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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)

aber, und kaum eine Viertelstunde entfernt, folgte die Wagencolonne, und wenn eine ganze Ortschaft ausgewandert wäre, hätte sie nicht mehr Gepäck (und zwar Alles anderen Leuten zugehörig) haben können.

Im Ganzen zählte ich zwanzig mit Pferden bespannte größere und kleinere Wagen, aber doch meistens Zweispänner, von denen manche zwei bis drei Stahlfedermatratzen, keiner aber weniger als eine, mitführten, und was für ein buntes Gemisch von Dingen war dann außerdem aufgepackt! Fein gepolsterte und überzogene Fauteuils, Mahagonitische und Tische aus weißem Tannenholz, kostbar geschnitzte Stühle, eiserne Oefen und Ofenrohre, die Gott weiß woher requrirt worden, eiserne Töpfe und Porcellangeschirr, Federbetten und Roßhaarmatratzen; Spiegel sogar und Fenstergardinen, wenn man diese auch zu anderweitigen Zwecken verwandte; Schütten Stroh (d. h. volle Weizengarben) und wollene Decken oder Ueberzüge – mit einem Wort den buntesten Mischmasch, den man sich auf der Welt nur denken kann. Eine Anzahl von Handkarren, die Männer in blauen Blousen zogen, bildeten dazu den Nachtrab, und einzelne Soldaten gingen als Wache nebenher.

Der Verdacht lag nämlich ziemlich nahe, daß die französischen Fuhrleute sich kaum ein Gewissen daraus gemacht haben würden, einen Theil dieses noch entschieden französischen Eigenthums auch irgendwo anders abzusetzen, und der richtige Herr desselben hätte sich nachher schwer legitimiren können. Das aber gab dem ganzen Zug eine besonders bunte Färbung, daß jeder Wagen wenigstens zwei Hunde angebunden mitführte, während die Wachen noch selber einzelne an der Leine hatten. – Die französischen Hunde sind überhaupt in dem ganzen Kriege, und völlig unschuldiger Weise, am schlechtesten weggekommen, denn in Paris selber wurden sie einfach geschlachtet und verzehrt, während man sie in den bis jetzt besetzten Departements, wo man ihrer nur habhaft werden konnte, annectirte.

Hund schien dabei Hund; vom edelsten Pointer bis zum verachtungswürdigsten Spitz herunter hatte Jeder seinen Liebhaber und seinen Strick gefunden, und wenn sich auch manche gutwillig in ihr Schicksal fügten und geduldig neben ihrem neuen Herrn oder dessen Burschen einhertrotteten, so protestirten doch andere wieder ganz entschieden gegen das unbequeme deutsche Halsband, suchten den Kopf rückwärts durch die Schlinge zu ziehen – genau so, wie es die französischen Generale gemacht hatten – und zeigten auf jede mögliche Art und Weise ihre Unzufriedenheit mit der jetzigen Behandlung. Aber es half ihnen Nichts, denn die Soldaten lassen, was sie einmal haben, nicht so leicht wieder los, und nur einmal war ich Zeuge, daß ein solcher einen Hund, den er an einem ledernen Riemen führte, wieder herausgeben mußte – aber freilich auch nicht an seinen richtigen französischen Herrn.

Als die Truppen in St. Denis einrückten, führten sie, wie gewöhnlich, ebenfalls eine Anzahl Hunde mit, und ein Soldat hielt einen prachtvollen braunen Jagdhund an der Leine, als er von einem höheren Officier eines anderen Regiments erspäht wurde, der wie ein Wetter auf ihn zufuhr.

„Halt, mein Bursch! Wo hast Du den Hund her? Der gehört mir.“

„Von meinem Herrn Lieutenant,“ stotterte der Bursch verlegen, der Majorsuniform gegenüber.

„Dann sag’ Du nur Deinem Herrn Lieutenant,“ erwiderte da der ältere Herr, „daß der Major sein Eigenthum reclamirt hat,“ und damit ließ er ohne Weiteres den Hund frei, der den Major allerdings – wer weiß seit wie lange erst! – kannte und mit augenscheinlicher Freude an diesem emporsprang.

