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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

mit dem Bruder auf etliche Stunden in’s Freie lassen, fand aber keine Erhörung.

Endlich mußten wir uns trennen. Ich gab dem Mädchen noch einen langen Abschiedskuß; dann wurde sie von mir gerissen und in das dunkle Gemäuer des Klosters zurückgeführt.

Als sich die eiserne Pforte wieder hinter mir geschlossen hatte, schien mir Alles wie ein Traum. Traurig verließ ich den unheimlichen Ort. Auf der Gasse erwartete mich mein Nothhelfer und begleitete mich in’s Wirthshaus zu einer Flasche Wein, bei welcher ich bald wieder heiter wurde. Und nachdem der Herr Verwalter seine Geschäfte abgemacht, fuhren wir wieder in’s schöne Zillerthal zurück.“

(Schluß folgt.)




Ein Hauptquartier auf dem Marsch.
Von Ludwig Pietsch.

 Versailles, Mitte November.
Seitdem in den ersten Tagen des October das große königliche Hauptquartier von Ferrière, dem Schlosse Rothschild’s, nach Versailles verlegt wurde und dort nun gleichzeitig mit dem kronprinzlichen und dem der dritten Armee manche Woche lang seinen festen Stand genommen hat, ist von „Märschen des Hauptquartiers“ in Berichten vom Kriegsschauplatze keine Rede mehr gewesen. Diese Rubrik ist aus den Zeitungsspalten gleichsam verschwunden, während früher, bei dem schnellen sieghaften Vorrücken der großen Armeekörper, der Hauptquartiermärsche in jeder Woche mindestens drei Mal Erwähnung geschah. Aber eben nur Erwähnung. Der Berichterstatter ist ja so leicht versucht, das, was ihm selbst aus steter Anschauung vertraut und geläufig ist, auch bei seinen Lesern als bekannt vorauszusetzen. Ja, diese selbst lesen achtlos über dergleichen hinweg, und doch, wie viele meiner verehrten daheimgebliebenen Leser werden sich wirklich klar darüber sein, was das heißt: das Hauptquartier marschirte heute von da nach dorthin, oder wurde gestern von X. nach Y. verlegt? ja, wie viele werden nur wissen, was allein schon dieses Sammelwesen „das Hauptquartier“ eigentlich ist, aus welchen Gliedern, Elementen, Anhängseln es besteht?

Bei Mars la Tour: Unter Schlafenden und Todten.
Nach der Natur aufgenommen von K. Kögler.


Beim Beginn des französischen Krieges wurden - das ist Jedem bekannt - drei Hauptquartiere gebildet; das eine, speciell durch den Titel des „großen Hauptquartiers“ ausgezeichnet war das des Königs, das andere das des Prinzen Friedrich Karl, das dritte das der Südarmee, das heißt des Kronprinzen von Preußen. Das erstgenannte blieb bis zu den großen Kämpfen um Metz förmlich stationär in Mainz und Kaiserslautern. Nach der dritten Entscheidungsschlacht, der von Gravelotte, welche Bazaine’s Heeresmacht dort festbannte, trat es bald parallel dem des kronprinzlichen, bald dessen Route kreuzend, auch seinerseits den schnellen Vormarsch gegen Paris hin an. Statt seiner blieb das des Prinzen Friedrich Karl angesichts jener furchtbaren Veste drittehalb Monate fast localisirt. Das Hauptquartier der deutschen Südarmee aber hat, entsprechend deren unaufhaltsamem Siegeszuge durch den Osten Frankreichs, sich bis Versailles eigentlich in ununterbrochener Bewegung befunden.

Wie einfach auch immer die Sitten, wie schlicht das äußere

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 824. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_824.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)