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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)

Ich hatte sie gewürdigt, mit mir an einem Tisch zu speisen. Sie begriff die Bedeutung dieser Gunst sehr wohl. Dafür war sie mir aber auch so ergeben, daß sie für mich gestorben wäre. Aber sie war leidenschaftlich, wie alle Orientalen. Eines Tages wollte ich sie strafen, weil sie launenhaft und kalt gegen mich gewesen war. Ich sagte ihr: ‚Du wirst von morgen an mit den Dienern speisen!‘ – aber ich bereute es im nächsten Augenblick, als sie, wie von einem jähen Schmerz elektrisirt, aufsprang, zur Wand eilte, wo meine Waffen hingen, mit Blitzesschnelle einen Dolch aus der Scheide riß, mit funkelnden Augen vor mich hintrat und sich vor meinen Augen niederzustechen drohte, wenn ich dabei beharre, ihr diese Schmach anzuthun. Ich kannte diese Augen, ich wußte, daß sie diese Drohung wahr machen würde – ich wollte sie nicht verlieren, mußte also nachgeben und that es. Aber ich hatte nie wieder Veranlassung, über sie zu klagen. Schade, daß sie mir in kurzer Zeit starb. Diese Wesen aus der Wüste können einmal unser Klima nicht vertragen, sie gehen ein, wie Blumen, ohne krank zu sein. Ich verlor auf diese Weise auch meinen Mohren und ein prächtiges Dromedar. Das war ein treffliches Thier, an Hunger und Durst gewöhnt; ich habe mehr als einmal täglich dreißig Meilen auf seinem Rücken zurückgelegt: ich saß in einem bequemen Stuhl und konnte weit hinein in die Ebene blicken. Pferde hätte ich zu solchen Märschen andauernd gar nicht verwenden können.“

Sie Alle sind in Muskau begraben und man erzählt sich noch heute besonders von jener lieblichen Sclavin, wie sie, im Federkleide auf einem weißen Zelter reitend, nicht von der Seite des Fürsten wich, ihn auf allen seinen Ritten begleitete und ihr Pferd so gewandt regierte, wie er das seine. (Schluß folgt.)

Ein fahrendes Lazareth.
Von Fr. Hofmann.
1. Der Sanitätszug, wie er in’s Feld zieht.

Was wohl die französischen Bewohner der Ortschaften an der Eisenbahn von Chalons nach Toul in der letztvergangenen Weihnacht zu sehen glaubten, als eine lange Wagenreihe mit einer ihren Augen neuen, aber unverständlichen Beleuchtungspracht an ihnen vorüberfuhr? Aus den Fenstern von mehreren Wagen leuchteten die deutschen Christbäume mit allem Lichter- und Zuckerschmuck des heimathlichen Kinderwunsches auf die verdutzten Gesichter im fremden Lande hinaus. Und hätten sie erst die Gruppen drinnen gesehen, wie Alle über dem Anblick des Bäumchens selig waren und wie die Augen auch vieler blasser bärtiger Gesichter wieder in Kinderfreude glänzten, gar Mancher würde wenigstens einen Theil seines Hasses gegen die Landesfeinde verloren haben.

Die lange Wagenreihe bildete einen jener Sanitätszüge, die gegenwärtig von Deutschland aus in’s Feld geschickt werden, um Verwundete und Kranke auf eine möglichst gute Weise aus den Lazarethen im Feindeslande in die Heimath zurückzubringen.

Eine Gruppe solcher Leidensgefährten war an jenem Abende um die Christbäume versammelt, welche in mehreren der Wagen, namentlich dem der Beamteten des Zuges, das Herzensbedürfniß der von ihren Familien getrennten Männer geschmückt und beleuchtet hatte. Einer derselben erzählte mir, wie freudig der Abend in diesem seltsamen Kreise begonnen, und welche tiefe Ergriffenheit endlich Alle beherrscht habe, als Einer das alte liebe „O Tannebaum, o Tannebaum!“ angestimmt. Das Liedchen verlor sich in einzelne Stimmen, wie der berühmte Abschied der Esterhazy’schen Capelle. Die Verwundeten und Kranken aber blieben heiter, fuhren sie doch in heimathlicher Liebespflege dem Vaterlande entgegen.