Der Herr Lieutenant aber war entschieden um seinen Hund. Wohin nun diese zwei Compagnien jetzt auch kamen, so richteten sie sich dort, und wenn sie vollkommen leere Häuser vorfanden, doch mit ihren Betten und Meubeln behaglich ein, und die nach ihnen ihre behaglichen Quartiere bezogen, mochten sich ebenso versehen oder sonst zuschauen, wo sie etwas herbekamen, denn dafür sorgte die wenn auch noch so umsichtige Militärverwaltung nicht.

Das ist nun auch Alles ganz gut, und im Kriege mag es gehen und läßt sich eben nicht ändern; weshalb wollten die Franzosen nicht mit uns in Frieden leben! Wie wird das aber jetzt nach einmal erst abgeschlossenem Frieden, und welche Heidenverwirrung ist dann, neben den zerstörten Wohngebäuden, unter dem beweglichen Besitzthum der verschiedenen Landbewohner angerichtet!

Mancher freilich, der vielleicht, als er fortlief, einen Strohsack und ein paar tannene Tische und Bänke zurückließ, findet in seinem Schlafzimmer Stahlfedermatratzen und in der Stube mit Plüsch überzogene Meubeln (wenn auch von verschiedenen Farben.), aber im Ganzen haben sich die Betten, Sophas und Fauteuils doch so über die verschiedenen Ortschaften zerstreut, ja stehen sogar manchmal draußen in einer bombenfesten Hütte neben den Batterien bis an die Kniee im Schlamm, daß es rein unmöglich sein würde, auch nur das Ameublement einer einzigen Stube wieder zusammenzutragen, denn Meilen liegen oft zwischen den einzelnen Theilen. Zufällig mag Mancher in einer ganz andern Ortschaft auf sein eigenes Sopha oder auf seine eigene Matratze zu liegen kommen, aber wie will er beweisen, daß es sein Eigenthum ist – ja wird er es in dem jetzigen Zustande, mit Schmutz bedeckt und von Stiefeln und Sporen arg heimgesucht, nur überhaupt wiedererkennen?

Aber was kümmert das unser leichtherziges Soldatenvolk, das Strapazen und schlechtem Wetter hat genug trotzen müssen, um es sich auch einmal, wo es das irgend haben konnte, bequem zu machen! Und ist es doch Thatsache, daß sie weder Betten noch Hausgeräth je aus einer Wohnung mitgenommen haben, die von ihren Bewohnern nicht verlassen worden. Fanden sie dort Wein oder Lebensmittel, so war das freilich eine andere Sache, aber sämmtliche verlassene Gebäude wurden dagegen von vornherein für vogelfrei erklärt, und wenn wir noch einmal nach Frankreich hineinkommen sollten, was die französische Kriegspartei ja herbeizuführen sucht, so mag das Volk wenigstens aus dieser ersten „Invasion“ etwas gelernt haben: was nämlich so ein Vorpostenzug für Gepäck braucht, wenn er überall auf wüste und leere Wohnungen trifft.


 Vaterlands Frühling.

Nun sollt’ ich wieder heben an und singen
Von vielen hohen, schönen und lieben Dingen,
Das sollt’ euch baß erfreuen im Gemüthe,
Von warmem, goldnen Frühlingssonnenscheine,

5
Von Himmelsbläue still und klar und reine,

Von grüner Dämmernacht im tiefen Walde,
Von bunter Blumenpracht auf hoher Halde,
Von Gottes Güte.

Doch einen andern Frühling laßt mich preisen

10
Mit meinen Liedern und mit meinen Weisen,

Der Frühling ist’s vom deutschen Vaterlande.
Nun steht es da so fest, so groß, so mächtig;
Nun steht es da so stolz, so siegesprächtig,
Wie einst in seinen thatenvollsten Tagen,

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Davon wir heute noch singen und noch sagen –

Aus ist die Schande!

Sein neuer Ruhm ist durch die Welt geklungen,
Von neuem Leben ist sein Volk durchdrungen;
Hoch fliegt sein Aar mit mächt’gem Flügelschlagen.

20
O brächte dieses hehren Frühlings Sonne

Dir nun auch ganz und voll der Freiheit Wonne! –
Du deutsches Land, wem hast du dann zu weichen?
Du deutsches Volk, wo haft du Deinesgleichen?
So thät’ ich fragen. –

 Hermann Allmers.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 231. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_231.jpg&oldid=- (Version vom 7.6.2017)