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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

Blätter und Blüthen.


Knall-, Brumm- und Krachkosten des Krieges. Die Munitionsvergeudung der Franzosen, namentlich wie dieselbe mit Hülfe der schweren Geschütze in den belagerten Forts um Paris geübt wird, hat schon mehrfach zu der Frage veranlaßt, welche Summe durch das meist ganz zwecklose Knallen im Durchschnitt täglich verpulvert werde. Wir geben nun eine Anleitung zur Feststellung dieser Summe, indem wir von competenter Hand folgendes Verzeichniß der Kaliberstärken und Schußkosten mittheilen.

Es kostet nämlich:

1) der Granatschuß des Vierpfünders (8 Cm. Kanon, 1 Pfund Ladung, Gewicht der Granate 8,5 Pfund) 1 Thlr. 10 Sgr.;

2) der Granatschuß des Sechspfünders (9 Cm. Kanon, 1,2 Pfund Ladung, 13,8 Pfund Gewicht der fertigen Granate) 1 Thlr. 20 Sgr.;

3) der Granatschuß des Zwölfpfünders (12 Cm. Kanon, 2,1 Pfund Ladung, 29 Pfund Geschoßgewicht) 2 Thlr. 18 Sgr.;

4) der Granatschuß des Vierundzwanzigpfünders (15 Cm. Kanon, 4,5 Pfund Ladung, 54,3 Pfund Gewicht der Granate) 4 Thlr. 10 Sgr.

5) Der Zweiundsiebenzigpfünder und der Sechsundneunzigpfünder, beide ausschließlich in der Küsten- und Marine-Artillerie eingeführte Kaliber, haben, entsprechend den ihnen sich darbietenden verschiedenen Zielen, außer dem Kartätschschuß noch zwei Geschoßarten, die Langgranaten und die Hartgußgranaten. Erstere zeichnen sich vor den gewöhnlichen Granaten durch größere Länge und dünnere Eisenstärke aus und fassen deshalb eine bedeutende Sprengladung. Sie sind gegen Erdwälle, Holzschiffe und die nicht gepanzerten Theile der Panzerschiffe bestimmt. Die Hartgußgranaten sind ausschließlich zum Durchschlagen von Panzerplatten bestimmt, werden aus der Gruson’schen Fabrik in Buckau bei Magdeburg bezogen, haben eine ganz massive Bogenspitze und nur ganz kleine zur Aufnahme der Sprengladung bestimmte Sprengkammern. Die Ladung besteht aus prismatischem Pulver.

Der Schuß des Zweiundsiebenzigpfünders (21 Cm. Kanon, 9 Pfund Sprengladung für Langgranaten, 3 Pfund für Hartgußgranaten, 16 bis 34 Pfund Ladung) durchschnittlich 200 Thlr.

Der Schuß des Sechsundneunzigpfünders (23 Cm. Kanon, 13 Pfund Sprengladung für Langgranaten, 5 Pfund für Hartgußgranaten, 35 bis 48 Pfund Ladung) 300 Thlr.

6) Der Schuß des Tausendpfünders, der bekanntlich bis jetzt in einem einzigen, noch von der Pariser Weltindustrieausstellung her allbekannten Exemplare vorhanden ist, kostet, je nach Geschoßart und Stärke der Ladung, 150 bis 500 Thlr. – Eine nähere Auskunft über dieses Riesengeschütz in B. Graser’s Buche über „Norddeutschlands Seemacht“ sagt: „Das Vollgeschoß von Stahl wiegt 1100 Pfund, die Granate 981 Pfund, während das Gewicht des Bleimantels 200 Pfund, das der Pulverladung 100 bis 200 Pfund beträgt. Das Hohlgeschoß wird von einem länglichen Gußstahlkern mit massiver Spitze gebildet und in dasselbe wird hinten, nachdem es aufgeschraubt ist, ein Beutel mit 16 Pfund Pulver als Sprengladung eingesetzt und darauf der Boden zugeschraubt und festgenietet. Eine besondere Zündungsvorrichtung für die Sprengladung ist nicht nöthig, da schon die Friction beim Aufschlagen allein die Explosion bewirkt. Jeder Schuß kostet 800 Thlr. und die Kosten des Geschützes betragen im Ganzen bebeutend mehr, als die Unterhaltung eines Infanterieregiments während eines ganzen Jahres.“




Der letzte Märzminister. Nicht blos die weimarischen Lande legten am fünfzehnten September Trauer an, der Mann, der an diesem Tage dort gestorben ist, der Staatsminister Christian Bernhard von Watzdorff, nahm eine hohe Stelle in Deutschland ein, er hatte, wie die Gartenlaube von 1866 dargethan, an der Spitze der Regierung einer moralischen Großmacht gestanden; und hätte deren Beispiel den politischen Großmächten zum Muster gedient, wie unsägliches Elend würde von den Völkern fern gehalten worden sein! Das kleine Weimar zu solcher Würde unter den Staaten zu erheben, das war die gemeinsame Arbeit edelmüthiger Fürsten und redlicher deutscher Männer; das höchste Verdienst im letzten Vierteljahrhundert gebührt aber dem Manne, den sie mit gerechten Thränen in der Stadt unserer größten Todten nun auch zur Ruhe geleitet haben.

