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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)

lang wachsen lassen. Bei den Mombuttu, welche, wie alle Bewohner des tropischen Afrika, von den Bischarin am rothen Meere bis zu den Negern des Gabun am Golf von Guinea, alle Eitelkeit in der Pflege ihres Haares concentriren, war das natürlich noch weit mehr der Fall. Die Haartracht der Mombuttu ist übrigens an eine feste Norm gebunden; weder Mode noch individueller Geschmack darf da platzgreifen. Männer und Frauen thürmen ihr (im Gegensatz zu den Völkern der sogenannten echten Negerrace) langes, krauses Haar zu einem hohen Chignon auf, welcher am Hinterkopf seinen Ursprung nimmt und unter schwacher Krümmung nach abwärts in die Lüfte hinausstarrt, zum besseren Halt innen von einem aus Rotang geflochtenen, äußerst eleganten und unseren Haarkünstlern zur Nachahmung zu empfehlenden Rohrkorbe getragen. Doch die Sitten führen mich von meiner Erzählung ab. Ich komme zur Audienz.

Am folgenden Tage rückte der Mittag bereits heran, als mir Mohammed Abu Ssamat, der Führer unserer Karawane, sagen ließ, Munsa sei jetzt zu sprechen. Ich warf mich also in ein feierliches Schwarz, raffte die auserwählten Geschenke (bestehend aus schwarzem Tuch, einem Fernrohr, einem silbernen Teller, Porcellangeschirr, Elfenbeinschnitzwerk, einem Buche mit Goldschnitt, einem Doppelspiegel etc.; dann außer großen indischen Glasperlen dreißig Halsschnüren der feinsten venetianischen Sorten, aus je dreißig verschiedenen Arten zusammengesetzt) zusammen und stieg, gefolgt von meinen Knappen, die mir nach Landessitte den Stuhl nachtrugen, unter Trommelschlag und Trompetenschall seitens der schwarzen Soldaten Abu Ssamat’s, zum Bache hinab, wo zu Ehren meines Besuchs Baumstämme gelegt waren, um trockenen Fußes die sumpfigen Ufer passiren zu können. Bei den Hütten angelangt, wandten wir uns der zweitgrößten der prächtigen Palasthallen zu, an deren Eingange ich von einer Art Ceremonienmeister bei der rechten Hand ergriffen und in’s Innere geführt wurde. Er geleitete mich durch die Reihen Hunderter von Trabanten, welche in vollem Waffenschmuck auf ihren zierlichen Bänken dasaßen, in Reihe und Glied geordnet wie in einem Concertsaale. Am andern Ende der Halle, wo ein freier Platz gelassen war, stand Munsa’s Bank, nur durch einen Mattenteppich und eine kolossale mit Kupfer beschlagene zweiarmige Lehne ausgezeichnet, welche letztere gesondert auf drei Beinen hinter der Bank stand. Ein paar Schritte zur Seite der letzteren ließ ich meinen Stuhl stellen und nahm Platz. Ich erfuhr später, daß Munsa bei meiner Ankunft sich in seinem gewöhnlichen Costüm zurückgezogen und erst lange nachher in feierlichem Schmuck aus seiner Privatwohnung hervorgekommen sei. Ich saß also, und konnte warten. Was konnte ich mehr verlangen, als daß der König mir zu Ehren Toilette machte!

Mittlerweile schallte die geräumige Halle (diese hatte hundert Fuß Länge, vierzig Fuß Höhe und fünfzig Fuß Breite, die andere war aber noch größer) vom endlosen Klange der Pauken und dem Gebrüll der Hörner. Ich hatte Zeit, mich umzusehen und bei der respectvollen Entfernung des Publicums meine Notizen niederzuschreiben. Mit unsern Baumaterialien, es sei denn, man hätte Fischbein angewendet, wäre man nicht im Stande gewesen, etwas Aehnliches von gleicher Leichtigkeit und Widerstandsfähigkeit gegen das Toben der tropischen Elemente hinzustellen wie die Königshallen Munsa’s. Das einzige verwendete Material außer den hohen schlanken Säulen, welche das Dach trugen und aus Baumstämmen von dem geraden Wuchse der Fichte bestanden, besteht aus den Blattstielen der Weinpalme (Rhaphia). Diese bilden sowohl die Rippen des Dachstuhls als das Netzwerk seiner Bedeckung. Auch die schönen Bänke der Mombuttu werden aus diesen prächtigen klafterlangen glänzendbraunen Stäben hergestellt. Der Fußboden bestand aus dunkelrothem Eisenthon, fest und wohlgeglättet wie Asphalt. Eine niedrige Mauer von gleichem Material bildete die Einfassung, indem sie unter dem gewölbten Dache einen Raum freiließ, welcher Licht und Luft in die Halle hineinließ.

