aus Landstädten aus hundert und mehr englischen Meilen Entfernung herbeigeschäfft. Hatten doch die hiesigen Deutschen über hunderttausend Dollars ausgegeben, um das Fest würdig auszustatten.

Ein Massenumzug bildete die Krone des Festtags. Unter dem Donner von hundertundein Kanonenschüssen setzte sich derselbe Schlag zehn Uhr in Bewegung. In zehn Hauptdivisionen war der Festzug militärisch geordnet; voran der Großmarschall J. A. Bauer mit seinem Stabe und jede der Divisionen von mehreren berittenen Untermarschällen, angeführt. Jeder Division war selbstverständlich ein starkes Musikchor zugetheilt worden.

Die Marschälle, mit reichen Schärpen geziert, ritten die prächtigsten Rosse; – und wie herrliche Pferde giebt es in Californien! Mit fünf Trompetern zu Pferde und vier Ulanen nebst Stabstrompeter voran setzte sich der Zug in Bewegung. Alle Uniformen waren neu angeschafft worden, und man hatte weder Geld noch Mühe gespart, um sie getreu herzustellen.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 320. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_320.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)