Unsere Leser werden gern jetzt das Bild dieses letzten Märzministers, wie wir es auf Seite 285 der Gartenlanbe von 1866 mitgetheilt, sich vor Augen stellen. Wir freuen uns, daß damals, kurz vor den Stürmen eines Kriegs, der dem deutschen Vaterlandsfreunde keinen Siegesjubel gestattete, uns noch die Gelegenheit geboten war, mit „der ersten deutschen Verfassung den letzten Märzminister“ zugleich zu feiern und des Letzteren Streben und Wirken als Staatsmann und Patriot darzustellen; hat uns doch der siegesstolze Krieg dieser Tage zur Erfüllung der Dankespflicht, so hohes Verdlenst nach Würden zu ehren, Zeit und Raum erst so spät gegönnt, und es ist ein schöner Zufall, daß wir die Erinnerung an ihn statt an seinen Todestag nun an seinen Geburtstag anknüpfen können.

Bernhard v. Watzdorff würde am zwölften December sein sechsundsechszigstes Jahr erreicht haben; er ist zu früh von uns gegangen. Und dennoch preisen wir ihn vor Tausenden seiner Gesinnungsgenossen glücklich, die aus dem Leben schieden, ohne die große Erhebung unseres Vaterlandes noch gesehen zu haben. So haben der tiefste Schmerz, mit dem der Tod seiner Gemahlin ihn beugte, und der höchste Jubel, zu welchem Deutschlands Triumph ihn erhob, zusammengewirkt, um sein Herz zu brechen.

Es war zu früh! Gerade die kommende Zeit, die aus den im Sturm der Noth und der Begeisterung zusammengeführten und in Kämpfen und Sorgen, durch Blut und Thränen innig verbundenen Staaten und Völkern ein durch Einheit für seine Ziele, Wege und Kräfte unüberwindliches deutsches Reich aufzurichten hat – diese Zeit kann Männer, wie Watzdorff, nur schwer entbehren. Die Zahl der Erprobten ist nicht gar so groß, und die der reinen Charaktere, denen das Volk sein ganzes Vertrauen schenken darf, wenn es sie zu seinen Sprechern im Volks- und Fürstenrath beruft, ist leider noch kleiner. Möge Bernhard von Watzdorff Allen ein Vorbild sein, die auf den Weg seiner Pflichten gestellt werden!

H.


Aus den Tagen der Beschießung von Metz erhalten wir von Christian Sell eine vorzügliche Illustration, welche wir heute unseren Lesern vorlegen und deren Einsendung der Künstler mit folgenden Zeilen begleitet hat: „Am Abend des 9. September wurden in die vorher aufgeworfenen Feldverschanzungen nördlich von Pouilly sechsunddreißig schwere Feldgeschütze eingefahren, welche zwischen acht und neun Uhr bei strömendem Regen und furchtbarem Sturm ihr Feuer auf Metz eröffneten. Dasselbe dauerte ununterbrochen bis gegen elf Uhr Nachts; fast drei Stunden lang währte das donnernde Gebrüll der Kanonen, unter welchem die feindlichen Werke mit einem Hagel von Geschossen überschüttet wurden. Es wurde fast nur Salvenfeuer abgegeben, und wenn (ich habe für meine Darstellung einen solchen Moment gewählt) eine ganze Reihe von Geschützen aufblitzte, so war nicht nur die Gegend ringsum, sondern auch der durch den heftigen Regen niedergedrückte Pulverdampf hell und grell erleuchtet. Es war ein schauerlicher, aber höchst malerischer Anblick und dieser allein veranlaßte mich denn auch, in der Sklzze die Beschießung jenes Abends zu fixiren, wenn ihr Einfluß auf den eigentlichen Gang der Dinge auch nicht gerade von Bedeutung war. – Im Hintergrunde meines Bildes liegt links hoch Fort St. Quentin, in der Mitte Metz, nur an der Domkirche erkennbar; im Mittelgrunde hält der Generalstab, während vorn Abtheilungen vom neununddreißigsten und vierundsiebenzigsten Infanterieregimente postirt sind. Die Häuser links und rechts gehören zum Dorfe Pouilly.“




Ein Heldengrab. Es dürfte in unseren Tagen von Interesse sein, eines Grabes zu gedenken, welches vielleicht von Wenigen gekannt und noch weniger besucht ist, und dennoch schon ein halbes Jahrhundert existirt, von deutscher Treue und Standhaftigkeit zu zeugen.

