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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)

couronne de la briche, einige Mörserbatterien zu errichten. Das Gleiche sollte nun am Abhange von Montmorency, Deuil und Ormeson nach Epinay zu geschehen, und hierzu war endlich der Befehl zur Ausführung gekommen.

Es ist bekannt, daß diese Arbeiten sonst im bergenden Dunkel der Nacht geschehen, wo kein Laut dem Feinde das geheimnißvolle Thun verrathen darf und wo die stummen, fieberhaft mit Hacke und Schaufel an dem steingefrorenen Boden sich abmühenden dunklen Gestalten wie Gnomen und Berggeister erscheinen. Der Feind darf keine Ahnung von den Gefahren haben, die hier für ihn vorbereitet werden; ihm zur völligen Ueberraschung wird am Morgen die während der Nacht gebaute Batterie demaskirt und allein das aufblitzende Feuer der Geschütze und der aufsteigende Rauch verrathen ihm den neugewonnenen Standpunkt des Gegners. Zwar sucht auch er während der Nacht wohl dann und wann mit Leuchtraketen das Dunkel und diejenigen Feld- oder Waldstrecken zu erhellen, auf denen er möglicherweise eine gefahrdrohende Thätigkeit des Feindes vermuthet – aber ein im rechten Moment leise ausgerufenes Commandowort genügt, die Grabenarbeiter, welche eben noch in der Schanze mit dem Aufwerfen von Erde beschäftigt waren, oder die „Zuträger“, welche Schanzzeug vom Belagerungspark beischleppen, mit einem Schlag auf den Boden zu werfen und ihre Erscheinung der Helle der Leuchtraketen oder des elektrischen Lichtes zu entziehen. Oft ist es auch nur der Schall der Arbeit, den die leicht bewegte Luft von dannen trägt, ein allzu lautes Klopfen, ein unvorsichtiges Schlagen und Hämmern, das dem Feinde durch die klare Winternacht an’s lauschende Ohr dringt, ihm den Bauplatz verräth und uns selbst sofort in die Lage bringt, mit einer Unmasse jener Zuckerhüte überschüttet zu werden, die noch von Keinem, der sie gekostet hat, verdaulich und genießbar befunden worden sind.

So bedenklich war es nun heute nicht. Ein undurchdringliches Nebelmeer lag auf Paris und seiner ganzen Umgebung gebreitet – ein Nebel, den man, um eine landläufige Redensart zu gebrauchen, mit dem Messer schneiden konnte, und dessen Dichtigkeit die Herren Franzosen auch hinderte, ihre Eisenballons aus den Forts zu uns herüberzuwerfen. Kein Kanonendonner erschütterte die Luft, Alles lag im tiefsten Schweigen, und wenn nicht dann und wann einmal ein Schuß in der Vorpostenkette gefallen wäre, man hätte glauben können, die beiden Feinde hätten, des blutigen Kampfes satt, für heute Waffenstillstand geschlossen. Es war aber nur der Nebel, der mit seinem dicken, schweren Schleier Alles überzog, Freund und Feind gegenseitig trennte und uns selbst es möglich machte, in aller Stille und Schnelligkeit, unbeachtet und unbelauscht eine Batterie aufzuführen, zu deren Schanzenbau sonst unbedingt die Nacht nothwendig gewesen wäre.

Es versteht sich von selbst, daß die Anwesenheit eines Laien nur in den seltensten Fällen geduldet wird, und ich habe es in der That nur der ganz besondern Liebenswürdigkeit eines mir befreundeten Officiers zu danken, daß man mir, wie ich schon längst gewünscht hatte, den Zutritt zu einer eben im Werden begriffenen Schanze gestattete; in früher Morgenstunde aus meinem Bett geholt, eilte ich mit meinem gefälligen Freunde dem Bauplatze zu, mit Eifer und hoffentlich allen Lesern der Gartenlaube zu Nutzen nach Allem fragend und forschend, was mir auf diesem Felde noch unbekannt, und doch hier zur Beschreibung wie zur Herstellung der Zeichnung zu wissen nöthig war.

Wir schritten rüstig feldein; denn wir hatten bis zu den Höhen von Montmorency, die bekanntlich gerade in nördlicher Richtung von St. Denis liegen, immerhin ein paar Stunden zu wandern, eine kahle, langweilige Allee hin, deren Eintönigkeit nur dann und wann durch entgegenkommende Truppenkörper, durch einen Marketenderwagen oder ein einspänniges Bauernfuhrwerk, dessen Lenker in blauer Blouse uns mürrisch ansah, unterbrochen wurde. Endlich stießen wir auf das erste Zeichen, welches uns die Nähe des Bauplatzes verkündete: wir passirten das Batteriedepot. Wie nämlich jede Arbeit, so erfordert auch der Bau einer Batterie geeignete Vorbereitungen; der Bauplatz selbst wird von einem höheren Officier allein durch zwei Pfähle bestimmt, welche die Richtung einer Scharte bezeichnen und der zur Arbeit ankommenden Mannschaft völlig für die Bestimmung der übrigen Entfernungen genügen. Da nun aber der Belagerungspark und mit ihm das Baumaterial – Schanzkörbe, Faschinen, Faschinennägel, geglühter Eisendraht, Drahtanker, mit welchen die Körbe festgestellt werden, u. dergl. – oft eine halbe Meile von der zu beschießenden Festung entfernt liegt, unerreichbar den feindlichen Geschützen, so ist das natürlich zu weit, um jede Faschine und jeden Schanzkorb, der gebraucht wird, von dort zu entnehmen. Man berechnet also ungefähr den Bedarf, wählt einen in der Nähe des Bauplatzes gelegenen, der feindlichen Einsicht natürlich entzogenen Ort und schafft das Material möglichst ungesehen dahin. Hier wird nun das letztere in seinem ganzen Umfange, sowie das Handwerkszeug, Schlägel, Stampfen, Schippen, Hacken, Karren, niedergelegt und zwar so geordnet, wie es nachher gebraucht wird. Zugleich werden hier die Arbeiter, Faschinirer, Grabenarbeiter und Zuträger, eingetheilt, und von hier aus treten sie auch, etwa zweihundertfünfzig Mann stark, von einem Officier und etwa sechszehn Aufsehern begleitet, mit Schanz- und Handwerkszeug ihren stillen Marsch zum eigentlichen Bauplatz an.