Unser großer Krieg gewährte mehr, als alle früheren Kriege, stets ein Doppelbild: daheim harrt die begeisterte Nation auf jede Regung des Telegraphen; während der Sieg bei Leipzig erst nach Wochen in ganz Deutschland bekannt worden war, trug jetzt noch am Tage der Schlacht der Blitz am Draht die Siegeskunde aus Frankreich nach Berlin und sofort rauschte der Jubel durch alle deutschen Gauen, die Siegesfahnen wurden ausgesteckt, die Straßen wimmelten von frohen Menschen und die Vergnügungslocale faßten die glücklichen Zecher kaum. Ganz anders sah es am andern Ende des Bildes aus, wohin von dem strahlenden Glanze kein Schimmer mehr fiel, auf den fernen Schlachtfeldern. Ich schreibe diese Zeilen an einem der fernsten Orte vom Vaterlande, in Orleans. Hierher wurden täglich die Verwundeten aus den Gefechten an der Loire gebracht – und auf welche Weise mußte dies geschehen! Mir wurden Fälle erzählt, wo zwei- bis dreitausend Verwundete auf offnen Eisenbahnwagen, an denen Wände und Fußböden zerbrochen und durchlöchert waren, mit wenigen oder gar keinem Stroh bedeckt und mit ebenso armseligen Decken versehen, meilenweit in einer Kälte von zehn Grad fortgeschafft werden mußten, und als zur Heizung der Locomotiven das Feuerungsmaterial ausging, schleppten erbärmliche Pferde die Wagen noch zwölf Stunden weiter; von Nahrung, von einem erwärmenden Bissen in dieser ganzen Zeit keine Spur, – und so mußten, es war nicht anders möglich, die armen wunden Männer und Jünglinge nur allzu oft bis zu einer schützenden Stätte geschafft werden, wo ein Lazareth endlich diejenigen aufnahm, welche auf solcher Fahrt nicht gestorben waren. Welche Summe von Elend bei einem einzigen derartigen Transport – und welche unschätzbare Wohltat dagegen die Krankenfahrt im Sanitäts- oder Lazarethzuge!

Die Wichtigkeit und Unentbehrlichkeit dieser Sanitätszüge hört aber nicht etwa mit dem Kriege auf, – im Gegentheil, jetzt, wo es, wenn der Friede unsere Heere heimführt, vor Allem gilt, viele Tausende verwundeter und kranker deutscher Soldaten nicht ungeschützt der französischen Krankenpflege zu überlassen, sondern sie sobald als möglich wenigstens in den Machtbereich der Deutschen zu transportiren, jetzt ist die Aufstellung möglichst vieler derartiger Sanitäts- oder Lazarethzüge eine der ersten Pflichten der Dankbarkeit gegen unsere Helden. Man täusche sich nicht über die Zahl der Unglücklichen, die sehnsuchtsvoll dieser Wohlthat entgegensehen. In Orleans allein liegen durchschnittlich sechs- bis siebentausend Verwundete und Kranke, die ganze Stadt ist nur ein großes Lazareth. Aber dasselbe gilt von allen nach West und Nord an den Bahnen liegenden Städten und Ortschaften; in Toury bei Orleans hat die Ueberfüllung schon den Hospitalbrand herbeigeführt! – Von den Insassen all’ dieser Lazarethe muß man sich deren Erlebnisse erzählen lassen, – wahrlich, man schaudert dann vor dem Gedanken zurück, Siege, die durch solche Opfer errungen worden, durch Fahnen und Feste zu feiern – man möchte Jedem, der einen unnöthigen Groschen in Deutschland ausgiebt, zurufen: Sündige nicht! Lege ihn zu den Gaben, welche für die Verwundeten bestimmt sind! Vor Allem aber, Ihr Reichen und in der werkthätigen Vaterlandsliebe Hervorragenden, sorgt mit dafür, daß die große Zahl der deutschen Verwundeten und Kranken in Frankreich auf die unschädlichste, sicherste und bequemste Weise nach der deutschen Heimath gebracht werden könne. Das Mittel dazu ist ja gegeben, es sind dies eben die Sanitätszüge.

Bekanntlich hat der große nordamerikanische Krieg die neue Verwundetentransport-Einrichtung in’s Leben gerufen. Leider ist, wie so oft, auch diese Nachahmung etwas spät bei uns versucht worden, und noch immer bedarf es der Anregung, um sie aus kleinem Anfange zu der nothwendigen Ausdehnung zu bringen. Bis jetzt sind etwa dreißig Sanitätszüge im Gange. Von diesen sind zehn von Preußen ausgerüstet, die übrigem von Württemberg (die ersten), Hamburg, Frankfurt a. M. etc. Die preußischen Sanitätszüge, von der Medicinalabtheilung des königlichem Kriegsministeriums in’s Leben gerufen, haben als nächste Oberbehörde die drei Evacuations-Commissionen zu Epernay, Forbach und Weißenburg. Diese Evacuations-Commissionen sind deutsche Militärbehörden, welchen aus allen vom Kriege berührten Städten und Ortschaften von den Militärärzten Anzeige gemacht ist, in wie weit die betreffenden Orte zur Einrichtung von Lazarethen tauglich sind. Dazu gehört die Bezeichnung der dazu passenden Häuser und die Zahl derselben, die Angabe der dort aufzubringenden Betten, Matratzen, Decken etc., und danach wird die Zahl der Verwundeten und Kranken bestimmt, die den einzelnen Ortschaften zugetheilt werden kann. Selbstverständlich hat jede der drei Evacuations-Commissionen ihr Bereich, dessen Grenzen ich jedoch

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 167. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_167.jpg&oldid=- (Version vom 2.4.2020)