Als 1813 die Niederlausitz unter dem Drucke französischer Herrschaft seufzte, desertirten fünf von den Franzosen gefangen genommene Westphalen (K. Mocke, H. Menke, F. Kersick, J. Westphal, A. Brenner). Sie wollten über die Grenze, um zu ihren deutschen Brüdern zu stoßen. In der Gegend von Cottbus machten sie Halt, den Pferden die nöthige Ruhe und Nahrung zu gönnen, als sie sich plötzlich von französischen Reitern umzingelt sahen. Ein Bauer aus Dissen, einem Dorfe bei Cottbus, hatte den Verräther an ihnen gemacht, an eine Flucht war nicht zu denken, und zum zweiten Male wanderten die braven Westphalen in die Gefangenschaft.

Nach dem Kriegsgesetze werden bekanntlich Deserteure erschossen.

Geht man, von Cottbus aus nördlich, an der Goyatzer Pferdebahn entlang, so kommt man zu der Stelle, wo die fünf Wackeren ihre That mit dem Leben büßen sollten. Eine zahlreiche Menschenmenge wohnte dem traurigen Acte bei, und noch leben in Cottbus Leute, welche die Execution mitangesehen haben.

Vier lagen hereits von Kugeln durchbohrt am Boden, da sprengte auf schaumbedecktem Roß ein Reiter heran, in der einen Hand die Begnadigung vom Kaiser haltend. Noch steht der Letzte, der eines Goldschmieds Sohn gewesen sein soll, als ihm seine und seiner Cameraden Begnadigung gebracht wird. Aber seine vier Genossen liegen todt vor ihm, er blickt auf sie nieder, sein Auge leuchtet stolz auf und: „So wie diese hier für’s Vaterland gestorben sind, so will auch ich mit ihnen in den Tod gehen,“ ruft er, und von feindlichen Kugeln sinkt auch er todt zusammen.

Jetzt bezeichnet ein einfaches Denkmal den denkwürdigen Ort. Akazien, Birke und Gesträuch fassen die Gräber der fünf Gefallenen ein. Als ich jüngst die Stelle besuchte, fand ich dort einen vertrockneten Eichenkranz und auf dem einen der Gräber einen Blumentopf. Das Kreuz war mit den Namen von mehreren Soldaten aus Westphalen beschrieben, welche das Grab ihrer Landsleute besucht hatten.

Auf der Vorderseite des Kreuzes befinden sich in lateinischer Schrift folgende Worte:

„Ruhestätte

der unter französischer Herrschaft am 16. Juli 1813 hier

erschossenen Krieger aus Westphalen“

Der Stein trägt die Namen der Erschossenen, wie ich sie oben angegeben, während auf der Rückseite des Kreuzes zu lesen ist:

„Liebe zum Vaterlande war ihr Tod.
Gesetzt von den Bewohnern der Stadt Cottbus und Umgegend. 1845.“

Der Stein selbst wieder ist mit den Worten geschmückt:

„Und schmücken Euch auch keine Ruhmeshallen,
Für Deutschlands Freiheit seid auch Ihr gefallen.“

Schließlich mag noch erwähnt werden, daß der verrätherische Bauer später ein Schicksal erfuhr, in welchem das Gerechtigkeitsgefühl des Volkes das wohlverdiente Strafgericht sah. Früher sehr wohlhabend, verarmte er allmählich derart, daß er am Ende seines Lebens hat betteln gehen müssen.

O.


Berichtigung. Unsere Auskunft über die „Promotio in absentia“ (S. 811 der Gartenlaube) hat wegen des leidigen Zusatzes „durch Kauf“ Anstoß bei den betreffenden Facultäten erregt. Dieser Zusatz entsprang einem volksthümlichen Ausdruck. Das Volk sagt nämlich: „Er hat sich den Doctor gekauft“, wenn Jemand diese akademische Würde nicht durch mündlichen Beweis seiner wissenschaftlichen Tüchtigkeit, d. h. durch Examen oder Disputation erwirbt, sondern sie durch Einsendung einer schriftlichen Arbeit und gegen Erlegung der üblichen Kosten sich verschafft. Im Auge des Volks war die erkämpfte Würde mehr werth, als die „gekaufte“,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 851. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_851.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)