Am Ort angekommen, beginnt ohne Zögern die Arbeit; mit Hülfe der schon erwähnten zwei Pfähle wird die Flucht, die Linie der Batterie festgestellt, und schon nach wenigen Minuten sind auch die übrigen nöthigen Punkte durch Pfähle bezeichnet. Längs der ersteren werden Faschinen, runde, etwa sechszehn Fuß lange und einen Fuß im Durchmesser haltende Reisigbündel, in die festgefrorene Erde eingegraben, damit sie nachher dem Drucke der aufgeworfenen Brustwehr nicht ausweichen können, Grabenarbeiter tragen die aus Strauchwerk geflochtenen, drei Fuß hohen und zwei Fuß starken Schanzkörbe bei, stellen sie auf die Faschinen und nun geht es an ein Schaufeln, an ein Graben, an ein Aufwerfen von Erde, an ein Füllen der Körbe – Alles mit fieberhaftem Fleiß; denn es gilt um jeden Preis unbemerkt Deckung zu gewinnen, und hier ist jede Minute Zeit wenn nicht Geld, doch neuer Gewinn des Lebens.

Die Brustwehr geht rasch in die Höhe, da die Arbeiter auf beiden Seiten derselben Gräben ziehen und aus ihnen die Erde werfen. Es ist auch genug Erde nothwendig zu einem solchen Wall, der nicht weniger als dreiundzwanzig Fuß Stärke haben soll, während seine Höhe acht bis zwölf Fuß beträgt. Mir einer schützenden Bekleidung wird nur die innere Seite der Brustwehr versehen, weil sie zum besseren Schutz möglichst steil sein muß und ohne die Schanzkörbe, die ihrerseits auch wieder durch sogenannte Anker oder geflochtene Drahtbänder festgehalten werden, zusammenstürzen würde. Diese Arbeit geschieht von den Faschinirern; die Grabenarbeiter indessen heben die Gräben aus, werfen die Erde auf die Brustwehr und stampfen sie dort fest. Sie haben die schwerste Arbeit, denn sie müssen die Schippe voll Erde acht Fuß weit werfen, und von ihrem Eifer hängt es ab, ob bald eine Deckung hergestellt ist.

Ich bin mit meiner Schilderung dem Gang meiner persönlichen Erlebnisse vorausgeeilt. Ich that dies jedoch nicht ohne Absicht, denn als ich mit meinem freundlichen Begleiter den Batteriehof, d. h. das Innere der Schanze betrat, war die Arbeit der Mannschaft eben soweit vorgeschritten, als ich sie in den vorstehenden Zeilen geschildert habe. Alles war in voller Thätigkeit, die nothdürftigste Deckung war gewonnen und eingehüllt in den grauen bergenden Schleier des Winternebels galt es nun, das so glücklich begonnene Werk auch einem glücklichen Ende zuzuführen. Ich habe die Ausdauer unserer Soldaten bei dieser Arbeit auf’s Neue bewundern gelernt. Zwar das härteste Stück derselben war bei meiner Ankunft schon gethan; aber ich sah es doch noch, mit welcher namenlosen Mühe die harte Erde bearbeitet werden mußte, wie man quadratmäßig in sie schneiden mußte, ähnlich wie beim Rasenstechen, wie die Keile hineingeschlagen und wie nun mit Hebeln und unter größter Kraftanstrengung Fuß für Fuß locker gemacht und herausgeholt wurde. Das geht bis in eine Tiefe von zwei Fuß, dann hört der Frost auf und die Arbeit wird leichter. Das Wühlen um diese Zeit glich wahrlich einem fleißigen Ameisenhaufen, Mann an Mann gedrängt in dem verhältnißmäßig kleinen Raum, von den Vorgesetzten zur Ausdauer mit freundlichem Wort ermuntert und nur dann und wann die Flasche mit Cognac zum Munde führend oder heftig in die vom Winde erstarrten Hände blasend.

Aber bei allen diesen Mühen stieg die Brustwehr als ein stattlicher Bau empor und erhielt nach und nach ihre Form. Die Stellen, an welchen später Scharten angebracht werden, wurden übrigens gleichfalls zugeschüttet und, wie ich eben beim Kommen bemerkte, für’s Erste nur bezeichnet, damit man nachher, wenn man die Scharte einschneiden will, die richtige Stelle trifft. Uebrigens war diese auch

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_118.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)