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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)

Wirthschaftliches Freimaurerthum.

Der deutsche Central-Bauverein.

„Eigner Herd ist Goldes werth“ und noch viel mehr. Schuldenfreier Grund- und Hausbesitz ist zugleich der gesundheitliche, sittliche und ästhetische Boden wahren Wohlstandes, der Volks- und Culturkraft. Die behagliche Wohnung mit erb- und eigenthümlichem schuldenfreien Besitz wird zur Heimstätte für Selbstachtung, und die darin lebende Bevölkerung erhebt und veredelt sich aus einem unruhigen, bald im augenblicklichen Rausche der Verschwendung, bald im Jammer der Entbehrung und Noth zitternden Leben zu einer selbstbewußt schaffenden; nur eine solche im heimischen Boden festgewurzelte Bevölkerung hilft die Sicherheit und die rechtliche Natur des Staates, das Gedeihen der Gesellschaft, das Wohl der Einzelnen fördern, während eine aus der Wohnungsnoth und dem Miethcasernenthum nicht herauskommende zu einer Hauptquelle aller möglichen Ge- und Verbrechen wird.

Die unzähligen Leser und Leserinnen der Gartenlaube sind bereits vor fünf Jahren durch ein Arbeiterparadies mit eigenen Herden und Häusern geführt worden und können dieses Eldorado im Jahrgange 1865 Seite 300, 328 und 552 mit Vortheil wieder besuchen, weil sie damit Stoff gewinnen, die wirtschaftlichere, großartiger angelegte und baulich schönere, für ganz Deutschland berechnete, in rascher Verwirklichung begriffene Freimaurerei des deutschen Central-Bauvereins besser würdigen zu lernen.

Haus für tausend Thaler.

Dort in Mühlhausen sind die sonst herrlichen, durch Abzahlung allmähliches Eigenthum werdenden Arbeiterwohnungen noch eine Art Wohlthat, die zu besonderem Danke verpflichtet, außerdem blos Arbeiterwohnungen, welche durch ihre Küche gleich im Eingange immer noch zu sehr an Beschränkung erinnern. Der deutsche Central-Bauverein bietet allen sparfähigen Classen von unten auf, wo wöchentlich höchstens ein Thaler erübrigt werden kann, bis empor zu den gebildetsten Ansprüchen alle Arten von schuldenfrei zu erwerbenden eigenen Heimstätten, ohne damit das Selbstgefühl der Genossen durch Anspruch auf Dank zu verletzen. Der Verein ist eben ein rein geschäftliches, wirthschaftliches Unternehmen und eine Frucht sorgfältiger Prüfung aller ähnlichen Unternehmungen in Deutschland, England und Amerika. Ja selbst die baugenossenschaftliche neue Stadt Breslau, welche mit großartigen Mitteln auf der New-York-Insel emporgezaubert wird, bietet, so weit wir es bis jetzt verstehen, bei Weitem nicht die Vortheile, welche sich bereits unter Leitung unseres Vereins für jedes Auge und Herz erfreulich herausstellen.

Die Gartenlaube, welche die erste realisirte Idee der Arbeiterwohnungen in Wort und Bild zuerst empfahl, verdient sich jetzt durch Veranschaulichung der neuesten und weitesten Verwirklichung derselben gewiß einen noch weiter und tiefer reichenden Dank. Wofür ich selbst seit zehn Jahren durch Wort und Werk gekämpft habe, jetzt endlich tritt es in’s Leben, und eine Besprechung in einem weitverbreiteten Blatte ist jetzt mehr werth als alle meine und Anderer Vorarbeiten. Auch mußte die Noth erst am größten werden, um die Hülfe am nächsten zu bringen. Und es gehörte noch ein im Auslande jenseits des Meeres durch Märtyrer- und Heldenthum geschulter tüchtiger Deutscher mit seiner reichen Erfahrung gerade auch auf diesem Gebiete und ein durch Leben und Streben in England in seinem Ideenkreise erweiterter deutscher Geist dazu, um den deutschen Central-Bauverein wirklich in’s Leben zu rufen.

Dr. E. Wiß, der 1848 aus seiner Berliner Wirksamkeit nach Amerika flüchtete und sich dort mit unbeschränkter Selbstregierung und freier Genossenschaft, endlich mit Lincoln, dem Freiheitskriege und dem amerikanischen Staatsdienste (zuletzt als amerikanischer Consul in Holland) gründlich vertraut machte, gründete neuerdings mit dem Herrn H. Quistorp in Charlottenburg, Inhaber der Vereinsbank und Bruder des als Kaufmann und Mensch hochgeachteten Commercienraths in Stettin, den Mittelpunkt genossenschaftlicher Erbauungskunst für Deutschland, zunächst für Berlin und die Umgegend.

Grundriß.

Wenn man den beiden Männern in die Augen und dann noch in ihr Geschäft, in die Paragraphen dieses Vereins blickt, hat man sofort Zutrauen in diese ganze wirthschaftlich befreiende und sich aller Welt offenbarende Freimaurerei. Die zu Grunde liegenden Hauptideen sind folgende. Um allen gesellschaftlichen Classen die Wohlthat eigenen Hauses zu bieten, werden Heimstätten verschiedener Größe für leichteste Art der Erwerbung gebaut, jede mit Vor- und Hintergarten und Hof, in der Regel nur für je eine Familie, für die ärmsten noch sparfähigen Classen so, daß nur zwei oder drei Hausstände sich darin bequem und gesondert einrichten können. Aber auch bei diesen Häusern wird streng darauf gehalten, daß zu Gunsten eines gesunden und sittlichen Familienlebens immer gesonderte Räume zum Wohnen und Essen, Schlafen für Eltern und Kinder, eine besondere Küche und mindestens noch ein abgesonderter Raum für einen Kostgänger oder Gast vorhanden sei. Jedes Zimmer hat vom Corridor her einen besonderen Eingang, welcher weislich so angebracht ist, daß alle vier Wände fast vollständig für Stellung der Möbels verfügbar bleiben.

Machen wir uns ein Bild von einem solchen einfachsten und billigsten Hause für tausend Thaler, welches durch wöchentliche Zahlung von einem Thaler als schuldenfreies Eigenthum erworben werden kann. Unsere Abbildungen machen es schon so deutlich, daß nur noch wenige Worte zum genaueren Verständniß derselben und der Art ihrer Erwerbung gehören. Schon aus der Ferne sieht es einladend und gemüthlich aus. Hinter dem eingezäunten Vorgärtchen erhebt es sich nur zu einer Etage mit einem architektonisch verschönernden Vorsprung zu einem einfenstrigen Zimmer über der Hausthür. Der Eingang führt in einen Corridor bis zur Mitte, von wo aus vier Thüren in den Ecken angebracht, nach den drei Zimmern und der Küche dahinter, und eine Treppe geradezu in das eine obere Zimmer führen. Hinter der Treppe ist die Thür nach dem geräumigen Hofe, der mit Schuppen und

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 267. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_267.jpg&oldid=- (Version vom 17.9.2022)