In das Anschauen dieser[WS 1] Herrlichkeiten vertieft, hatte ich wohl eine Stunde auf meinem Sitze ausgeharrt, als endlich lauterer Hörnerklang, Volksgeschrei und verdoppelter Donner der Pauken das Nahen des Herrschers verkündeten. Zu gleicher Zeit fand am Eingange der Halle eine großartige Ausstellung von Prunkwaffen statt, indem viele Hunderte ganz aus Kupfer geschmiedete riesige Lanzen von den verschiedensten Formen an ein improvisirtes Gerüst gelehnt wurden, eine wahrhaft königliche Pracht und in Centralafrika Schätze von unberechenbarem Werthe! Doch still – da kommt der König! Den Blick gleichgültig vor sich hin gerichtet, nahte derben Schritts, von Mohammed, seinem alten Freunde, der das Land zuerst erschloß, gefolgt, der rothbraune Cäsar, wild, phantastisch, malerisch. Er setzte sich, ohne mich eines Blickes zu würdigen, auf seine Bank und betrachtete seine Füße[WS 2]. Nicht so ich. Meine Augen konnten sich nicht satt sehen an diesem wilden seltsamen Gesellen, der jeden Tag Menschenfleisch ißt (eine auch unter den Niam-Niam allgemein verbreitete Sitte). Strahlend in rother Kupferpracht, wie eine saubere Küche, mit Ringen und fremdartig geformtem Schmuck an Arm und Bein, an Hals und Brust, auf der Stirn einen Halbmond, Alles aus purem lauterm Kupfer, auf dem Haupte ein hoher Strohcylinder, dicht mit kostbaren rothen Schwanzfedern des grauen Papageis besetzt und auch oben von riesigen Federbüscheln derselben Art beschattet, saß er da, am ganzen Leibe mit der landesüblichen Schminke aus Farbholz eingerieben, welche seinem ursprünglich hellrothbraunen Körper jene Modefarbe von 1862 verlieh, welche so häufig im Hintergrunde antik sein sollender Hallen wiederzufinden ist und eigentlich dem Aussehen einer angeschnittenen frischen Leber gleicht. Seine Kleidung, gleichfalls durch Nichts von der allgemeinen Mode des Landes abweichend und nur von ausgesuchter Feinheit, bestand aus einem großen Stücke gleichfalls mit Brasilienholz gefärbter Rocco-(Feigen-)Rinde. Diese wird so sorgfältig behandelt, daß sie das Ansehen eines ungewöhnlich starken moiré antique erhält. Aus dem einen sauber gesäumten Stück war Kniehose und Leibrock zugleich gebildet und der halbe Körper nur durch den äußerst kunstvoll gelegten Faltenwurf verdeckt, welcher von den massiven mit Kupferbuckeln als Beschlag gezierten Lendenschnüren aus Büffelhaut seinen Ursprung nahm. In der Rechten schwang er einen jener hier gebräuchlichen sichelförmigen, ebenfalls aus Kupfer geschmiedeten Säbel, und rechts und links wurden zur Seite seiner Bank kleine wohlgeschnitzte Schemel hingestellt, die, mit Servietten von Feigenrinde verdeckt, das beständige Naschbedürfniß des Königs bargen.

Das war also Munsa, so recht ein wilder König, ohne eine Spur europäischen oder orientalischen Schmuckes, nichts Unechtes oder Erborgtes an ihm zu finden.

Eine geraume Zeit verstrich, bis zwanglose Blicke vom Könige zu mir herüberstrahlten; und doch bewunderte er mich sicher in noch höherem Grade als ich ihn. Nach und nach begannen einige Fragen, welche sein der Niam-Niam-Sprache kundiger Dragoman einem unserer Leute übermittelte, der dieselben mir arabisch wiedergab. Indeß waren sie gleichgültiger Natur, denn Munsa hielt ebenfalls auf den Grundsatz der Türken und Slaven, „nil admirari“, sich durch Nichts aus der Fassung bringen zu lassen. Nun wurden auch die Geschenke ausgelegt, die er aufmerksam betrachtete, ohne indeß viel dabei zu sagen; desto mehr ließen sich aus der nächsten Nähe halbunterdrückte Laute des Staunens vernehmen, wo sich unterdeß Munsa’s Frauen, einige fünfzig an Zahl, hinter dem Sitze des Königs auf ihren netten Schemeln in Reihen geordnet hatten und nun im Anblick der tausenderlei verschiedenen Perlen vor Seligkeit vergehen wollten. Diese Weiber unterschieden sich ebenfalls nur durch Eleganz von den übrigen des Volks; es scheint das Land der hergebrachten unumstößlichen Mode zu sein. Den prächtigen Chignon tragen sie ohne Hut, vielfach durchbohrt von fußlangen Haarnadeln aus Kupfer und Elfenbein. Während die Männer nie anders als sorgfältig bekleidet gesehen werden, halten die Weiber dies für ihre Reize höchst unangemessen; sie könnten ja dann nicht einmal mit der mühsamen Bemalung des Körpers coquettiren. Eine schwarze Farbe ziert, für viele Tage unauslöschlich, den meist hellbraunen, oft gelblichen Teint in den gesuchtesten Mustern. Bald sind es Blumen und Sternchen, Malteserkreuze und Bienen, runde Flecke und Tigertüpfel, schachbrettartige Carrirung oder Streifung, welche das Muster bilden. Von Schmuck gewahrt man wenig, da Glasperlen noch ziemlich unbekannt sind und die Männer das Kupfer für sich behalten. Kurz, diese Damen verdienen im besondern Maße Eva’s Töchter genannt zu werden, des Eifers wegen, mit dem sie ihrer Stammmutter in der Tracht des Urzustandes nachstreben.

Nachdem Munsa so seine Blicke einigermaßen an die fremde Erscheinung gewöhnt, nahmen die Vorstellungen zur Unterhaltung und Belustigung ihren Anfang. Zunächst producirten sich ein paar Posaunenbläser, die auf Hörnern, aus einem großem Elephantenzahn geschnitzt, welche die Virtuosen kaum zu halten vermochten,

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: eieser
  2. Vorlage: Fuße
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_051.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)